Mehrere Wochen Wartezeit Hohe Antragswelle: Lieferung von Reisepässen stark verzögert
Mitten in der Urlaubszeit gibt es Verzögerungen beim Ausstellen von Reisepässen. Die Antragszahlen explodieren, viele Bürgerämter bekommen den Frust der Hessen zu spüren – dabei ist das Problem gar kein hessisches.
Urlaubszeit, Reisezeit – doch wer weiter weg will und auf einen Reisepass angewiesen ist, hat derzeit möglicherweise ein Problem. Der Grund: Die Bundesdruckerei, die die Dokumente produziert, kommt wegen deutlich gestiegener Antragszahlen nicht hinterher. Das macht sich auch in Hessen bemerkbar, wie eine Umfrage der Deutschen Presseagentur zeigt.
Ein Pressesprecher der Stadt Wiesbaden etwa sagt: "Bereits seit Anfang des Jahres verzeichnet die Bundesdruckerei ein außergewöhnliches Aufkommen an Beantragungen für Reisepässe, was Auswirkungen auf die Produktions- und Lieferzeiten hat, von denen auch Wiesbaden betroffen ist."
Viele Express-Reisepässe in der Landeshauptstadt
Insgesamt sind ihm zufolge im laufenden Jahr bereits 17.110 Reisepässe in Wiesbaden beantragt worden. Im vergangenen Jahr habe die Stadt im Vergleichszeitraum 16.800 Reisepässe ausgegeben. "Organisatorisch konnte die hohe Antragswelle bisher gut bewältigt werden, so dass die Wartezeiten auf einen Termin sich weiter im durchschnittlichen Bereich von zwei bis drei Wochen bewegen", so der Sprecher. Notfalltermine würden insbesondere bei anstehenden Reisen immer ermöglicht.
"Die Anzahl der beantragten Express-Reisepässe liegt in Wiesbaden schon zum jetzigen Zeitpunkt mehr als doppelt so hoch wie im gesamten Vorjahr", berichtete er. Sie würden nach wie vor innerhalb von drei Werktagen produziert. Bei den vorläufigen Pässen sei bereits jetzt der Gesamtjahreswert von 2023 überschritten.
35 Prozent mehr Anträge in Kassel
Zu stark verzögerten Lieferzeiten kommt es aktuell auch in Kassel. Seit Anfang des Jahres nähmen diese stetig zu, erklärte ein Pressesprecher der Stadt. "Normalerweise liegt die Lieferzeit bei regulär beantragten Reisepässen im Durchschnitt bei drei bis vier Wochen." Aktuell seien es rund acht Wochen. "Der Anstieg der beantragten Reisepässe zum Vorjahr liegt bei gut 35 Prozent."
Vorläufige Reisepässe würden derzeit vermehrt ausgestellt, für den Fall, dass die regulär beantragten Dokumente nicht rechtzeitig vor Antritt der nächsten Reise der Bürgerinnen und Bürger geliefert wurden.
Gründe für die gestiegenen Antragszahlen seien unter anderem eine anhaltend hohe Reiselust, insbesondere bei Fernreisen außerhalb der EU, sowie die mit dem Brexit einhergehende Passpflicht für Reisen nach Großbritannien. Auch steigenden Einbürgerungszahlen und das Sicherheitsbedürfnis, einen Pass zu besitzen, zählte der Pressesprecher auf. Hinzu komme die Abschaffung des Kinderreisepasses zum Jahresbeginn.
Lange Warteschlangen in Frankfurt
Bei der Stadt Frankfurt hieß es bereits Mitte Juli, dass sich Anfragen der Bürgerinnen und Bürger, die dringend auf ihr – oft schon vor Wochen beantragtes – Dokument warten, häufen. Die Lieferzeiten liegen auch dort aktuell bei acht Wochen, also doppelt so lang wie gewöhnlich. Weil viele für die Ferien einen neuen Reisepass oder Personalausweis brauchten, bildeten sich bei der Beantragung und bei der Abholung teils lange Warteschlangen, hieß es vonseiten der Stadt. Termine seien schnell ausgebucht.
Die Mitarbeiter könnten die hohe Nachfrage nur eingeschränkt bewältigen. In Hessens größter Stadt wurden den Angaben zufolge im ersten Halbjahr 2024 rund 76.000 Reisepässe und Personalausweise beantragt. Das sind 4.000 mehr als im Vorjahreszeitraum.
Mitarbeiter bekommen Ärger der Bürger zu spüren
"Wir haben Verständnis dafür, wenn die Betroffenen verärgert sind. Als Frankfurter Bürgeramt probieren wir immer, kurzfristig Lösungen zu finden", erklärte die für das Bürgeramt zuständige Dezernentin Eileen O'Sullivan Mitte Juli: "Kein Verständnis haben wir allerdings für die Bundesdruckerei, die diese Probleme seit Monaten nicht in den Griff bekommt. Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen jetzt den Ärger der Bürgerinnen und Bürger abfangen."
Auch in Darmstadt ist die Lieferzeit von etwa drei bis vier auf acht Wochen gestiegen, sagte ein Pressesprecher der Stadt. Ebenfalls bei zwei Monaten liegt die Produktionszeit nach Angaben der Stadt aktuell in Marburg. Damit brauche man derzeit zwei bis drei Wochen länger als sonst, erklärte eine Sprecherin.
Fulda erinnert Bürger zwei Monate vor Ablauf des Dokuments
Eine Pressesprecherin der Stadt Fulda sagte: "Wir sind auch von den verzögerten Lieferzeiten der Bundesdruckerei betroffen, haben in den vergangenen Wochen jedoch keine gravierenden Vorfälle gehabt, da wir seit April 2023 mit einem Erinnerungssystem arbeiten." Dabei schreibe das Bürgerbüro Ausweis- und Passinhaber zwei Monate vor Ablauf im Rahmen des Bürgerservice an und mache sie auf die rechtzeitige Neubeantragung aufmerksam.
Neue Maschinen sollen im Winter Entspannung bringen
Das Bundesinnenministerium (BMI) hatte zu den Verzögerungen Anfang Juli erklärt, dass seit den ersten Wochen des Jahres 2024 die Antragszahlen für Reisepässe außergewöhnlich deutlich anstiegen. Innerhalb von nur vier Wochen wurden demnach erstmals in der Geschichte der Bundesdruckerei mehr als 600.000 Reisepässe bestellt.
"Die Bestellzahlen sind auf sehr hohem Niveau leicht rückgängig", hieß es. Dennoch würden weiterhin mehr Pässe beantragt, als die Bundesdruckerei fertigen könne. Im Winter werden laut dem Ministerium zusätzliche Maschinen erwartet, die schließlich zu einer nachhaltigen Entspannung der Produktionszeiten führen sollen.
Vorläufiger Reisepass für zwölf Monate
Nach Angaben des BMI können Bürgerinnen und Bürger ihren Reisepass weiterhin mit einer Express-Bestellung nach drei Tagen in der Behörde abholen. Die Expresslieferung geht allerdings mit Extrakosten in Höhe von 32 Euro pro Dokument einher.
Zudem könne auch ein vorläufiger Reisepass ausgestellt werden. Der kostet 26 Euro und ist maximal zwölf Monate gültig. Für einen regulären Reisepass zahlen Personen unter 24 Jahren 37,50 Euro. Das Dokument ist sechs Jahre gültig. Für Personen ab 24 Jahren kostet ein Reisepass mit zehnjähriger Gültigkeit 70 Euro.
Sendung: hr4, 23.07.2024, 14.30 Uhr
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