Run auf Schutzorte für den Kriegsfall Makler bietet private Bunkerräume an - mit Erfolg
Nur 15 öffentliche Bunker sind in Hessen geblieben. Doch keiner davon wäre im Ernstfall einsatzbereit. Entsprechend groß ist die Nachfrage nach privaten Schutzräumen, wie ein Beispiel aus Schwalmstadt zeigt.
Tief unter der Erde ragen die abgeschnittenen Kabel aus den grauen Wänden des Atomschutzbunkers in Schwalmstadt. Jahrelang diente er als wichtige Kommunikationszentrale für die Bundeswehr, war rund um die Uhr besetzt.
Heute ist das einstige Militär-Schmuckstück aus dem Jahr 1962 in die Jahre gekommen. So landet der von Vandalismus gezeichnete Bunker mitsamt der darüber befindlichen Kaserne Mitte März auf dem Online-Portal Kleinanzeigen. Und plötzlich hagelt es Anfragen.
300 Euro Miete für einen Raum im Atombunker
Makler Nattaphon Lutz Manit erkennt die Gelegenheit und verwandelt das Kaufobjekt kurzerhand in ein Mietobjekt. Für 300 Euro Miete sollen seine einzelnen Bunkerräume bis Ende des Jahres wieder voll nutzbar gemacht werden.
Dass die Nachfrage so hoch ist, liegt auch daran, dass es für den Ernstfall nur wenige Optionen gibt. Öffentliche Bunker gibt es in Hessen quasi nicht mehr. Für die letzten verbliebenen ist das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) zuständig.
Hessische Bunker nicht einsatzbereit
2023 hat es alle deutschlandweit bestehenden Schutzräume erfasst. In ganz Hessen gibt es demnach noch 15 öffentliche Bunker mit Platz für 33.098 Menschen. Davon ist aber kein einziger einsatzbereit. Bundesweit sei die Zahl von einst 2.000 auf 579 Bunker zurückgegangen.
Der Grund: Öffentliche Räume seien nicht mehr für aktuelle Bedrohungen geeignet. Bei der kurzen Vorwarnzeit moderner Waffensysteme seien sie oft nicht schnell genug erreichbar, schreibt das BBK an hessenschau.de.
Verzeichnis über Schutzorte angelegt
Außerdem "könnten sich derart große Personenansammlungen selbst zu einem Ziel für den Angreifer entwickeln", ergänzt das Amt. Angesichts der neuen Bedrohungslage hat die Innenministerkonferenz 2024 aber beschlossen, ein nationales Schutzraumkonzept anzustreben.
So wurde bereits seit März 2022 nicht nur die Veräußerung ehemaliger Bunkeranlagen bundesweit gestoppt, wie die Stadt Kassel dem hr mitteilt. Vielmehr sollen insbesondere in Kellern neue Haus- und Selbstschutzräume gebaut, schutzbietende öffentliche und private Gebäude erfasst und ein Verzeichnis über mögliche Schutzorte angelegt werden.
Schutzraum als Schatzraum
Die Kommunen seien zudem angehalten, sich bestmöglich auf denkbare Krisen vorzubereiten. Zu größeren Neubauten scheint es aber kaum zu kommen. So hat der hr verschiedene Bunkerbau-Firmen angefragt. Keine von ihnen konnte ein Bunker-Bauprojekt in Hessen bestätigen.
"In etwa 60 Prozent der Fälle sind es Prepper, die bei uns anfragen", sagt der Makler. Diese Personen, die sich stets auf Katastrophen vorbereiten, hätten meist schon ganz konkrete Vorstellungen zur Einrichtung der Räumlichkeiten. Betten, Regale, Essensvorräte. Aber auch Unternehmen und Privatpersonen, die Wertgegenstände einbruchssicher lagern wollen, hätten bereits ihr Interesse bekundet.
Schnelle Umbaumaßnahmen möglich
"Es gibt außerdem mehrere Privatpersonen, die wirklich Angst haben und sich hier einen Schutzraum mit Betten einrichten wollen", erzählt er. Die seien zwischen 30 und 40 Jahre alt.
Der Aufwand dafür sei bei dieser Bunkeranlage in Schwalmstadt relativ gering, sagt Makler Manit. Die Lüftung samt Filter gegen Atom- und Chemiewaffen funktionere noch und die Elektrik sei schnell austauschbar.
"Das ist aber natürlich ein anderer Standard, als wenn man heute Bunkeranlagen baut", sagt er. