Gutachten liegt vor Kettenreaktion brachte Marburger Hörsaal zum Einsturz
Nachdem Ende 2023 eine Hörsaal-Decke an der Universität Marburg eingestürzt ist, steht nun die Ursache fest: Laut einem Gutachten kamen mehrere Faktoren zusammen, die am Ende zu einer "kinetischen Kettenreaktion" führten.
Es war großes Glück, dass der Hörsaal 205 des Landgrafenhauses der Marburger Philipps-Universität menschenleer war, als die Decke im Dezember 2023 einstürzte. Es bot sich ein Bild der Verwüstung: Stahlgerippe, Holz- und Deckenplatten begruben Tische und Stuhlreihen unter sich.
Mehr als ein Jahr später gilt die Ursache für den Einsturz nun als geklärt: Wie die Universität am Dienstag mitteilte, lässt sich der Einsturz laut dem finalen Gutachten "nicht auf eine einzelne Ursache zurückführen, sondern auf ein in dieser Form einmaliges Zusammenwirken mehrerer Faktoren".
Korrosion, Feuchtigkeit, Temperaturabfall und Stahlqualität
So habe sich gezeigt, dass Stahlstäbe und flache Stahllaschen in der Aufhängung der Deckenbalken korrodiert waren und es in der Folge zu Materialermüdung kam. Von außen sei dieser Rost nicht sichtbar gewesen.
Auslöser für die Korrosion wiederum war laut Gutachten das Zusammenwirken zweier Faktoren: Durch die abgesenkte Heiztemperatur während der Pandemie sei die Dämmschicht feuchter geworden, gleichzeitig sei die Last auf der Decke durch Dämmung und Lüftung gestiegen.
Zusätzlich sei dann die Temperatur in der Nacht vom 3. Dezember sehr schnell unter den Gefrierpunkt abgefallen. Der verbaute Stahl stamme aus der Zeit des Ersten Weltkriegs und weise insgesamt eine "uneinheitliche Qualität und daher insgesamt verminderte Festigkeit" auf, hieß es in der Mitteilung der Universität.
Teil der Räume bald wieder bezugsfertig
Eine Kombination aus diesen Faktoren habe dann vermutlich in der Nacht zum 3. Dezember zunächst eine Aufhängung zum Versagen gebracht und dann eine "kinetische Kettenreaktion" ausgelöst, wodurch die komplette Decke einstürzte.
Auch andere Gebäudeteile seien inzwischen abschließend geprüft worden, hieß es von der Universität: Ein Großteil des Gebäudes erfülle die statischen Anforderungen, sodass ein Teil der Büros und Räume im ersten Quartal dieses Jahres wieder bezogen werden könnte.
Endgültige Kosten nicht nicht abzuschätzen
Neben dem Hörsaal 205, der in seiner Bauweise aus den Jahren 1915/16 einmalig gewesen sei, gibt es drei weitere Hörsäle im Landgrafenhaus. Dort werde es nun Nachbesserungen an den Decken geben, sodass sie bis zum kommenden Wintersemester wieder bezugsfertig sein sollen.
Die Kosten für die Arbeiten an den kleineren Hörsälen und Büros schätzt die Universität auf rund 600.000 Euro. Für den Wiederaufbau des eingestürzten Hörsaals werden der Universität zufolge mehrere Jahre eingeplant, die Kosten seien noch nicht abschätzbar.