Edermünde-Grifte erstickt im Verkehr Sperren, Hilferufe und ein drohender Verkehrsinfarkt

Ein marodes Bauwerk, ignorierte Verbote und genervte Anwohner: Weil schwere Lkw die Sperrung der Ortsdurchfahrt in Edermünde-Grifte ignorieren, ist die Straße in einer Richtung dicht - und der Frust wächst.

Foto: Blick auf ein Sperrungs- und Umleitungsschild auf einer Straße.
Die Ortsdurchfahrt nach Grifte ist derzeit für alle Autofahrer gesperrt. Bild © hr

Für die Anwohner sei es nur noch "schade und traurig", beschreibt Denise Marquardt das Verkehrschaos im Edermünder Ortsteil Grifte. Im Sommer schoben sich Lkw und Autos Stoßstange an Stoßstange durch den 1.800-Seelen-Ort im Schwalm-Eder-Kreis.

Dabei ist die Ortsdurchfahrt schon seit Langem für Lkw über 3,5 Tonnen gesperrt. Der Grund: Die L3221 verläuft auf einem alten, maroden Rahmenbauwerk über den Pilgerbach. Dieses wurde zwar gerade erst notsaniert, konnte das schwere Gewicht der Lkw nicht mehr tragen.

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Edermünde-Grifte erstickt im Verkehr

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Bild © hessenschau.de
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Für die Arbeiten wurde die Ortsdurchfahrt mehrere Monate komplett gesperrt, erst kurz vor Weihnachten war sie nach den Sanierungsarbeiten für Autos freigegeben worden - und jetzt ist sie schon wieder in einer Richtung dicht, weil Lkw das Fahrverbot ignorierten.

Lkw-Fahrer ignorieren Barrieren

Zwar weisen vor Grifte zahlreiche Schilder auf das Zufahrtsverbot für Lkw hin. Außerdem stellten Hessen Mobil als die für Landesstraßen zuständige Behörde und das Regierungspräsidium Kassel auf beiden Seiten des Ortes vor ein paar Wochen Durchfahrtsbarrieren auf. Diese sollen verhindern, dass Fahrzeuge, die breiter als 2,20 Meter und höher als 2,80 Meter sind, den Ort passieren.

Foto: Blick auf Gestell auf einer Straße, das die Form einer überdimensionalen Tür hat und rechts und links von Schildern mit den Zeichen "Lkw" und "2,2m" begleitet wird.
Diese Sperren sollten Lkw von der Fahrt über die marode Brücke abhalten. Bild © hr

Geholfen hat das aber offenbar nicht. Wie Hessen Mobil berichtet, gab es seitdem schon mehrere Unfälle mit Blechschäden, weil Fahrer die Schilder ignoriert hätten. Schon mehrmals habe die Straßenmeisterei die Anlage reparieren müssen.

Am Wochenende nun beschädigt ein Lkw unter Missachtung sämtlicher Verkehrszeichen eine der beiden Barrieren laut Hessen Mobil "derart stark, dass sie nicht mehr repariert werden kann". Während der Aufräumarbeiten hätten Mitarbeiter von Hessen Mobil beobachtet, dass größere Fahrzeuge versuchten, durch die Engstelle zu kommen und sich dabei festfuhren. Deshalb sei nun die komplette Durchfahrt Richtung Guxhagen für sämtlichen Verkehr bis auf Weiteres gesperrt.

Anwohnerin: Ausweichen über Schleich- und Schulwege

Seit der Sperrung blieben seine Kunden aus, klagt Metzgermeister Peter Rauch aus Grifte. Schon 20 Minuten später sei "keiner mehr gekommen". Die Abholung bestellter Ware hätten Kunden telefonisch abgesagt, weil sie keine weiten Umwege in Kauf nehmen wollten, vermutet Rauch. Schon bei der ersten Sperrung aufgrund der Bauarbeiten habe er Kunden verloren.

Auch Anwohnerin Denise Marquardt aus dem Nachbarort Haldorf findet die Sperrung ärgerlich. Den Lkw-Verkehr verhindere das nicht. "Die Lkw nehmen die Seiten- und Schleichwege, um trotzdem durch den Ortsteil zu fahren", beobachtet sie. Das sei besonders gefährlich, weil dort viele Schulkinder unterwegs seien.

Auch in Haldorf herrsche seitdem "viel, viel mehr" Verkehr, sagt Marquardt. "Meine Tochter hat auf ihrem Schulweg keine Ampel, für sie ist es kaum noch möglich, über die Straße zu kommen. Ich habe Angst um die Kinder."

A44 Richtung Osten bis Ende März gesperrt

Dass überhaupt so viele Autos und Lkw über die L3221 fahren, liegt an den Sperrungen und Baustellen der A49 und A44. Die A44 bei Kassel ist in Richtung Osten noch mindestens bis Ende März gesperrt, die Sperrung wurde gerade erst verlängert. Zwar gibt es eine großräumige Umleitung über die A49 und A7. Doch wer die Route durch Grifte wählte, sparte Zeit. Hinzu kam: Zeitweise leiteten viele Navis die Fahrer auf die Landstraße statt sie die Autobahnen zu führen.

Die Karte zeigt die Route, die Google Maps zeigt, dazu die ausgeschilderte Umleitung über die A49.
Bild © Bearbeitung: hessenschau.de, OpenStreetMap-Mitwirkende

Ende Juni rollten laut einer Verkehrszählung von Hessen Mobil plötzlich rund 20.000 Fahrzeuge täglich durch Grifte, während es 2021 nur 9.800 waren. Bereits 2021 hatte die Gemeinde einen Hilferuf an das Verkehrsministerium gerichtet, dass die L3221 weder verkehrs- noch zeitgemäß sei.

Von Mitte August bis in den Dezember wurde die Guxhagener Straße dann vollgesperrt, weil Fugen zwischen den Betonrahmen über den Pilgerbach repariert werden mussten.

Koalition fordert Ortsumgehung vor Abriss der Bergshäuser Brücke

Die Gemeindekoalition aus SPD, FWG-Piraten und FDP forderte in einem Antrag an den Landkreis im November, sich bei Land und Bund für eine Ortsumgehung einzusetzen, um Grifte, Haldorf und Guxhagen zu entlasten.

Denn die Lokalpolitiker befürchten einen weiteren "Verkehrsinfarkt", wenn die Bergshäuser Brücke über die Fulda im Zuge des sechsspurigen Ausbaus der A44 abgerissen und ersetzt wird. Die Planungen dafür laufen bereits.

Sollte es bis dahin keine Entlastung geben, so befürchtet die Koalition, müssten sich mehr als 100.000 Fahrzeuge täglich Ausweichstrecken suchen.  

In Grifte will das Regierungspräsidium Kassel jetzt fürs Erste mehr Schilder aufstellen und die Position der Sperren ändern, damit auch den Letzten klar werde: Hier dürfen keine Lkw fahren.

Redaktion: Anja Engelke

Sendung: hr-fernsehen, hessenschau,

Quelle: mit Informationen von Sina Philipps, hessenschau.de