Betrugsmasche am Telefon Schockanrufe schocken immer weniger - Zahlen dennoch schockierend

In Hessen gibt es immer weniger erfolgreiche Fälle von Schockanrufen - immer mehr potenzielle Opfer durchschauen die Masche rechtzeitig. Alarmierend ist jedoch: Der enstandene Schaden durch diese Betrugsmasche nimmt drastisch zu.

Ein älterer Mann führt ein Telefongespräch am Smartphone. Man sieht ihn unscharf, das Display des Telefons ist scharf. Darauf sieht man einen roten Button zum Auflegen.
Häufig sind ältere Menschen im Fokus der Betrüger. Bild © picture alliance / dpa | Matthias Balk

Mindestens einmal pro Woche meldet die Polizei in Hessen Schockanrufe - meist bei Seniorinnen und Senioren. Die erbeuteten Summen sind häufig hoch.

Die Geschichten, die Betrüger am Telefon erzählen, sind oft haarsträubend - und doch setzen sie ihre Opfer so massiv unter Druck, dass diese keinen Ausweg wissen. 

So händigte eine Seniorin aus Rödermark (Offenbach) vermeintlichen Polizisten erst im Januar Goldbarren und Goldmünzen im Wert von mehr als 100.000 Euro aus. Ein 80-Jähriger aus Bad Nauheim (Wetterau) fiel auf eine Anruferin rein, die sich als Staatsanwältin ausgab und die Lüge von einem tödlichen Unfall erzählte, den die Tochter des Mannes verursacht haben sollte.

Betrüger schrecken auch nicht davor zurück, Minderjährige unter Druck zu setzen. Im Dezember erbeuteten sie von einem Kind in Friedrichsdorf (Hochtaunus) mehrere tausend Euro und Wertgegenstände. Sie hatten dem Mädchen erzählt, die Mutter sei in einen schweren Verkehrsunfall verwickelt.

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Zahl der Fälle wieder gesunken

In der Polizeilichen Kriminalstatistik des Landes Hessen werden Schockanrufe als eigenes Phänomen erfasst. Hier werden alle Taten geführt, die bei der Polizei gemeldet werden - unabhängig davon, ob sie am Telefon, über Messenger-Dienste im Internet oder persönlich an der Haustür begangen werden.

Die Statistik zeigt zunächst einen Anstieg der Taten seit 2019. Lediglich im ersten Corona-Jahr 2020 hat das Hessische Landeskriminalamt (LKA) deutlich weniger Taten registriert. Das könne zum einem mit dem Anzeigeverhalten zusammenhängen, so ein LKA-Sprecher. Dazu sei es möglich, dass die eingeschränkten Reisemöglichkeiten zu weniger Taten geführt hätten.

Doch nach einem deutlichen Plus im Jahr 2022 zeigten sich die Zahlen in 2023 rückläufig. Für 2024 erwartet das LKA ebenfalls einen Rückgang der Fälle, dazu erneut eine höhere Aufklärungsquote. Diese war zuletzt gestiegen - sie lag 2023 allerdings nur bei 13,7 Prozent.

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Pro erfolgreicher Tat rund 49.000 Euro Schaden

Gleichzeitig steigen die Schäden durch sogenannte Schockanrufe in Hessen nach Angaben des LKA drastisch. Während 2019 in Hessen durch diese Masche insgesamt rund 140.000 Euro erbeutet wurden, waren es 2023 schon rund 4,5 Millionen Euro.

Gestiegen ist auch die Summe des durchschnittlichen Schadens pro Fall. Diese lag im Jahr 2022 bei rund 32.000 Euro. Ein Jahr später lag die durchschnittliche Schadenssumme bei rund 49.000 Euro. Was nicht heißt, dass an dieser Grenze Schluss ist: Im Mai 2023 gelang es Telefonbetrügern, eine 89-Jährige in Neu-Isenburg (Offenbach) um ganze 250.000 Euro zu bringen.

Festnahmen sind eher die Ausnahme

Doch warum werden Taten wie diese so selten aufgeklärt? Immerhin lag die Aufklärungsquote für die Gesamtheit aller Straftaten in Hessen laut Kriminalstatistik im Jahr 2023 bei 63,2 Prozent. Festnahmen wie im Januar dieses Jahres, wo eine 29 und einer 30 Jahre alten Tatverdächtigen mit Schockanrufen im Rhein-Main-Gebiet Schmuck und Geld im Wert von rund 70.000 Euro erbeutet hatten, sind eher die Ausnahme.

Ein Grund dafür sei zum einen, dass Opfer von Schockanrufen - wenn überhaupt - die Taten erst deutlich nach dem Vorfall anzeigten, so der LKA-Sprecher. Das erschwere die Verfolgung der Täter, die zudem häufig im Ausland säßen.

