Staat um Milliarden geprellt Erste Anklage wegen Cum-Cum-Aktiengeschäften zugelassen
In Wiesbaden müssen sich bald Banker wegen mutmaßlichem Steuerbetrugs mit Cum-Cum-Geschäften verantworten - zum ersten Mal in Deutschland. Dabei hatte das Gericht die Anklage zunächst abgewiesen.
Zum ersten Mal in der deutschen Justizgeschichte müssen Banker vor Gericht, die mit Cum-Cum-Aktiengeschäften Geld verdient haben sollen. Wie eine Gerichtssprecherin dem hr bestätigte, hat das Oberlandesgericht Frankfurt eine entsprechende Anklage zugelassen. Zuerst hatte das Handelsblatt darüber berichtet.
Demnach handle es sich bei den Angeklagten um fünf ehemalige Top-Manager der Deutschen Pfandbriefbank. Im Februar 2024 war ein erster Versuch der Staatsanwaltschaft Wiesbaden gescheitert, die Beschuldigten auf die Anklagebank zu bringen: Das Landgericht Wiesbaden hatte keinen hinreichenden Tatverdacht gegen die fünf Banker gesehen.
Die Staatsanwaltschaft hatte daraufhin Beschwerde beim OLG Frankfurt eingelegt - mit Erfolg: Nun muss das Gericht in Wiesbaden den Fall doch verhandeln. Wann der Prozess an der dritten Strafkammer beginnt, steht laut der Gerichtssprecherin noch nicht fest. Juristen gehen schon jetzt davon aus, dass die Anklage eine Signalwirkung haben dürfte und weitere Anklagen um Cum-Cum-Geschäfte nach sich ziehen wird.
Cum-Cum: "Großer Bruder" von Cum-Ex
Cum-Cum-Geschäfte gelten als "großer Bruder" der bekannteren Cum-Ex-Aktiengeschäfte, mit denen Banken und andere Investoren den deutschen Staat geschätzt um einen zweistelligen Milliardenbetrag prellten.
Cum-Cum-Geschäfte waren bei Banken und Sparkassen noch weiter als Cum-Ex verbreitet, sind aber juristisch kaum aufgearbeitet. Während einige Täter wie Hanno Berger wegen Cum-Ex-Deals zu teils hohen Haftstrafen verurteilt wurden, steht bei Cum-Cum der erste Strafprozess noch aus.
Der Mannheimer Finanzwissenschaftler Christoph Spengel schätzt den Steuerschaden aus Cum-Cum-Deals auf rund 28,5 Milliarden Euro. Nur einen Bruchteil davon habe sich der deutsche Staat zurückgeholt, kritisiert der Verein Bürgerbewegung Finanzwende. Der Verein fordert schon lange eine schnellere Aufarbeitung von Cum-Cum.
Regel im deutschen Steuerrecht umgangen
Bei Cum-Cum-Geschäften generierten Banken Steuervorteile für ausländische Inhaber deutscher Aktien. Eine Regel im deutschen Steuerrecht sieht vor, dass sich deutsche Anleger Steuern auf Dividenden von deutschen Aktien erstatten lassen können - ausländische Anleger aber nicht.
Mit Cum-Cum-Deals versuchten ausländische Aktionäre diese Regel zu umgehen: Sie verliehen ihre Wertpapiere kurzzeitig an Geschäftspartner in Deutschland, die sich dann die Steuer erstatten ließen. Den Erlös teilten sich die deutschen Partner dann mit den ausländischen Aktionären, während der Staat leer ausging.
Hessen schätzt Schaden auf zwei Milliarden Euro
Nach einer früheren Umfrage der Finanzaufsicht Bafin haben 54 Banken eingeräumt, an Cum-Cum-Geschäften beteiligt gewesen zu sein. Die Bafin schätzt die finanziellen Belastungen durch Rückforderungen aus diesen Geschäften auf gut 4,6 Milliarden Euro.
Laut Recherchen des Bayerischen Rundfunks hat sich das Land Hessen aus Cum-Cum-Geschäften bislang rund eine Milliarde Euro zurückgeholt, geht aber von zwei Milliarden Euro aus, die in den missbräuchlichen Aktiengeschäften verloren gegangen sind.
Die Deutsche Pfandbriefbank, bei der die nun Angeklagten laut Handelsblatt gearbeitet haben sollen, existiert in der damaligen Form nicht mehr. Ein Sprecher der heutigen pbb Deutsche Pfandbriefbank sagte dem Handelsblatt demnach, dass die heutige Bank nichts mit den Geschäften von damals zu tun habe.