Ein Jahr legales Kiffen: Neun Menschen aus Haft entlassen
Seit einem Jahr ist der Cannabis-Konsum erlaubt. Im Zuge der Teillegalisierung sind in Hessen neun Menschen vorzeitig aus dem Gefängnis freigekommen. Was hat sich noch verändert? Fragen und Antworten.
Die teilweise Legalisierung von Cannabis ist ein Jahr nach dem Inkrafttreten immer noch umstritten. Im Zuge der Teillegalisierung sind in Hessen neun Menschen vorzeitig aus dem Gefängnis freigekommen.
Fragen und Antworten zum legalen Kiffen – alles Wissenswerte im Überblick:
Seit wann gelten die neuen Regeln und wie lauten sie?
Die von der damaligen Ampel-Koalition im Bund beschossene Teillegalisierung von Cannabis zu Genusszwecken gilt seit April 2024. Seitdem ist das Kiffen für Volljährige erlaubt, allerdings nicht im direkten Umfeld beispielsweise von Schulen oder Spielplätzen.
Erwachsene ab 18 Jahren dürfen bis zu 25 Gramm getrocknetes Cannabis besitzen und mit sich führen. Seit Juli vergangenen Jahres dürfen außerdem Cannabis-Anbauvereine für den gemeinschaftlichen Anbau und die Weitergabe von Cannabis zugelassen werden.
Wie viele vergangene Straftaten wurden erlassen?
Bis zum Stichtag der letzten Erhebung am 24. Februar sind laut Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt insgesamt neun Menschen im Zuge der Teillegalisierung von Cannabis in Hessen vorzeitig aus dem Gefängnis gekommen.
In Summe habe sich das Cannabisgesetz bislang auf 1.370 Strafverfahren ausgewirkt. Bei 959 sei die Strafe erlassen worden, in 411 Fällen erfolgte eine Neufestsetzung der Strafe. Fälle, die derzeit noch von einer Staatsanwaltschaft oder dem Gericht zu prüfen sind oder in denen gegen die Neufestsetzung Rechtsmittel eingelegt wurden, sind nicht erfasst.
Wie hat sich das Gesetz auf die Polizeiarbeit ausgewirkt?
Grundsätzlich bedeute die Teillegalisierung mehr Aufwand für die Polizei, erklärte das Innenministerium. "Die Neuerungen führen zu einem erheblichen Kontrollaufwand und zu zahlreichen neuen Streitfragen", hieß es.
Nach aktuellen Erkenntnissen würden in Hessen einschlägige Straßendealer die Freigrenzen von 25 Gramm gezielt ausnutzen, um ihrem Handel offen nachzugehen – unter anderem durch offenes Vorzeigen von Joints. Zur eigentlichen Übergabe wird sich in der Regel aber bewusst zurückgezogen.
Grundsätzlich sei davon auszugehen, "dass sich kriminelle Gruppierungen an die veränderten Rahmenbedingungen anpassen und neue Möglichkeiten für kriminelles Handeln nutzen werden", teilte das Ministerium mit.
Dennoch sank die Zahl der Verstöße: Im Zuge der polizeilichen Kriminalstatistik 2024 habe man im Vergleich zum Vorjahr 2023, wo es 16.252 Cannabis-Verstöße gab, eine Abnahme der Fallzahlen um 52 Prozent festgestellt.
Innenminister Roman Poseck (CDU) sagte dazu: "Die Legalisierung von Cannabis hat zu einem Fallzahlenrückgang bei Rauschgiftdelikten geführt. Das allein kann die Teillegalisierung aber nicht rechtfertigen." Das Gesetz erweise dem Gesundheitsschutz, insbesondere von jungen Menschen, einen Bärendienst.
Was sagen die Kommunen?
Seit Inkrafttreten des Gesetzes vor einem Jahr wird in Fulda der Konsum von Cannabis im öffentlichen Bereich deutlich häufiger wahrgenommen. Verstöße seien allerdings nur im geringen Ausmaß durch die Stadtpolizei festgestellt worden, teilte die Stadt mit. Die meisten Verstöße wie der Konsum in Gegenwart von Minderjährigen werden im Bereich von Spielplätzen und Schulhöfen sowie in deren Sichtweite festgestellt.
Die Stadt Frankfurt habe bisher zehn Ordnungswidrigkeitenanzeigen eingeleitet - Angaben dazu, ob das weniger oder mehr als vor der Teillegalisierung waren, machte die Stadt nicht. Beschwerden bei der Einhaltung von Abstandsregeln zu Spielplätzen oder Schulen gebe es nicht.
