Frankfurter Flughafen: Wo das Sicherheitskonzept aufging - und wo nicht

Umweltaktivisten der "Letzten Generation" durchdringen mit einfachen Kneifzangen Zäune am Flughafen. Hat das Sicherheitskonzept in Frankfurt versagt? Welche rechtlichen Folgen hat das? Und was können betroffene Fluggäste tun?

Loch in einem Zaun am Frankfurter Flughafen
Ein Loch in einem Zaun am Frankfurter Flughafen. Bild © picture-alliance/dpa

"In Frankfurt gibt es über 30 Kilometer Zaun, die technisch gesichert und bestreift werden."

Dieses Zitat stammt aus der Pressemitteilung des Flughafenbetreibers Fraport vom Donnerstag. 30 Kilometer, gesichert und von Sicherheitsbeamten auf Streifen kontrolliert - und dennoch haben Mitglieder der "Letzten Generation" Stellen ausfindig gemacht, die offenbar weniger gut gesichert waren als andere Bereiche.

Offene Fragen - wenige Antworten von Fraport

Der einfache Einsatz "kleiner Kneifzangen" hat den Klima-Aktivistinnen und -Aktivisten gereicht, um sich Zugang zu Deutschlands größtem Flughafen zu verschaffen. Wie es dazu kommen konnte, dazu wollte sich der Flughafen Frankfurt gegenüber dem hr nicht äußern.

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Bereits in den vergangenen Tagen gab es mehrere Aktionen an unterschiedlichen europäischen Flughäfen, so beispielsweise in Oslo oder am Flughafen Köln/Bonn. Auf einer Pressekonferenz deutete die "Letzte Generation" weitere Aktionen an.

Die Frage, warum das nicht zu erhöhten Sicherheitsmaßnahmen am Frankfurter Flughafen geführt hat, bleibt offen. Antworten gibt es aber auf andere Fragen rund um die Aktion am Donnerstag:

Die "Letzte Generation" ist nicht direkt auf die Startbahnen des Frankfurter Flughafens gekommen, sondern nur bis zu den sogenannten Taxi-Ways, den Zufahrten zu den einzelnen Bahnen. Dort klebten sich die Aktivistinnen und Aktivisten an mehreren Positionen fest.

Dem Vernehmen nach waren die Eindringlinge an zwei verschiedenen Stellen auf das Gelände gelangt und mussten drei Zäune überwinden, bis sie im inneren Sicherheitsbereich waren. 

Rund um den Frankfurter Flughafen gibt es etwa 30 Kilometer Zaun. An der A5, im Osten des Flughafens, wurden zuletzt neuartige Stahlzäune angebracht, die mehrere Meter hoch sind. Dort ist eine Überwindung der Sicherheitszäune quasi unmöglich. Derlei Stahlzäune sollen nach und nach auf der kompletten Strecke angebracht werden, im westlichen Bereich des Flughafens sind diese noch nicht installiert.

Dort soll weiterhin lediglich Maschendrahtzaun für Sicherheit sorgen. Eine Schwachstelle, die der "Letzten Generation" offensichtlich bekannt war.

Das Sicherheitskonzept des Flughafenbetreibers Fraport sieht vor, dass sämtliche 30 Kilometer täglich zweimal mit Polizeihubschraubern überflogen werden, regelmäßig wird Streife gefahren. Die Umzäunung unterliegt demnach komplett der Überwachung, inklusive Kameras und Bewegungsmeldern. Sobald der Zaun berührt wird, geht ein Signal los. Dieses alarmiert in einer Leitstelle die Bundes- und Landespolizei sowie die Fraport-eigene Sicherheitsfirma FraSec. Diese soll dann möglichst schnell vor Ort sein.

Ja und nein. Das Konzept der Fraport ist insofern aufgegangen, als dass die Aktivistinnen und Aktivisten nicht weiter auf das Flughafen-Gelände vordringen konnten. Sie gelangten lediglich bis zu den Zufahrten zu den Landebahnen. Dorthin waren Beamten der Bundespolizei ausgerückt.

Auch am Freitag blieb der Frankfurter Flughafenbetreiber Fraport bei seiner Darstellung, wonach das Sicherheitskonzept "sehr, sehr solide funktioniert" habe. "Durch die gute Koordinierung und den schnellen Zugriff der Einsatzkräfte ist niemand zu Schaden gekommen – und das ist definitiv am wichtigsten", schrieb Fraport-Chef Stefan Schulte bei LinkedIn, einer Plattform für Geschäftskontakte.

Der Vorfall werde gemeinsam mit Bundespolizei und Landesbehörden aufgearbeitet, kündigte derweil Fraport-Sprecher Christian Engel an. Das Sicherheitskonzept werde verschärft. Ein Sprecher der Bundespolizei betonte, dass sämtliche Vorschriften in Frankfurt eingehalten worden seien. Die Alarmierung habe sehr schnell funktioniert, und die Streifen seien noch einmal sensibilisiert worden.

