Ausbau Bahnstrecke Hanau - Fulda Tierheim Gelnhausen von Bahn-Baustelle bedroht
Schwierige Hunde, alte Pferde und ein engagiertes Team: Wegen des Ausbaus der Bahnstrecke Hanau-Fulda steht das Tierheim in Gelnhausen vor dem Aus. Hintergrund ist offenbar mangelnde Kommunikation der Stadt. Die verspricht nun Hilfe.
Corina Wink kämpft immer wieder mit den Tränen, wenn sie sich umschaut: Über eine Wiese laufen Pferde, Esel und Ziegen, hinter einem Zaun rennen Hunde hin- und her. "Und das soll jetzt wegfallen", sagt sie mit zitternder Stimme.
Das Tierheim Gelnhausen (Main-Kinzig) ist Zufluchtsort für verlassene, alte oder auch Tiere mit individuellen Schicksalen – ein Zuhause für die, die keiner mehr will. Für seine Arbeit wurde der Verein unter anderem 2020 mit dem Hessischen Tierschutzpreis ausgezeichnet. "Das, was das Tierheim ausmacht, wird es nicht mehr geben", fürchtet Leiterin Corina Wink.
Bahn will Tierheim-Flächen nutzen
Grund für die Sorge der Tierheim-Leiterin ist eine Baustelle der Deutschen Bahn (DB). Der Konzern baut die Strecke zwischen Hanau und Fulda aus - in Gelnhausen müssen deshalb neue Gleise verlegt werden. Diese Gleise liegen direkt neben dem Gelände des Tierheims. Für die Bauarbeiten benötigt die DB Flächen neben den Gleisen - Felder, die bisher das Tierheim zum Beispiel als Pferdekoppel oder als Auslauffläche für Hunde nutzt.
Außerdem errichtet die Bahn eine neue sogenannte Flutmulde, eine 31.000 Quadratmeter große Hochwasser-Ausgleichfläche, auf der sich die nahgelegene Kinzig im Falle großer Niederschläge ausbreiten kann. Diese Flutmulde muss die Deutsche Bahn als Ausgleich für ihr Bauvorhaben errichten. Außerdem benötigt die Bahn eine Fläche, um zum Beispiel Baumaterialien und Geräte für die Arbeiten zu lagern. Damit die Baustelle auch von Baufahrzeugen erreicht werden kann, wird zudem eine Baustraße, ein sogenannter Bedienweg, angelegt.
Tierheim fühlt sich übergangen
"Das bedeutet für uns, dass wir diese Haltung der Tiere abbauen müssen", erklärt Wink. "Die Fläche, die dann bleibt, wird zu klein sein." Das Tierheim fühlt sich übergangen und der Flächen bestohlen. Eine Sprecherin der Deutschen Bahn erwidert, es sei nicht vermeidbar, die Flutmulde an dieser Stelle zu errichten, "da es nicht möglich ist, den Boden über weite Strecken an eine andere Stelle zu transportieren." Bei der Nutzung der Abstellfläche handele es sich "um einen temporären Zustand bis voraussichtlich Ende 2025."
Dauerhaft wird das Tierheim der Bedienweg beschäftigen: Nach Ende der Bauarbeiten soll er zu einem Radweg ausgebaut werden. "Eine Idee und Auflage der Stadt Gelnhausen und rechtlich so planfestgestellt", wie die Bahnsprecherin ergänzt.
Stadt räumt Fehler ein und kritisiert Tierheim
Ist also die Stadt verantwortlich? Der gehören immerhin manche der Flächen. Bei den Planungen hätte sie Einsprüche anmelden können - hat sie aber nie. "Im Endeffekt ist da auf beiden Seiten eine Hol- und Bringschuld nicht eingehalten worden", gibt Bürgermeister Christian Litzinger (CDU) zu, sieht aber auch das Tierheim in Verantwortung. Das hätte sich als Pächter informieren und während der Planungen ebenfalls Einwände äußern können.
Damit kontert er Vorwürfe des Tierheims, das angibt, von den Plänen nichts erfahren zu haben, bis es zu spät war, wie es in einem Brandbrief und einer Online-Petition heißt. Innerhalb der ersten drei Tage haben gut 15.000 Menschen diese Petition unterzeichnet. Das Tierheim könne seine Tiere künftig nicht mehr richtig versorgen, heißt es.
Nach einer Lösung suchen nun alle Parteien
Ein Szenario, das wohl alle drei Parteien vermeiden wollen. "Uns ist in jedem Fall sehr an einer einvernehmlichen Lösung mit allen Beteiligten gelegen", erklärt die Sprecherin der Deutschen Bahn. Gelnhausens Bürgermeister will das Problem konstruktiv angehen. "Jetzt sind wir in dem Modus, dass wir eine gemeinsame Lösung oder einen Kompromiss anstreben."
Konkret heißt das: Die Bahn will an der Baustelle Zäune so aufstellen, dass die Pferde Teile der Felder weiterhin nutzen können. Auch eine Verlegung der Abstellfläche steht im Raum. Die Stadt will die Misere ebenfalls beenden und prüfen, ob das Planfeststellungsverfahren geändert werden kann.
Die Stadtverordnetenversammlung wird sich voraussichtlich Ende August damit befassen. Dann soll es auch ein weiteres Gespräch zwischen der Stadt, der Deutschen Bahn und dem Tierheim geben.