hr-Meteorologe zu Unwetter in Nordhessen "Da kamen alle Wetterextreme zusammen"
Erst kam ein Gewitter, dann schüttete es stundenlang: Das Unwetter, das Nordhessen getroffen hat, ist aus meteorologischer Sicht rekordverdächtig. "Die kleinen Flüsse liefen Amok", sagt hr-Wetterexperte Martin Gudd.
Die Verwüstung, die das Unwetter im Landkreis Kassel in einigen Orten hinterlassen hat, ist enorm. Autos wurden in der Nacht zum Freitag von den Wassermassen gestapelt, Straßenbeläge und Bäume umgerissen, außerdem liefen unzählige Keller voll.
"Das war schon ein extremes Unwetter", sagt hr-Meteorologe Gudd. "Da kamen alle Wetterextreme zusammen."
Es begann dem Wetterexperten zufolge am Donnerstagabend gegen 19 Uhr mit Gewitterzellen, die sich nördlich von Kassel bildeten. Mit Blitz und Donner entluden sich dann diese dicken Regenwolken zwischen Hofgeismar und Bad Karlshafen (beide Kassel).
"Die Regenwolken kreiselten vor sich hin"
Doch dann seien die Regenwolken nicht weitergezogen, sagt Gudd. Die Gewitter lösten sich nicht richtig auf, sondern die Regenwolken setzten sich nördlich von Kassel fest. "Dort sind sie dann vor sich hin gekreiselt", beschreibt Gudd das Wetterphänomen.
Zwar blitzte und donnerte es nicht mehr, dafür kamen aber enorme Regenmengen über dem Landkreis Kassel runter. "Die Regenwolken bildeten sich immer wieder neu."
Diese zweite Phase des Unwetters dauerte von 21 bis 2 Uhr. In der Hochphase des Dauerregens fielen allein in Trendelburg innerhalb von einer Stunde rund 60 Liter Regen pro Quadratmeter.
170 Liter Niederschlag in zwölf Stunden
Betrachtet man einen Zeitraum von zwölf Stunden, waren es in Trendelburg etwa 170 Liter pro Quadratmeter. In Hofgeismar-Beberbeck wurden etwa 110 Liter innerhalb von zwölf Stunden gemessen.
"Das ist rekordverdächtig, auch bundesweit gesehen", sagt Gudd. Zum Vergleich: In Trendelburg beträgt der durchschnittliche Jahresniederschlag 736 Liter pro Quadratmeter.
Die nicht enden wollende Serie von Regengüssen führte dazu, dass vor allem die Pegel von kleinen Flüssen schnell stiegen. "Die kleinen Flüsse liefen Amok", formuliert der hr-Wetterexperte.
So sei die Esse, ein Zufluss der Diemel, bei Hofgeismar-Hümme laut Hessischem Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG) auf einen "rekordverdächtigen Pegelstand von 2,20 Meter" angeschwollen.
Regenwolken auf dem Rückzug
Überschwemmungen waren die Folge. Auch die mittleren und größeren Flüsse erreichte das Wasser bis zum frühen Morgen. "Inzwischen sinken die Wasserstände aber überall wieder", sagte Gudd am Vormittag.
Für den Freitag und die kommenden Tage hat Gudd eine beruhigende Nachricht: Die Regenwolken seinen auf dem Rückzug. "Und es kommt auch so gut wie nichts mehr hinterher."