Nach Vergiftungsfällen Essbar oder giftig? Auf was Pilzesammler achten sollten

Deutschlandweit haben sich zuletzt Meldungen über Pilzvergiftungen gehäuft. Auch das für Hessen zuständige Giftinformationszentrum berichtet von vielen Anfragen. Warum es gerade so viele Fälle gibt – und was Sie beim Sammeln beachten müssen.

Das Bild zeigt einen geflochtenen Korb, der auf einem grünen Waldboden steht. Darin liegen mehrere Steinpilze.
In diesem Korb sind essbare Steinpilze gelandet. Bild © picture-alliance/dpa
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Die diesjährige Pilz-Saison nähert sich ihrem Höhepunkt – und auch die Pilzvergiftungen scheinen auf ihren zuzusteuern. In mehreren Bundesländern haben in den vergangenen Wochen Vergiftungsfälle für Schlagzeilen gesorgt.

Im Saarland und in Nordrhein-Westfalen wurde der Knollenblätterpilz als Ursache ausgemacht, in Sachsen der Pantherpilz. Und in der Wetterau kam ein Mann mit Vergiftungserscheinungen ins Krankenhaus, nachdem er mit dem Gift des Fliegenpilz versetzte Gummibärchen zu sich genommen hatte.

Videobeitrag

Pilzsprechstunde im Gesundheitsamt

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Bild © hessenschau.de
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Diese Giftpilze könne man auch in Hessen finden, erklärt Dietmar Krüger von der Pilzschule Hessen. Wegen der hohen Temperaturen Anfang September habe sich die Saison insgesamt etwas nach hinten verschoben. "Man findet momentan noch relativ viele Pilze, besonders in Gegenden, in denen es viel geregnet hat", sagt der Experte aus Offenbach. Das gehe noch bis in den November hinein so weiter.

Schon 300 Anfragen beim Giftinformationszentrum

Dass die Zahl der Sammler steigt, stellt auch die Stadt Frankfurt fest: Die Nachfrage an der kostenlosen Pilzsprechstunde im Gesundheitsamt sei in diesem Jahr besonders groß. Pro Termin kämen zwischen 20 und 40 Menschen, um sich ihre Sammel-Ausbeute von einem Pilz-Experten analysieren zu lassen.

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Das Giftinformationszentrum für Hessen, Rheinland-Pfalz und das Saarland erreichen Sie 24 Stunden am Tag unter der Telefonnummer 06131-19240.

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Auch die Anrufe beim Giftinformationszentrums (GIZ) von Rheinland-Pfalz, Hessen und dem Saarland mit Sitz in Mainz gehen laut Leiter Andreas Stürer "derzeit steil nach oben". In diesem Jahr seien bereits rund 300 Anfragen wegen möglicher Pilzvergiftungen eingegangen.

Bis zu 500 Anrufe bis Jahresende erwartet

Insgesamt kämen 85 Prozent der Anrufer aus Hessen, Rheinland-Pfalz, und dem Saarland; der Rest stamme anderen Teilen Deutschlands, vor allem aus den angrenzenden Bundesländern Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg.

Die Zahl der Anfragen am Zentrum schwankt Stürer zufolge jährlich zwischen 400 bis 500. Er rechnet auch dieses Jahr mit einer solchen Zahl bis Jahresende.

Knollenblätterpilz fast immer Ursache

Das Bild zeigt einen violetten Pilz mit Hut auf leicht feuchtem Waldboden.
Die Farbe mag zunächst anderes sagen, aber der Violette Rötelritterling ist ein essbarer Pilz. Bild © Imago Images

Pilzvergiftungsfälle werden laut der Deutschen Leberstiftung nicht gemeldet. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) gibt an, es bekomme durchschnittlich zehn Pilzvergiftungen pro Jahr ärztlich mitgeteilt.

Dem Deutschen Ärzteblatt zufolge wurden in Deutschland in den Jahren 2000 bis 2018 insgesamt 4.412 stationäre Behandlungen und 22 Todesfälle aufgrund toxischer Wirkung verzehrter Pilze verzeichnet. 90 Prozent der tödlichen Pilzvergiftungen wurden demnach durch den Knollenblätterpilz verursacht.

Der Knollenblätterpilz gilt als einer der giftigsten Pilze in Europa. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) und die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin gehen davon aus, dass er für den Großteil der tödlichen Pilzvergiftungen in Deutschland ursächlich ist.

Er gehört – wie der Fliegenpilz – zur Gattung der Wulstlinge und kommt von Juni bis Oktober in Laubwäldern, insbesondere Buchenwäldern vor. Optisch weist der weiße bis olivfarbene Lamellenpilz mit Hut eine große Ähnlichkeit mit dem Champignon auf.

Die verschiedenen Knollenblätterpilz-Arten enthalten zwei relevante Giftarten: Phallotoxine und Amatoxine. Sie werden über den Magen-Darm-Trakt aufgenommen und können schon nach einer bis zehn Stunden kolikartige Bauchschmerzen, Übelkeit und Erbrechen sowie Durchfall auslösen. Wird nicht schnell genug eingegriffen, droht lebensbedrohliches Leberversagen.

Wie stark die Vergiftung ausfällt, hängt laut dem Medizinischen Geschäftsführer der Deutschen Leberstiftung, Markus Cornberg, vor allem davon ab, wie viel Pilz verzehrt wurde. Auch die Größe und das Gewicht der betreffenden Person spielten dabei eine Rolle. Bei Kindern kann dem BfR zufolge schon der Verzehr einer geringen Menge von fünf bis zehn Gramm tödlich ausgehen.

Grüner Knollenblätterpilz
Der Grüne Knollenblätterpilz wird oft mit dem Champignon verwechselt. Bild © Imago Images

Pilz-Experte: Halbwissen ist Problem

Das GIZ für Hessen nimmt telefonisch eine Ersteinschätzung der Situation vor: Was sind die Symptome, welcher Pilz ist dafür verantwortlich, welche Maßnahmen müssen eingeleitet werden? Pilzsachverständige wie Dietmar Krüger helfen dabei.

Er weiß: Häufig sind kleine Kinder betroffen. "Die probieren einfach, ob es schmeckt." Bei Erwachsenen sei oftmals Halbwissen das Problem.

Besonders dramatisch sei es, wenn Speisepilze mit Giftpilzen verwechselt würden. Das Gemeine Stockschwämmchen etwa, das vor allem auf Baumstümpfen wachse, werde häufig mit dem tödlichen Gifthäubling vertauscht.

Von Durchfall bis zum Tod

"Es gibt eine ganze Bandbreite von Schäden: von Durchfall bis zum Tod", so Krüger. Das zeigen auch die Fälle im GIZ: Sie reichten von Menschen, die noch gar nichts spürten, bis zu Betroffenen mit akutem Leberversagen, sagt Stürer.

Rund 70 Prozent der Anrufer seien "medizinische Laien". Bei den restlichen 30 Prozent handele es sich um Ärzte und medizinisches Personal. Teils müsse schnell gehandelt werden, so der GIZ-Leiter. Rund ein Drittel der Anrufer wisse nicht, welcher Pilz die Symptome ausgelöst habe.

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Lecker oder giftig? Speisepilze und ihre tückischen Doppelgänger

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Dietmar Krüger rät deswegen, bei der Bestimmung keine Abstriche zu machen. "Selbst wenn man sich zu 99 Prozent sicher ist, fehlt immer noch ein Prozent", sagt er. Der Pilz müsse dazu zunächst aus dem Boden gelöst und "von unten" begutachtet werden: Wie sehen Hut und Stiel aus?

Anschließend empfiehlt er, an dem Pilz zu riechen. Der Geruch sei oftmals charakteristisch: Nicht essbare Risspilze etwa riechen laut Krüger nach menschlichem Sperma, der essbare violette Rötelritterling nach Multivitaminsaft.

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Sammeln in der Schweinepest-Sperrzone verboten

Rund um die Fundorte infizierter Wildschweine in Südhessen gilt ein striktes Gebot, auf den Wegen zu bleiben. Das gilt auch für Pilzsammler. Wer sich nicht an das Wegegebot hält, muss mit einem Bußgeld von 100 Euro rechnen.

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Frischegrad genau kontrollieren

Im nächsten Schritt müsse die Frische des Pilzes überprüft werden. Gerade bei kleinen Pilze müsse jeder einzeln kontrolliert werden, ob nicht schon ein Tier daran gefressen hat oder er matschige Stellen aufweist, mahnt Krüger.

Das Bild zeigt einen weißen Pilz mit großem Hut und Lamellen im Gras.
Laut Pilz-Experte Krüger ein Schnitzel-Ersatz: der Riesenschirmling. Bild © Imago Images

Ganz wichtig sei auch die Zubereitung. "Der Pilz ist ein Slow Food", sagt der Experte. Er müsse vor dem Verzehr mindestens 15 bis 20 Minuten erhitzt werden.

Oder, wie im Falle des derzeit sprießenden Riesenschirmlings, ordentlich frittiert werden, so Krüger. "Die Hüte werden groß wie Pizzateller, die kann man ausbacken für ein tolles veganes Schnitzel."

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Redaktion: Anna Lisa Lüft

Sendung: hr-fernsehen, hessenschau,

Quelle: hessenschau.de, mit Informationen von Nicole Abraham (hr), dpa/lhe