Dass im beschriebenen Sicherheitskonzept offenbar zeitliche Fenster vorhanden sind, um unbemerkt den Maschendrahtzaun zu öffnen, ist dagegen eine eindeutige Schwachstelle. Der dadurch entstandene Schaden ist immens.

Klar ist: Allein aufgrund der Uhrzeit der Aktion (5 Uhr) wird der Schaden beträchtlich sein, so lautet die Einschätzung des hr-Flughafenexperten Andreas Graf. Dies ist eine wichtige Hauptzeit am Flughafen, zu der viele Maschinen auf den Langstrecken, beispielsweise aus Asien, landen. Diese mussten aufgrund der Aktion umgeleitet werden. Keine einfache Aufgabe, denn einige der Flugzeuge konnten aufgrund ihrer Größe nicht auf beliebige Airports ausweichen.

Von den Ausweich-Flughäfen mussten teilweise die Passagiere als auch die Flugzeuge zurück nach Frankfurt kommen - auch als Leerflug, was weitere Kosten hervorruft. Laut hr-Informationen entsteht für die Fluglinien pro Minute Verspätung ein Schaden in Höhe von mehreren hundert Euro je Flugzeug.

Laut Gesetz ist der Flughafenbetreiber Fraport verantwortlich für die Sicherheit des Flughafens. Diese Sicherheit konnte nicht gewährleistet werden, denn Aktivistinnen und Aktivisten verschafften sich Zutritt zum Gelände und sorgten so dafür, dass tausende Menschen zwischenzeitlich am Flughafen strandeten. Rund 250 der 1.400 für Donnerstag geplanten Flüge wurden gestrichen, es gab zahlreiche Verspätungen. Daher können die Fluglinien Schadenersatz vom Flughafenbetreiber fordern.

Per Zivilklage ist dann wiederum davon auszugehen, dass Fraport Schadenersatzforderungen an die Aktivisten und Aktivistinnen der "Letzten Generation" stellt.

Für alle Fluggäste gelten die EU-Fluggastrechte, wie Reiserecht-Experte Kay P. Rodegra dem hr gegenüber betont. Diese besagen unter anderem, dass bei längeren Wartezeiten die Fluggesellschaft für ihre Passagiere Betreuungsleistungen wie Verpflegung und Getränke erbringen muss.

Im Falle einer Annullierung muss die Airline einen zeitnahen Ersatzflug anbieten, so Rodegra. Dabei können Fluggesellschaften laut Flightright nicht nur auf die eigene Flotte, sondern auch auf Flüge anderer Airlines zurückgreifen. Auch alternative Beförderungsmittel könne die Fluggesellschaft berücksichtigen, wenn Passagiere dadurch schneller an ihr Ziel kommen.

Abhängig von der Entfernung der Flugstrecke ist laut Flightright bei Annullierung ferner eine Entschädigung von bis zu 600 Euro möglich. Auch bei einer Verspätung von mehr als drei Stunden könnte eine ähnlich gelagerte Entschädigung möglich sein. Hier hat die Airline allerdings die Möglichkeit, sich von dem Anspruch zu befreien, wenn sie darlegt, dass im konkreten Fall ein außergewöhnlicher Umstand vorliegt und sie sämtliche zumutbare Maßnahmen ergriffen hat, so Ronny Hauck, Professor im Bereich Zivilrecht von der TU Bergakademie Freiberg.

Alternativ zur Umbuchung können Reisende laut Claudia Brosche, Fluggastexpertin bei Flightright, eine Rückerstattung wählen. Dies müssen sie allerdings aktiv der Airline mitteilen. Eine Rückerstattung des Beitrags müsse dann innerhalb von sieben Tagen erfolgen.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sagte am Donnerstag, die Flughafenbetreiber müssten bundesweit mehr tun, um ihre Anlagen zu schützen. Zäune müssten widerstandsfähiger werden und mit modernen Video- und Signalanlagen ausgerüstet werden.

Der Flughafenverband ADV zeigte sich ob dieser möglichen politischen Vorgaben zur Sicherheitsausstattung skeptisch: "Wir können nicht 350 Kilometer deutschen Flughafenzaun kontrollieren. Überspitzt gesagt: Eine Überwachung wie an der innerdeutschen Zonengrenze ist nicht realistisch", sagte ADV-Hauptgeschäftsführer Ralph Beisel am Donnerstag dem Portal "T-Online".

Die Bundesregierung setzt auch anderweitig auf Abschreckung in der Sache. Erst in der vergangenen Woche beschloss sie härtere Strafen für Protestaktionen von sogenannten Klimaklebern. Das Gesetz ist aber noch nicht in Kraft getreten.

Redaktion: Bernhard Böth

Sendung: hr-fernsehen, hessenschau,

Quelle: hessenschau.de, dpa/lhe