Jagd in Frankfurter Parks Schüsse auf Enten erschrecken Spaziergänger
Werden Tiere im Wald gejagt, bemerkt das selten jemand. Anders in gut besuchten Parks und Grünflächen im städtischen Umfeld: In Frankfurt haben Schüsse auf Enten einen Spaziergänger und eine Joggerin erschreckt. Behörden und Jäger beschwichtigen.
Einen "ordentlichen Schrecken" habe ihr Sohn vor knapp zwei Wochen bekommen, erzählen Tino und Jacqueline Lange. Der 13-Jährige habe an einem nebligen Tag nach Weihnachten eine Runde mit dem Hund um den Weiher im Park drehen wollen, direkt neben ihrer Wohnsiedlung im Frankfurter Stadtteil Riedberg.
Am Weiher angekommen habe er plötzlich Schüsse gehört. Dann sei wenige Meter vor ihm eine tote Ente zu Boden gefallen. Erst danach habe er die in den Büschen liegenden Jäger mit orangefarbenden Warnwesten gesehen.
Park mit Spielplätzen ist gleichzeitig Jagdrevier
Seit 2008 wohne die Familie in dem damals neugebauten Stadtteil im Norden Frankfurts. Im direkt an die Wohnsiedlung angrenzenden Kätcheslachpark seien sie und viele andere Familien häufig unterwegs. "Aber so etwas haben wir dort noch nie erlebt", sagt das Paar.
Tatsächlich ist der zwölf Hektar große Park nicht nur Naherholungsgebiet mit Basketball- und Spielplätzen, sondern auch ein Jagdrevier.
Laut der Oberen Jagdbehörde im Regierungspräsidium (RP) Kassel schließt das eine das andere nicht aus. "Parks und Grünflächen sind nicht grundsätzlich ausgenommen von der Jagdausübung." So würden in Kassel etwa auch der Bergpark Wilhelmshöhe und der Auepark bejagt.
RP Kassel: Jäger zu Abschüssen berechtigt und verpflichtet
Zwar könnten die Unteren Jagdbehörden auf städtischer oder Kreisebene einzelne Flächen zu befriedeten Bezirken erklären. Doch auch in dichter besiedelten Gebieten gebe es ausgewiesene Jagdbezirke, in denen die zuständigen Jägerinnen und Jäger das Recht und die Pflicht hätten, "ihre Abschüsse zu erfüllen".
An solchen Orten komme es jedoch immer wieder vor, dass sich Menschen, "die nicht mit der Jagdausübung vertraut sind, darüber wundern und manchmal auch aufgebracht sind", so das RP.
Auch an der Nidda in Frankfurt wird gejagt
So berichtete erst am Montag die Frankfurter Rundschau über eine Joggerin, die sich irritiert über die Entenjagd in Frankfurt an der Nidda gezeigt hatte. Nachfragen zum Jagdgeschehen an der Nidda gebe es "immer mal wieder", erklärt ein Sprecher des Ordnungsamtes der Stadt, das als Untere Jagdbehörde zuständig ist. Beschwerden seien aber "sehr selten".
Doch genau wie bei der Jagd im Kätcheslachpark sei auch an der Nidda alles ordnungsgemäß verlaufen: Entlang des Flusses in Frankfurt gebe es keine "grundsätzlichen jagdlichen Einschränkungen", so der Sprecher.
Braucht es Warnschilder oder andere Hinweise?
Was die Familie aus der Siedlung am Kätcheslachpark jedoch besonders stört: Sie hätten überall danach gesucht, aber es habe nirgendwo Warnschilder gegeben, die auf die Jagd hingewiesen hätten. "Sonst wäre unser Sohn sicher direkt umgekehrt, dann wäre das ja alles kein Problem gewesen", sagt Tino Lange.
Einer der Jagdpächter des Reviers am Riedberg, Josef Göbel, bestätigt auf Anfrage, dass er mit weiteren Jägern am 27. Dezember unter anderem Stockenten gejagt habe. "Es hat dabei zu keiner Zeit eine Gefahr für Passanten gegeben", sagt er.
Zu dem Vorwurf, es hätte keine Warnhinweise gegeben, sagt er: "Wir haben keine gesetzliche Pflicht, zu beschildern, machen es aber an den Haupteinfallswegen zum Jagdgeschehen." Ob am 27. Dezember tatsächlich Schilder aufgestellt wurden, lässt sich nicht überprüfen.
Wie das Frankfurter Ordnungsamt bestätigt, besteht sowohl nach dem Bundesjagdgesetz als auch nach dem hessischen Jagdgesetz keine Verpflichtung, Warnschilder aufzustellen oder eine Jagd anzumelden.
"Bei der Jagd ist einem Schützen die Verpflichtung auferlegt, ständig sein mögliches Schussfeld daraufhin zu überprüfen, ob sich Personen nähern", teilt die Behörde mit.
Jäger: "Tun unser Möglichstes, keinen zu gefährden"
"Wir tun unser Möglichstes, keinen zu gefährden", sagt Jäger Göbel. "Die Sicherheit steht immer an erster Stelle." Jäger würden bei einer sogenannten Gesellschaftsjagd Signalkleidung tragen - und auch an ihren Gewehren ließe sich "mit gesundem Menschenverstand" erkennen, dass man nicht näher kommen sollte. Zudem habe er die Polizei vorsorglich über die stattfindende Jagd Ende Dezember informiert, ohne dazu gesetzlich verpflichtet zu sein.
Früher habe er auch in örtlichen Facebook-Gruppen angekündigt, wenn eine größere Jagd geplant gewesen sei und über die genauen Maßnahmen informiert. "Die Konsequenz war, dass selbsternannte Tierschützer sich an mir in der Anonymität der sozialen Medien abarbeiten wollten", sagt Göbel.
Bei seinen Reviergängen stehe er für einen "offenen, konstruktiven Austausch zur Verfügung", aber auf die Diskussionen im Internet wolle er sich nicht mehr einlassen, so der Jäger.
Jagd zur Bestandsregulierung
Von Naturschützern wird teilweise kritisch gesehen, dass die Jagd auf Stockenten überhaupt zugelassen ist. So kritisierten in der Vergangenheit beispielsweise der Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND) und der Naturschutzbund (NABU), dass die Tiere in Hessen grundsätzlich bejagt werden dürfen.
Laut der Unteren Jagdbehörde in Frankfurt dient die Jagd auf Stockenten genau wie auf Nutrias oder Nilgänse der Bestandsregulierung, "um ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Wild, Natur und Mensch zu erhalten".
Jagd-Saison auf Stockenten bald vorbei
Ab Mitte Januar beginnt auch für Stockenten in Hessen laut dem RP Kassel wieder eine Schonzeit, in der sie nicht gejagt werden dürfen. Auch bis dahin werden aber zumindest im Kätcheslachpark wohl erst einmal keine Jäger und Spaziergänger mehr aufeinandertreffen.
Jäger Göbel sagt, man jage dort traditionell einmal nach Weihnachten - in der restlichen Zeit des Jahres hätten die Tiere am Teich ihre Ruhe.
Jacqueline Lange sagt dennoch: "Man läuft jetzt ganz anders durch den Park." Ihre neun Jahre alte Tochter lasse sie vorerst nicht gern alleine für die Gassirunde zum Weiher gehen.