Insekt mit Vorliebe für Superkolonien Reinheim schlägt wegen Ameisen-Plage in Grundschule Alarm
Ein Insekt macht den Reinheimern derzeit Sorgen: Die nicht heimische Große Drüsenameise wurde in einer Grundschule entdeckt. Ihre Riesennester können Gehwege zerstören und Stromausfälle verursachen. Der Landkreis hat schon einen Plan zur Bekämpfung aufgestellt.
Sie ist schwarz, nicht allzu groß und riecht angeblich nach ranziger Butter – die Große Drüsenameise hat sich an der Gersprenzschule in Reinheim (Darmstadt-Dieburg) ausgebreitet. Auf manchen Heizkörpern findet sich ein wimmelnder schwarzer Film, auch in Lampen wurden die Insekten entdeckt. Laut Landkreis sind ihre Nester bereits auf dem gesamten Schulgelände zu finden.
Superkolonien mit Millionen von Einzeltieren
Der Befall könnte zum Problem werden, nicht nur an der Schule. Tapinoma Magnum, wie die Große Drüsenameise wissenschaftlich heißt, bildet verzweigte sogenannte Superkolonien. Sie setzen sich aus mehreren Einzelkolonien zusammen und bestehen aus Millionen von Tieren, wie Martin Felke, promovierter Biologe und ausgewiesener Experte für Schädlingskunde erklärt.
Für Menschen sind die Ameisen im Grunde ungefährlich. Sie beißen sich zwar in der Haut fest, was schmerzhaft sein kann, sind aber nicht giftig. Und man müsste sich schon in ein Nest stellen, damit die Tiere einem die Beine hochlaufen, glaubt Felke.
Nester verursachen Stromausfälle
Dennoch können diese Kolonien mit zehntausenden von Königinnen enorme Schäden anrichten. Sie nisten oftmals unter Platten und Pflastersteinen. Da sie von dort den Sand entfernen, entstehen unter den Gehwegen Hohlräume, so dass die Platten einsacken können - ein Unfallrisiko.
Auch in Türklingeln und Gegensprechanlagen haben sich die Ameisen schon breit gemacht. Im baden-württembergischen Kehl haben Superkolonien der Großen Drüsenameise immer wieder Strom- und Internetausfälle ausgelöst, nachdem sie sich in Verteilerkästen eingenistet hatten. Die Tiere werden von elektrischen Feldern angezogen.
Grad der Ausbreitung noch unbekannt
So weit will man es in Reinheim gar nicht erst kommen lassen. Mit einer Spezialmethode will der Landkreis den eingewanderten Tierchen beizeiten den Garaus machen. Doch dazu muss man erst einmal einschätzen können, um wie viele Ameisen es sich handelt und wo sie schon überall sind.
Experte Felke wurde vom Landkreis Darmstadt-Dieburg als Gutachter beauftragt, um die Art zu identifizieren und das Ausmaß des Befalls einzuschätzen. Dass der Sachverständige aus Reinheim selbst einst Schüler eben jener Grundschule war, sei reiner Zufall, erklärt er.
Über Pflanzen eingeschleppt
Wichtig sei, dass man die Ausbreitung rasch eindämmt, indem man möglichst alle Ameisen auf einmal erwischt. "Es bringt nichts, nur die Schule zu behandeln." Denn die Ameise vermehrt sich rasend schnell. "Je größer die Kolonie, desto schwieriger wird es, sie wieder loszuwerden", erklärt Felke.
Man geht davon aus, dass Tapinoma Magnum über Pflanzen aus Gartencentern oder Baumschulen nach Reinheim gelangte. "Das wiederum könnte bedeuten, dass der Ursprung gar nicht in der Schule liegt, sondern eventuell in der Nachbarschaft", heißt es in einer Mitteilung des Kreises.
Kartierung im Frühjahr geplant
Geplant ist deshalb, die Ausbreitung von Tapinoma Magnum in Reinheim zu kartieren. Der Kreis baut man auf die Unterstützung der Anlieger. Sie sollen im Frühjahr angeschrieben werden, damit Termine für eine Kontrolle ihrer Grundstücke vereinbart werden können.
Dazu muss es aber erst einmal deutlich wärmer werden. "Aktuell sind die Ameisen im Untergrund, aber man weiß nicht wo", sagt Felke. Im Frühjahr, bei Temperaturen zwischen 15 und 20 Grad Celsius, würden sie dann aktiv, würden schon mal zehnspurige Straßen bilden. Der Kreis geht davon aus, dass man im März oder April mit der Kartierung beginnen kann.
Mit heißem Wasser und Schaum gegen die Invasion
Von der Schule ausgehend könne man dann das Ausmaß der Ausbreitung feststellen. Davon wird einem Stadtsprecher zufolge auch abhängen, wie hoch die Kosten für die Bekämpfung ausfallen werden, die sich derzeit noch nicht beziffern lassen.
Bekämpft werden die Ameisen im Außenbereich mit einer Heißwasser-Schaum-Methode. Das heiße Wasser tötet die Tiere, der organische Schaum verhindert beziehungsweise verlangsamt dabei die Abkühlung des Wassers. Dieses Verfahren wird von Spezialfirmen angewandt. Im Innenbereich werden Giftköder ausgelegt.
Ursprung wohl in Nordafrika
Beheimatet ist Tapinoma Magnum eigentlich im Mittelmeerraum. Ihr Ursprung wird in Nordafrika vermutet. In Deutschland wurde sie erstmals 2009 in Ingelheim im Landkreis Mainz-Bingen nachgewiesen. Vermutlich gelangte sie über Wurzelballen dorthin. Dass sie hier überleben kann, liegt nach Einschätzung Felkes auch am Klimawandel und den dadurch gemäßigten Temperaturen im Winter.
Insgesamt handelt es sich um keine besonders große Art. Die meisten Tiere sind wenige Millimeter groß. "Die Große Waldameise ist da wesentlich größer", sagte Felke. Zwischen den einzelnen Arbeiterinnen kann es aber durchaus Größenunterschiede geben. Der Experte spricht von einem "Größenpolymorphismus".
Verdrängt einheimische Arten
Das Bundesamt für Naturschutz (BfN) schätzt die Große Drüsenameise als nicht gefährlich für einheimische Ameisenarten ein. Experte Felke sieht das anders. "Sie verdrängt einheimische Arten ganz massiv. Innerhalb einer solchen Superkolonie kann keine einheimische Ameisenart überleben."
Auch an anderen Orten in Hessen ist die Große Drüsenameise schon in Erscheinung getreten, etwa in Bad Vilbel und Ortenberg (beide Wetterau), aber auch im Kreis Groß-Gerau. Erkennen kann man sie laut Felke unter anderem an ihrem massenhaften Auftreten und an ihrem auffallend hektischen Verhalten.
Bei Verdacht nicht lange zögern
Bei einem Verdachtsfall sollte man sich an die örtlichen Behörden wenden, in der Regel an das Ordnungsamt der Stadt oder die Gemeinde. Felke rät, damit nicht lange zu warten. "Wenn es sich um Tapinoma Magnum handelt, muss man so schnell wie möglich handeln."