Wissenschaft en passant Esa-Sonde Hera macht seltene Nahaufnahmen von Marsmond Deimos
Die Raumsonde Hera dient eigentlich der planetaren Verteidigung gegen Asteroiden. Unterwegs zu einem solchen kam sie am Mars vorbei - und schickte spektakuläre Bilder zurück zur Erde. Davon begeistert zeigte sich in Darmstadt ein waschechter Rockstar.
Großer Bahnhof am Donnerstag im Raumfahrtkontrollzentrum ESOC in Darmstadt. Die europäische Raumfahrtagentur Esa hatte in ihr Pressezentrum geladen, um über den Vorbeiflug der Hera-Sonde am Mars und seinen beiden Monden Deimos und Phobos vom Vortag zu informieren.
Dunkle Kartoffel auf hellem Grund
Gezeigt wurden unter anderem Bilder, die Hera vom kleineren Mond Deimos, der etwa 20.000 Kilometer entfernt um den Mars kreist, aus einer Entfernung von nur etwa 1.000 Kilometern gemacht hat. Sie zeigen im visuellen Bereich den kartoffelförmigen, etwa zwölf Kilometer großen Himmelskörper als dunklen Punkt vor der kraterübersäten hellen Marsoberfläche.
"Das Raumschiff hat sich optimal verhalten, wir sind sehr glücklich", sagte Projektwissenschaftler Michael Kueppers. Und Stephan Ulamec vom Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrum lobte die "fantastischen" Bilder, die die dem Planeten abgewandte Seite des Mondes zeigen.
Herkunft der Marsmonde unklar
Von ihnen und den gewonnenen Daten erhoffen sich die Forscher Aufschluss über den Ursprung der beiden Marsmonde. Denn noch ist nicht geklärt, ob Phobos und Deimos durch einen Einschlag aus dem Mars herausgesprengt wurden oder ob es sich um frühere Asteroiden handelt, die von der Schwerkraft des Planeten eingefangen wurden.

"Das werden wir auch nach dem Vorbeiflug nicht endgültig wissen", räumte Kueppers auf Nachfrage ein. Die Aufnahmen leisteten aber einen wertvollen Beitrag, um der Antwort auf die Frage näher zu kommen. So könnten insbesondere die Infrarot- und Wärmebildaufnahmen von Deimos Kenntnisse über dessen Zusammensetzung liefern.
Mission: Verteidigung des Planeten gegen Einschläge
Der Auftrag der Hera-Mission dreht sich eigentlich um etwas ganz anderes, nämlich um den Schutz der Erde vor Asteroideneinschlägen. Die Sonde soll im Herbst 2026 den Asteroiden Didymos und seinen wesentlich kleineren Mond Dimorphos untersuchen.
Den hatte die NASA nämlich im September 2022 mit einem Projektil beschossen, um seine Flugbahn zu ändern. Die Mission DART (Double Asteroid Redirection Test) war Teil des internationalen Projekts AIDA (Asteroid Impact and Deflection Assessment). Man wollte testen, ob sich ein Asteroid auf Kollisionskurs mit der Erde ablenken lässt.
Was hat der Einschlag bewirkt?
Immerhin: Beobachtungen von der Erde aus zeigen, dass die Umlaufzeit von Dimorphos um Didymos um 33 Minuten verkürzt wurde. Doch die Wissenschaftler wollen es genauer wissen und so wurde im Oktober 2024 Hera losgeschickt.
Von Darmstadt aus gesteuert soll die Sonde vor Ort die Eigenschaften des Asteroiden und die Auswirkungen des menschengemachten Einschlags analysieren: neben der Bahnveränderung etwa die Größe des womöglich entstandenen Kraters.
"Asteroiden sind noch immer ein Risiko"
Abwegig sind Asteroideneinschläge auf der Erde nicht. "Asteroiden waren immer ein Risiko für das Leben auf der Erde und sind es noch", sagte Holger Krag, Chef für Raumfahrtsicherheit bei der Esa.
So wurde noch kürzlich die Wahrscheinlichkeit eines Einschlags des Asteroiden 2024 YR4 im Jahre 2032 mit gut zwei Prozent angegeben. Das hat man inzwischen ausgeschlossen.
Schwung holen mithilfe der Mars-Gravitation
Auf dem Weg zum Didymos-System war Hera nun am Mittwoch in etwa 5.000 Kilometer Entfernung am Mars vorbeigeflogen. Mithilfe seiner Schwerkraft holte die Sonde noch einmal Schwung, um sich auf die lange Reise zu dem Asteroiden zu machen.
Ein solches Swing-by-Manöver hilft enorm, Treibstoff zu sparen. Den hätte man sonst aufwändig und teuer mit an Bord nehmen müssen. Zudem wird die Reise durch die aufgenommene Geschwindigkeit noch einmal erheblich verkürzt.
"Eine einmalige Gelegenheit"
Die Esa wäre nicht die Esa, würde sie eine solche Gelegenheit verstreichen lassen, ohne wissenschaftlichen Nutzen daraus zu ziehen. Rund 600 Bilder hat die Sonde vom Mars und seinen beiden Monden geschossen. Dafür blieb nur ein Zeitfenster von 30 bis 60 Minuten, denn Hera raste mit rund 32.000 Stundenkilometern am Mars vorbei.
Neben der Möglichkeit, die Marsmonde aus nächster Nähe zu fotografieren bot sich auch die Chance, die Instrumente an Bord ausgiebig zu testen. Dazu gehört auch ein experimentelles visuelles Navigationssystem, das sich an der Oberfläche eines Himmelskörpers orientiert. "Der Vorbeiflug war dafür eine einmalige Gelegenheit", sagte Kueppers.
Rockstar Brian May begeistert von Ergebnissen
Reichlich Aufmerksamkeit wurde bei dem Event auch einem prominenten Besucher zuteil. Brian May, Queen-Gitarrist und promovierter Astrophysiker, unterstützt die Mission wissenschaftlich und durch Öfffentlichkeitsarbeit. Er war eigens angereist, um sich in Darmstadt über die Ergebnisse des Vorbeiflugs zu informieren.

Von den Aufnahmen zeigte er sich begeistert. "Es sind tolle wissenschaftliche Erkenntnisse, die man hier unterwegs mitgenommen hat", sagte er dem hr. Noch seien viele Analysen durchzuführen. Den Marsmond Deimos aber aus dieser Nähe zu sehen, fasziniere ihn sehr.
Proben von Marsmonden sollen zur Erde gebracht werden
Während Hera nun auf dem Weg zum Didymos-System ist, bereiten Esa und die japanische Raumfahrtagentur JAXA die Mission MMX (Mars Moons Exploration) vor. In naher Zukunft soll sie Gesteinsproben von Phobos zur Erde bringen. Neben Erkenntnissen über den Ursprung des Mondes erhofft man sich davon auch Hinweise auf Spuren von Leben.