Kamerafahrzeug in Darmstadt unterwegs 360-Grad-Bilder für eine bessere Stadtplanung

Stadtvermessung vom Schreibtisch aus – hochauflösende 360-Grad-Bilder machen es möglich. Dazu fährt dieser Tage ein auffälliges Auto durch Darmstadt. In anderen hessischen Städten hat man damit schon gute Erfahrungen gemacht.

Auto mit Kamera und Gestell auf dem Dach.
Das fahrende Auge erstellt hochauflösende 360-Grad-Bilder in Darmstadt. Bild © cyclomedia
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In Darmstadt sind seit Wochenbeginn Fahrzeuge mit auffälligem Aufbau unterwegs. Straße für Straße rollen sie durch die Wissenschaftsstadt, während das Kameraauge auf ihrem Dach neugierig nach allen Seiten lugt.

Kein Google Street View

Die Autos gehören der 1980 in den Niederlanden gegründeten Firma Cyclomedia, die ihren Deutschlandsitz in Wetzlar (Lahn-Dill) hat. Sie sind im Auftrag der Stadt unterwegs, um eine visuelle Bestandsaufnahme zu machen: 360-Grad-Aufnahmen im Abstand von fünf Metern, mit denen ein digitales Abbild der Umgebung erstellt wird.

Das klingt auffallend nach Google Street View, doch die Cyclomedia-Aufnahmen können dem Unternehmen zufolge mehr. "Unsere Bilder sind hochauflösender", sagt eine Sprecherin. Rund 100 Megapixel hat jedes Foto. "Sie lassen sich außerdem in die bestehenden Geo-Informationssysteme der Verwaltungen integrieren."

Einfache Planung am Schreibtisch

Ein weiterer wesentlicher Unterschied zu Google Street View ist, dass die Aufnahmen nicht für das Internet produziert werden. Gedacht sind sie für private und öffentliche Organisationen wie Energieversorger oder eben Stadtverwaltungen. Der virtuelle Rundumblick lasse sich fachübergreifend nutzen, wirbt das Unternehmen.

Behörden sollen durch die Aufnahmen eine Menge an Zeit und Arbeit einsparen. Laut der Stadt können Arbeitsprozesse zeitsparender und kostengünstiger erledigt werden. So könne etwa die Straßen- und Radwegeplanung am Schreibtisch unterstützt werden - schnell und unkompliziert, wie die Darmstädter Stadtverwaltung betont.

Vor-Ort-Termine werden zum Teil überflüssig

Wie man sich das konkret vorstellen kann, erklärt Johannes Heller, Pressesprecher der Stadt Fulda, anhand von Beispielen. In der Bonifatiusstadt waren die Autos vor kurzem schon zum zweiten Mal im Einsatz.

"Man kann zum Beispiel bestimmen, ob an einer bestimmten Stelle eine Bushaltestelle eingerichtet werden kann oder nicht." Anhand der Reflexion eines bei der Erfassung eingesetzten Lasers lasse sich auch erkennen, welche Verkehrsschilder wegen Verwitterung ausgetauscht werden müssten, ohne jedes Schild persönlich in Augenschein nehmen zu müssen.

Vermessen direkt am Computer

Der Laser produziert zudem eine sogenannte Punktwolke. Jeder erfasste Punkt erhält exakte Koordinaten. Seine Position im dreidimensionalen Raum lässt sich so zentimetergenau bestimmen. Einen uneingeschränkten Blick auf die Realität verspricht das Unternehmen, "so echt wie draußen".

Dies erlaubt Einschätzungen, die mit herkömmlichen Bildern nicht möglich wären, wie Stadtsprecher Heller weiter erklärt. "Ich sehe etwa, wo demnächst Äste von Bäumen zurückgeschnitten werden müssen, weil sie sonst in den Verkehr hineinragen."

Gewinnbringende Investition

Auch in Kassel ist man mit den bisherigen Erfahrungen sehr zufrieden. Dort gab es bereits 2020 eine erste Befahrung und zuletzt eine weitere im vergangenen September, wie Wolfgang Schmidt berichtet, der Leiter der Abteilung Geo-Information der Stadt. Mehr als 170.000 Einzelaufnahmen seien damals erstellt worden.

"Wir hatten sehr positive Reaktionen innerhalb der Stadtverwaltung", sagt Schmidt. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Straßenverkehrsbehörde etwa hätten von enormen Arbeitserleichterungen und Zeitersparnissen berichtet. "Wir erhalten detaillierte Grunddaten für unsere Planung, ohne rausfahren zu müssen." Die Investition, die sich in einer Stadt wie Kassel im hohen fünfstelligen Bereich bewege, sei somit durchaus "gewinnbringend".

Wichtig: Datenschutz

Müssen sich Passanten nun Sorgen machen, letztlich von irgendwem auf den hochauflösenden Bildern erkannt zu werden? Nein, sagt Cyclomedia. Gesichter und Kfz-Kennzeichen würden unkenntlich gemacht, noch bevor die Bilder an die jeweiligen Auftraggeber ausgeliefert werden.

Man sei Mitglied im Verein Selbstregulierung der Informationswirtschaft (SRIW) und Mitverfasser und Unterzeichner des Geodatenkodex, lässt die Firma wissen. Darüber hinaus habe man einen eigenen Datenschutzbeauftragten ernannt, der die Einhaltung der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) überwache.

Weitere hessische Städte auf der Liste

Rund drei Wochen werden die Kamera-Fahrzeuge in Darmstadt unterwegs sein. Auch hier sind sie nicht zum ersten Mal unterwegs. Auf dem "Befahrungskalender" des Unternehmens werden außerdem unter anderem Bad Camberg, Limburg und Selters (alle Limburg-Weilburg) aufgelistet.

Cyclomedia ist keineswegs die einzige Firma, die solche Dienste anbietet. Laut dem Kasseler Abteilungsleiter Schmidt gibt es auf dem Markt noch eine Handvoll weiterer Anbieter. Bei der Ausschreibung in Kassel habe letztlich der Preis den Ausschlag gegeben. Immerhin müssen die Befahrungen alle zwei bis drei Jahre durchgeführt werden, um die Daten aktuell zu halten.

Letztlich scheint sich das angesichts der Zeit- und somit Geldersparnis aber durchaus zu rentieren. In Fulda will man jedenfalls will auf die hochauflösenden Panoramabilder nicht mehr verzichten, wie Stadtsprecher Heller sagt. "Für uns ist das wirklich eine große Entlastung."

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Quelle: hessenschau.de