Landwirt will Schadenersatz Hochwasser am AKW Biblis: Behörden sehen keine Gefahr
Von den überschwemmten Flächen des früheren Kernkraftwerks in Biblis und des angrenzenden Zwischenlagers für atomare Abfälle gehe keine Gefahr aus - das betonen Kreis und Betreiber. Einsatzkräfte versuchen weiter, das Wasser aus dem Gelände zu pumpen.
Während die Pegelstände am Rhein langsam sinken, sind Teile des Geländes des ehemaligen Kernkraftwerks in Biblis (Bergstraße) und angrenzende Ackerflächen noch immer überschwemmt. Der Landkreis betonte am Mittwoch noch einmal, dass von der Situation keine unmittelbare Gefahr für die Bevölkerung ausgehe.
Begründet wurde das in einer Pressemitteilung unter anderem damit, dass es zwischen den überschwemmten Gebieten und den Siedlungen große Abstände gebe. Eine möglicherweise von manchen befürchtete Verunreinigung des Wassers mit Radioaktivität sei ausgeschlossen, sagte außerdem eine Sprecherin.
Rückbauanlage nicht von Hochwasser betroffen
Das Wasser auf dem Gelände stehe nur im Bereich der ehemaligen Kühltürme des Blocks A, in dem es auch zu Betriebszeiten keine Radioaktivität gegeben habe. Die eigentliche Rückbauanlage des früheren Kernkraftwerks stehe erhöht auf angeschüttetem Gelände und sei von dem Anstieg des Wassers nicht betroffen.
Das Kernkraftwerk Biblis war im Zuge des Atomausstiegs nach der Reaktorkatastrophe im japanischen Fukushima von 2011 stillgelegt worden. Seit 2017 wird das AKW zurückgebaut. Zwei der vier Kühltürme stehen noch.
Zwischenlager nach Betreiberangaben sicher
Auf dem Betriebsgelände des AKW befindet sich auch das Zwischenlager Biblis, in dem radioaktive Abfälle in Castorbehältern lagern. Während das Kernkraftwerk vom Energieversorger RWE betrieben wurde, ist für das Zwischenlager die BGZ Gesellschaft für Zwischenlagerung mit Sitz in Essen zuständig.
Auch die BGZ gab am Mittwoch Entwarnung. Weder sei Wasser in das direkt hinter dem Rheindamm gelegene Zwischenlager eingedrungen, noch sei das BGZ-Gelände überflutet worden, hieß es in einer Mitteilung. Auch das ebenfalls am Rhein gelegene Zwischenlager Philippsburg (Baden-Württemberg) sei nicht überflutet.
Durch das "robuste Konzept" der Zwischenlagerung sei der Schutz von Mensch und Umwelt auch angesichts der lokalen Überschwemmungen stets gewährleistet, so das BGZ. Nach der Fukushima-Katastrophe seien die Zwischenlager einem Stresstest unterzogen worden. Dieser habe gezeigt, dass "die Sicherheitsziele auch bei Überflutungen sichergestellt" seien.
Pumpen und BigBag-Wand
Unterdessen arbeiten Feuerwehren, Technisches Hilfswerk (THW) und Landwirte weiter daran, die Lage zu entschärfen. Seit Montag werde versucht, mit Pumpen den Wasserstand zu stabilisieren, teilte der Kreis mit. Die unterirdischen Zu- und Ablaufkanäle zwischen dem Kühlturm-Gelände und dem Rhein sollen zudem mit Schotter verschlossen werden.
Allein dadurch soll erreicht werden, dass weniger Wasser aus dem Rhein über die Kanäle auf das Gelände fließt. Außerdem wolle man um die Kühlturmfläche herum eine Art Deich aus sogenannten BigBags, großen mit Sand gefüllten Säcken errichten, um die angrenzenden Felder zu schützen.
Landwirte wollen Schadensersatz
Nicht allen wird das noch etwas nutzen. Mehrere Landwirte, deren Felder überschwemmt wurden, hatten gegenüber dem hr bereits beklagt, dass ihre Ernte für dieses Jahr verloren sei. Verantwortlich machen sie dafür AKW-Betreiber RWE.
Einer der Landwirte geht von einem persönlichen Schaden in sechsstelliger Höhe aus. "Ich muss meine Pachtzahlungen leisten." Düngung, Pflanzenschutz - "alles für die Katz", sagt der Bauer. Er will auf jeden Fall versuchen, von RWE Schadensersatz zu bekommen.
RWE: Ursache muss noch geklärt werden
Der RWE-Sprecher vor Ort, Alexander Scholl, sagte, welche Rolle die unterirdischen Kanäle auf der Kühlturmfläche bei der Überflutung der Äcker spielten, müsse im Nachgang geprüft werden. Wenn die Ursache geklärt sei, werde man selbstverständlich in den Dialog mit den Landwirten gehen. "Wir werden das Thema ordnungsgemäß aufarbeiten", erklärte er, ohne schon jetzt etwas versprechen zu wollen.
Im Moment sei erst einmal wichtig, die Situation in den Griff zu bekommen. Am Mittwoch sei nach wie vor Wasser auf das Gelände geströmt. Man pumpe aber inzwischen mehr Wasser ab als hereinkomme, so dass der Pegelstand auf dem Gelände sinke.
Rhein fordert Pflichtversicherung
Unterdessen hat Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) eine Pflichtversicherung für Elementarschäden gefordert. Zunehmende Naturkatastrophen dürften weder Menschen in den Ruin treiben noch die Steuerzahler in vollem Umfang belasten. Er wolle das Thema bei der nächsten Ministerpräsidentenkonferenz am 20. Juni auf den Tisch legen und "Bewegung vom Bund einfordern".
Am Pegel Worms sank der Wasserstand am Mittwochmittag auf 628 Zentimeter, nachdem er am Dienstagmorgen bei 695 Zentimetern gelegen hatte. Auch am Pegel Mainz ging das Wasser leicht zurück. Der Kreis Bergstraße appellierte noch einmal an die Bevölkerung, überschwemmte Gebiete weiträumig zu umgehen und die Dämme nicht zu betreten.
In den kommenden Tagen könnte sich die Situation weiter entspannen. Während für den Mittwochnachmittag und die kommende Nacht noch einige Schauer erwartet werden, sagen die Meteorologen für die nachfolgenden Tage bis einschließlich Sonntag überwiegend trockenes Wetter voraus.