Hohe Dunkelziffer - auch Scham spielt eine Rolle

Dazu kämen undurchschaubare Strukturen auf der Täterseite, die es "extrem schwer machen, an die Hintermänner ranzukommen". Ein Zugriff gelinge meist nur, wenn "rüstige Rentner die Masche durchschauen". Dabei helfe, dass viele Großeltern mittlerweile von ihren Enkeln für gängige Betrugsmaschen sensibilisiert würden.

Trotz der sinkenden Fallzahlen sei die Dunkelziffer hoch. Zum Beispiel, weil einige der Geschädigten aus Scham keine Anzeige erstatten oder beim Erkennen des Betruges das Telefonat beenden, ohne die Polizei im Nachgang zu informieren, so der LKA-Sprecher.

Betrugsversuche immer anzeigen

Das LKA wirbt dafür, sämtliche Versuchstaten umgehend anzuzeigen. "So was bringt uns weiter", so der Sprecher. Denn die Polizei warnt Bürgerinnen und Bürger, sobald sie über einen Betrugsversuch informiert werden, zeitnah über die App hessenWarn.

Außerdem arbeitet sie mit Banken zusammen. Deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seien oft "der letzte Kontakt vor der Geldübergabe an die Täter" und hätten so die Möglichkeit, die Taten zu verhindern.

Frauen häufiger betroffen

Vor allem ältere Menschen werden von den Betrügern gezielt ausgesucht. Das LKA spricht deshalb von "seniorenspezifischen" Straftaten. Die Täter nutzten "die Folgen des Alterns wie abnehmende körperliche und/oder geistige Fähigkeiten" gezielt aus.

Außerdem begünstigen laut LKA Faktoren wie anerzogene Hilfsbereitschaft, wenig Ahnung von Recht und Gesetz, Leichtgläubigkeit und Hilflosigkeit - verbunden mit einer Überforderung die Taten. Seniorinnen und Senioren über 60 seien demnach "ideale Opfer".

Schockanrufe - was tun?

Die Polizei gibt folgende Tipps gegen Schockanrufe. Auf der Webseite der Hessischen Polizei finden Interessierte umfangreiche Informationen dazu.

  • Die Polizei ruft niemals mit der Notrufnummer 110 oder ähnlichen Nummern an.
  • Gibt sich der Anrufer als Polizeibeamtin oder Polizeibeamter aus, auflegen und den Notruf 110 wählen.
  • Misstrauisch sein, wenn sich der Anrufer nicht mit Namen vorstellt oder sich als Verwandter oder Bekannter ausgibt, ohne dass man ihn oder sie erkennt.
  • Wenn Sie Zweifel haben: Verwandte oder Bekannte unter einer bekannten Nummer anrufen und sich den Fall bestätigen lassen.
  • Niemals am Telefon über persönliche oder finanzielle Verhältnisse sprechen.
  • Keine PIN-Nummern oder Passwörter rausgeben.
  • Sofort auflegen, wenn man den Anrufer nicht kennt und man unter Druck gesetzt wird.
  • Mit Familie oder Freunden über den Anruf sprechen.
  • Unbekannten niemals Geld oder Wertsachen übergeben, auch nicht angeblichen Polizisten.
  • Opfer eines Betruges sollten sich sofort an die Polizei wenden und Anzeige erstatten.
  • Auch Betrugsversuche bei der Polizei melden.
  • Zettel mit Verhaltstipps beim Telefon platzieren - das gibt Sicherheit.
  • Ruhe bewahren.

Neben dem Alter ist auch das Geschlecht ein Indikator für erfolgsversprechende Betrugsversuche. Wie der LKA-Sprecher auf hr-Anfrage mitteilte, seien Frauen häufiger betroffen.

So finden die Täter ihre Opfer

Ihre Opfer finden die Betrüger meist im Telefonbuch oder in elektronischen Telefonverzeichnissen. Hierbei achteten sie auf alte deutsche Vornamen. Eine Sprecherin des Polizeipräsidiums Nordhessen berichtete, dass Täter dazu gezielt nach kurzen Telefonnummern suchten, weil diese auf einen älteren Anschluss und entsprechend Bewohner im Seniorenalter hinweisen.

Zuletzt zeichnete die Polizei in Nordhessen Rita Jakob-Auth mit einer Medaille für ihre Zivilcourage aus. Die Frau war von einem Betrüger am Telefon unter Druck gesetzt worden und durchschaute den Trick. Stundenlang hielt sie den Betrüger am Telefon, ihr Mann informierte die Polizei. Bei einer fingierten Übergabe konnten Beamte den Betrüger festnehmen.

Videobeitrag

Medaille für Zivilcourage in Kassel verliehen

hs 04.02.2025
Bild © hessenschau.de
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Sendung: hr4,

Quelle: hessenschau.de