Auch in der Landeshauptstadt Wiesbaden beobachtet man häufiger Konsum im öffentlichen Raum, in Zahlen lässt sich das nach Angaben der Stadt aber nicht ausdrücken. Die meisten Konsumenten würden sich an die Regeln halten und so habe die Stadtpolizei bislang nur selten eingreifen müssen. Bislang hätten auch keine Kontrollen in Privaträumen wegen des Verdachts des Cannabisanbaus stattgefunden. Allerdings sei davon auszugehen, dass durch die Legalisierung auch der legale private Anbau zugenommen habe.
In Darmstadt kann die Stadtpolizei keinen häufigeren Konsum im öffentlichen Straßenraum wahrnehmen. "Insbesondere ist keine signifikante Veränderung seit der Freigabe zu erkennen", erklärte ein Stadtsprecher. Verstöße gegen die Abstandsregeln zu Kitas und Co. seien Einzelfälle, wesentlich häufiger werde der Konsum von Alkohol oder Lachgas festgestellt.
Wie viele Anbauvereinigungen gibt es?
Mit der Teillegalisierung wurde auch der Anbau von Cannabis erlaubt. Seit Juli vergangenen Jahres dürfen Cannabis-Anbauvereine für den gemeinschaftlichen Anbau und die Weitergabe von Cannabis zugelassen werden. In Hessen wurde fünf Vereinigungen der Anbau von Cannabis genehmigt. Insgesamt sind nach Angaben des zuständigen Regierungspräsidiums Darmstadt 27 entsprechende Anträge eingereicht worden.
Drei weitere Anträge seien zurückgenommen und zwei an ein anderes Bundesland übergeben worden, teilte die Behörde mit. Die genehmigten Anträge gelten für Anbauvereinigungen in Frankfurt, im Vogelsbergkreis, im Kreis Limburg-Weilburg und zweimal im Kreis Gießen.
Die Genehmigung für den Anbau unterliegt strengen Auflagen. Die Vereine müssen unter anderem die Zahl der Mitglieder angeben sowie die Lage des Grundstücks und die Größe der Anbauflächen und Gewächshäuser benennen. Erforderlich sind zudem Angaben darüber, wie viel Cannabis pro Jahr – getrennt nach Marihuana und Haschisch – angebaut und abgegeben werden soll.
Wie bewerten die Cannabis-Clubs die Teillegalisierung bis jetzt?
Die Cannabis-Clubs sind ein Jahr nach Start des neuen Gesetzes "gefühlsmäßig etwas gespalten" – das sagt zumindest der Sprecher des Gesamtvereins Mariana Cannabis Social Clubs Deutschland, Jan-Henrik Ipsen. Einerseits sei man glücklich, endlich keine Strafverfolgung mehr fürchten zu müssen und sich "endlich ein paar Pflanzen hinstellen zu dürfen". Andererseits werde das Gesetz von allen Seiten angegriffen. Auch die Vergabe von Anbau-Genehmigungen sei ein Problem.
Der Gesamtverein hat 180 Zweigvereine in ganz Deutschland, zum Stand 25. März habe noch kein einziger eine Anbaulizenz erhalten, "obwohl Anträge zum Teil schon länger als ein halbes Jahr bearbeitet werden". Behörden würden sich querstellen, die Kommunikation verweigern und die Bearbeitung der Anträge verschleppen. Im Gesetz allerdings sei eine Bearbeitungszeit von drei Monaten vorgesehen.
In Hessen rechnet der Verein zeitnah mit den ersten drei Anbaulizenzen in Frankfurt, Marburg und Gießen. Im Land gibt es elf Mariana Cannabis Social Clubs mit insgesamt rund 1.500 Mitgliedern. Die meisten Mitglieder haben die Clubs in Darmstadt (rund 280), Marburg (ebenfalls etwa 280) und in Frankfurt (rund 200). Bundesweit haben die Zweigvereine rund 18.000 Mitglieder.
Wie steht es um den privaten Anbau?
Das ist schwer zu sagen, denn der private Anbau ist nicht meldepflichtig. Das Gesetz erlaubt den Anbau von bis zu drei Pflanzen pro Haushalt. Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov haben seit der Legalisierung sieben Prozent der erwachsenen Bevölkerung in Deutschland Cannabis-Samen für den privaten Eigenanbau gekauft. Die Umfrage ist allerdings von April 2024.