Im Visier von Kriminellen 3.700 Straftaten gegen ältere Menschen

Schockanrufe, betrügerische SMS, falsche Handwerker: Senioren sind immer wieder Ziel von Kriminellen. Im vergangenen Jahr registrierte die Polizei mehr als 3.700 solcher Fälle - Tendenz steigend.

Eine ältere Frau telefoniert mit einem schnurlosen Festnetztelefon.
Eine ältere Frau telefoniert mit einem schnurlosen Festnetztelefon. Bild © picture-alliance/dpa, Karl-Josef Hildenbrand
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Der 70-Jährige aus Philippsthal (Hersfeld-Rotenburg) erhielt an diesem Donnerstag Anrufe und SMS von vermeintlichen Rechtsanwälten, wie die Polizei am Freitag mitteilte. Die Anrufer gaukelten ihm vor, dass er seit mehreren Monaten seine Raten für die Gewinnspielteilnahme nicht bezahlt habe.

Um keine Schwierigkeiten zu bekommen, müsse er nun Geld im mittleren vierstelligen Bereich überweisen. Der Mann suchte daraufhin eine Bank auf. Doch die aufmerksame Bankmitarbeiterin wurde misstrauisch und wies den 70-Jährigen auf den Betrugsversuch hin und informierte die Polizei.

Nicht immer enden Betrugsversuche an älteren Menschen so wie dieser Fall - ganz im Gegenteil.

Fast 20 Millionen Euro Schaden durch Telefonbetrug

Die hessische Polizei habe im vergangenen Jahr 3.764 Fälle im Bereich der Straftaten zum Nachteil älterer Menschen registriert, teilte das Hessische Landeskriminalamt (HLKA) am Freitag mitteilte. Ein Anstieg im Jahresvergleich: 2022 waren es 3.585 Fälle.

Darunter seien vor allem Diebstähle gewesen, auch Betrug kam den Angaben zufolge häufig vor, wie etwa der sogenannte Enkeltrick. Aufgeklärt wurden demnach vergangenes Jahr 943 der gemeldeten Fälle, im Jahr zuvor 861 Fälle.

Den Gesamtschaden durch Telefonbetrug gibt das HLKA für das vergangene Jahr mit 19,7 Millionen Euro an, im Jahr zuvor waren es knapp 15 Millionen. Insgesamt wurden 2023 beim Telefonbetrug hessenweit 3.539 Fälle bei der Polizei angezeigt - diese Zahlen beinhalten Opfer aller Altersgruppen. Senioren würden aber gezielt als potenzielle Opfer ausgewählt, erklärt das LKA. Knapp 64 Prozent der Taten konnten vergangenes Jahr aufgedeckt werden. Die Beamten gehen zudem von einer hohen Dunkelziffer aus, da sich viele Geschädigte aus Scham nicht an die Polizei wendeten. 

Betrüger suchen sich gezielt ältere Menschen

Ältere Menschen würden gezielt als potenzielle Opfer ausgewählt, da auf ihre Hilfsbereitschaft gesetzt werde und die Möglichkeit, dass größere Geldsummen vorhanden seien, sagt Polizeihauptkommissarin Susanne Hippauf, im Bereich des Präsidiums Frankfurt zuständig für die Beratung von Senioren. Auch spekulierten die Täter auf körperliche Einschränkungen von älteren Menschen, wie etwa ein nachlassendes Gehör.

"Hier sind Personen am Werk, die psychologisch geschult sind, manipulativ vorgehen und mit massivem Druck arbeiten", sagt Hippauf zu den Tätern. Sie versuchten, ihre Opfer in einen Ausnahmezustand zu versetzen, so dass rationales Denken nicht mehr möglich sei. Viele Geschädigte verlören ihr gesamtes Vermögen.

So gelang es beispielsweise Kriminellen im Mai 2023, 250.000 Euro von einer 89 Jahre alten Frau in Neu-Isenburg (Offenbach) zu ergaunern. Sie gaben sich als Mitarbeiter der Offenbacher Staatsanwaltschaft aus und forderten eine Kautionszahlung.

Auch Luna (Name durch die Redaktion geändert) aus Hünfeld (Fulda) wurde im vergangenen Jahr beinahe Opfer eines Trickbetrügers - im Glauben, dass ihre Tochter in einer Notsituation war, ließ sie sich 17.000 Euro von ihrem Bankkonto auszahlen. Kurz vor der Übergabe gelang es der Polizei einzuschreiten und den Betrug noch zu vereiteln.

Ende März drehte eine 73-Jährige aus Frankfurt dagegen den Spieß um: Sie spielte die Betrugsmasche scheinbar mit. Statt der 10.000 Euro erwartete die zwei 17 und 18 Jahre alte Geldabholer an der Tür der Seniorin aber die Polizei.

Kommissarin rät zu gesundem Misstrauen

"Man darf bei so einem Anruf einfach auflegen", betont Hippauf. Viele Senioren hätten aufgrund ihrer Erziehung Hemmungen, Gespräche zu unterbrechen, zumal, wenn sie einen Polizisten oder Amtsträger am anderen Ende wähnten. Man solle ruhig auf sein Bauchgefühl hören.

Ein gesundes Misstrauen müsse auch nichts mit Unfreundlichkeit zu tun haben, sagt die Hauptkommissarin. Dies helfe auch gegen andere Betrugsmaschen, wenn sich etwa falsche Handwerker Zugang zur Wohnung verschaffen wollten oder sich per SMS oder Messengerdienst wie WhatsApp eine angebliche Tochter mit dringenden Geldproblemen melde.

Aber auch jüngere Menschen seien nicht gefeit, Opfer eines solchen Betrugs zu werden, betonte Hippauf. Die Anrufer gaukelten in den Fällen etwa vor, ein naher Angehöriger habe einen Unfall verursacht und könne mit Kaution vor der Haft bewahrt werden. 

Das Landeskriminalamt weist auch auf den möglichen Einsatz Künstlicher Intelligenz hin. Beispielsweise könnten so täuschend echt klingende Audio-Sequenzen erstellt werden. Aktuell werde in aller Regel aber noch gegen Täterinnen und Täter ermittelt, die selbst zum Telefonhörer griffen.

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Sendung: hr-iNFO, 6.4.2024, 16.30 Uhr

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Quelle: dpa/lhe