Hasspostings im Internet "Hessen gegen Hetze": Frankfurter Ermittler identifizieren 720 Tatverdächtige
Bei der Meldestelle "Hessen gegen Hetze" sind 2023 so viele Meldungen eingegangen wie nie zuvor. In über 4.000 Fällen leiteten die Behörden Ermittlungsverfahren ein. Hunderte Tatverdächtige konnten ermittelt werden.
Seit vier Jahren können Bürger in Hessen Hass und Hetze im Internet auf dem Portal "Hessen gegen Hetze" melden. Jüngst sind die Zahlen dort geradezu explodiert. Hatte die Meldestelle im Jahr 2022 noch rund 8.000 Meldungen gezählt, verdreifachte sich diese Zahl im Jahr 2023 auf insgesamt über 25.603.
"Wir erleben einen gefährlichen Vertrauensverlust in unsere Demokratie und Institutionen. Diese Entwicklung zeigt sich leider auch in erschreckender Weise im Internet", kommentierte vor einigen Tagen der neue Innenminister Roman Poseck (CDU) die Entwicklung.
Seit dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine registriere die Meldestelle eine massive Zunahme des Meldeaufkommens. Verstärkt worden sei diese Entwicklung durch den terroristischen Angriff der islamistischen Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023. "Hass, Hetze und extremistisches Gedankengut verbreiten sich in den sozialen Medien rasend schnell", so Poseck. Sein Vorgänger Peter Beuth (CDU) hatte Ende des Jahres davon gesprochen, dass etwa 30 Prozent der Meldungen in letzter Zeit einen Bezug zum Nahostkrieg hätten.
Doch welche strafrechtlichen Konsequenzen haben die Meldungen auf dem Portal eigentlich?
Zuständig sind ZIT und ZMI
Die seit Januar 2020 bestehende Meldestelle "Hessen gegen Hetze" bewertet zunächst die eingegangenen Meldungen und leitet diese bei Verdacht eines strafbaren Inhalts weiter - entweder an die bei der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt angesiedelte Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität (ZIT) oder an die Zentrale Meldestelle für strafbare Inhalte im Internet (ZMI) des Bundeskriminalamtes.
Die ZMI ist insbesondere für Delikte wie § 86a StGB (Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen), § 130 StGB (Volksverhetzung) oder § 140 StGB (Belohnung und Billigung von Straftaten) zuständig.
2.150 Ermittlungsverfahren beim ZIT - 720 Tatverdächtige
Auf Anfrage des hr teilte das Hessische Justizministerium mit, dass der ZIT im Jahr 2023 von "Hessen gegen Hetze" insgesamt knapp 2.150 Vorgänge mit möglicher strafrechtlicher Relevanz weitergeleitet wurden. Von diesen Meldungen hat die ZIT etwa 1.450 als strafrechtlich relevant erachtet, ein Ermittlungsverfahren eingeleitet und das Hessische Landeskriminalamt (HLKA) mit den Ermittlungen zur Identifizierung der unbekannten Tatverdächtigen beauftragt.
In diesen etwa 1.450 bei der ZIT eingeleiteten Ermittlungsverfahren seien bislang 720 Tatverdächtige aus ganz Deutschland identifiziert worden (Stand: 31.01.2024), so das Ministerium. Unter ihnen befinden sich demnach insgesamt 80 Tatverdächtige aus Hessen, gegen die Ermittlungsverfahren bei den Staatsanwaltschaften eingeleitet worden seien. In knapp 560 Ermittlungsverfahren werde weiterhin ermittelt.
Von den etwa 80 Ermittlungsverfahren gegen Beschuldigte aus Hessen ist den Angaben zufolge etwa die Hälfte bereits mit einer Abschlussverfügung der Staatsanwaltschaft abgeschlossen. Bislang liegen in diesen Verfahren sieben rechtskräftige Urteile beziehungsweise Strafbefehle mit Verurteilungen zu Geldstrafen vor. In weiteren knapp 20 Verfahren sind bereits Anklagen erhoben oder Anträge auf Erlass eines Strafbefehls gestellt worden.
3.232 Verfahren beim ZMI
Der ZMI im Bundeskriminalamt sind im Jahr 2023 von der Meldestelle "Hessen gegen Hetze" insgesamt 3.232 Vorgänge gemeldet worden, wie ein Sprecher des Bundeskriminalamts dem hr mitteilte (Stand 31.12.2023). Rund 80 Prozent der gemeldeten Inhalte seien strafrechtlich relevant gewesen. Das sind also etwa 2.580 Meldungen.
In rund 86 Prozent der strafrechtlich relevanten Fälle - also in rund 2.220 Fällen - konnte die ZMI nach Angaben des Sprechers eine örtlich zuständige Strafverfolgungsbehörde in einem Bundesland (ca. 76 Prozent) oder einen möglichen Aufenthaltsort des mutmaßlichen Verfassers im Ausland (ca. 10 Prozent) feststellen. Über den Fortgang der weiteren Ermittlungen liegen dem BKA allerdings keine Informationen vor.
Mindestens sieben rechtskräftige Urteile oder Strafbefehle
Welche strafrechtlichen Konsequenzen hatten also - zusammenfassend - die rund 25.600 Meldungen, die im Jahr 2023 bei "Hessen gegen Hetze" gemeldet wurden? Die Meldestelle selbst leitete rund 5.380 Verdachtsfälle an die Ermittler von ZIT und ZMI weiter. Diese stuften etwa 4.030 Fälle als strafrechtlich relevant ein und leiteten Ermittlungsverfahren ein.
Was aus den Verfahren insgesamt wurde, ist nicht ganz ersichtlich, weil dem BKA nach eigenen Angaben keine Informationen vorliegen - die Verfahren werden von den Strafverfolgungsbehörden der jeweiligen Bundesländer weitergeführt.
Doch zumindest was den Zuständigkeitsbereich des ZIT angeht, liegen wie erwähnt die Zahlen für das Jahr 2023 nun vor: Identifizierung von über 720 Tatverdächtigen, 80 aus Hessen - daraus folgten sieben rechtskräftige Urteile oder Strafbefehle.
Sendung: hr-iNFO, 14.02.2024, 17 Uhr
Redaktion: Andreas Bauer