Polizei vermutet Brandstiftung Haus des "Kannibalen von Rotenburg" abgebrannt
Es ist ein Gebäude von fragwürdiger Berühmtheit: Das Haus des als "Kannibale von Rotenburg" bekannt gewordenen Armin Meiwes ist abgebrannt. Die Polizei geht von Brandstiftung aus.
In der Nacht zum Montag brannte im osthessischen Rotenburg-Wüstefeld das Haus von Armin Meiwes, dem "Kannibalen von Rotenburg". Meiwes hatte 2001 in dem Fachwerkhaus einen Menschen "geschlachtet", ausgenommen und das Fleisch teilweise verspeist.
Wie die Polizei am Dienstag mitteilte, gehen die Ermittler von Brandstiftung aus. Im Laufe des Tages sollte die Kriminalpolizei mit Experten des Landeskriminalamtes die Brandruine begehen, um die konkrete Ursache zu klären.
Wer für die Aufräumarbeiten aufkommt, ist bislang unklar. Meiwes selbst habe weder das Geld dafür, noch habe es eine Brandschutzversicherung für das Haus gegeben, erklärte dessen Rechtsanwalt Harald Ermel.
Einbrüche und Brände
Noch viele Jahre nach der Tat 2001 und der Verhaftung Meiwes' 2002 zog das leerstehende Herrenhaus, das Teil eines ehemaligen Gutshofes ist, immer wieder Schaulustige an. In das Haus wurde bereits häufiger eingebrochen, auch Brände wurden schon gemeldet.
Nach dem jüngsten Feuer ist nicht viel übrig von dem mehrstöckigen Gebäude. Die Flammen hätten zwar zeitnah unter Kontrolle gebracht werden können, teilte die Polizei mit. Die Feuerwehr habe das Fachwerkhaus jedoch nur noch kontrolliert abbrennen lassen können.
Keller wurde mit Schaum geflutet
Nach Polizeiangaben wurden die Einsatzkräfte gegen 3.20 Uhr alarmiert. Stadtbrandinspektor und Einsatzleiter Jörg Fleischhut sagte, Teile des Gebäudes seien bereits während des Löscheinsatzes eingestürzt. Etwa 80 Einsatzkräfte waren vor Ort.
Am frühen Montagmorgen liefen nach Polizeiangaben noch Nachlöscharbeiten, immer wieder wurden Glutnester gefunden. Der Keller habe mit Schaum geflutet werden müssen, sagte Fleischhut. Wie ein Sprecher der Polizei am Montag mitteilte, liegt der Schaden schätzungsweise im unteren sechsstelligen Euro-Bereich.
Bürgermeister von Rotenburg: "Ende mit Schrecken"
Rotenburgs Bürgermeister Christian Grunwald (CDU) sagte, das Haus gehöre Meiwes. "Die Brandruine muss dauerhaft entfernt werden. Es darf kein Wallfahrtsort entstehen", betonte Grunwald am Montag. "Wir senden als Stadt das klare Signal, dass wir das Ganze dauerhaft aufräumen." Dazu werde die Stadt das Gespräch mit dem Eigentümer beziehungsweise mit seinem Vertreter suchen.
Der Politiker bezeichnete die Zerstörung des Hauses als "Ende mit Schrecken". Er hoffe, dass das den Besuchen von Menschen ein Ende setzt, die regelmäßig aus Neugier in das leerstehende Fachwerkhaus eingedrungen waren.
Besucher posieren vor Meiwes' Mercedes
Ein Anwohner, der den Brand bemerkt und die Feuerwehr alarmiert hatte, berichtete am Montag, seit Bekanntwerden des Kannibalismus-Falls vor über 20 Jahren habe es kaum eine ruhige Nacht mehr auf dem Gelände gegeben. "Hier ist immer was, tags, nachts, Familien mit Kindern, rund um die Uhr."
Ganze "Pilgergruppen" auch aus dem Ausland belagerten demnach das Gelände, machten Fotos, drehten Videos. Menschen hätten vor und in dem alten Mercedes von Armin Meiwes posiert, sagte der Nachbar. Die Türen des auf dem Grundstück parkenden Wagens hätten sich öffnen lassen.
"Irgendwann musste es sein, und jetzt ist es so gekommen", sagte der Nachbar zum Feuer. Er habe fast jede Nacht Taschenlampenlicht in dem Haus gesehen. "Gott sei Dank, wenn das jetzt weg ist, dass das endlich Ruhe hat", kommentierte er erleichtert. Obwohl das alte Gut einen "gewissen Vergangenheitswert" habe.
Leichnam zerlegt, Essen daraus zubereitet
Was in dem Haus passierte, ist auch 22 Jahre nach der Tat kaum zu fassen. Meiwes hatte im März 2001 Bernd Jürgen Brandes mit dessen Einverständnis den Penis abgeschnitten. Brandes hatte zuvor in Internetforen angeboten, sich sein Fleisch lebendig vom Leib reißen zu lassen. So war der Kontakt mit dem Computertechniker Meiwes zustande gekommen.
Brandes schluckte an dem Abend unter anderem 20 Schlaftabletten und trank eine halbe Flasche Schnaps, ehe Meiwes ihm das Geschlechtsteil abschnitt. Teile des Penis' aßen sie angeblich gemeinsam. Meiwes stach dem verblutenden Brandes später in den Hals und zerlegte den Leichnam. Zwei Tage danach bereitete er sein erstes Essen aus dem Menschenfleisch zu.
Polizei findet Fleisch in Tiefkühltruhe
Danach suchte Meiwes direkt wieder "Schlachtopfer" im Internet. 2002 informierte ein österreichischer User die Polizei über Webseiten von Meiwes, auf denen er Andeutungen über das Verbrechen machte.
Die Beamten durchsuchten Meiwes' Haus und Grundstück. Sie fanden Blutspuren, beschlagnahmten Knochen und Fleisch aus der Tiefkühltruhe, eine Kreissäge und einen Grill sowie Videokassetten und Bilder auf Speichermedien.
Neuland für die Justiz
Der Fall Meiwes war in vielerlei Hinsicht spektakulär - für die deutsche Justiz war er Neuland: Zwar hatte Meiwes seine Tat ausführlich auf Video dokumentiert und auch umfassend gestanden, der Fall war schnell ausermittelt. Aber freiwilliger Kannibalismus ist im deutschen Strafrecht nicht vorgesehen.
Das Landgericht Kassel hatte ihn daher 2004 zunächst wegen Totschlags zu achteinhalb Jahren Haft verurteilt und erklärte, Mordmerkmale lägen nicht vor. Meiwes hätte keine Freude am Töten, nur am Essen.
Gericht: Tötung zur Befriedigung des Geschlechtstriebs
2005 hob der Bundesgerichtshof das Urteil auf und stellte fest, dass mehrere Mordmerkmale zu Unrecht verneint wurden. Im zweiten Prozess vor dem Landgericht Frankfurt wurde Meiwes 2006 wegen Mordes in Tateinheit mit Störung der Totenruhe zu lebenslanger Haft verurteilt. Meiwes tötete sein Opfer nach Ansicht des Gerichts zur Befriedigung des Geschlechtstriebs.
Das Gericht stellte damals jedoch keine besondere Schwere der Schuld fest, so dass Meiwes die Möglichkeit blieb, den Rest seiner Haftstrafe nach 15 Jahren zur Bewährung auszusetzen. Er beantragte mehrfach erfolglos eine vorzeitige Haftentlassung. 2018 wurde er noch einmal von einem Gutachter als gefährlich eingestuft. Meiwes sitzt bis heute in der JVA Kassel.
Sendung: hr-fernsehen, hessenschau, 17.04.2023, 16.45 Uhr
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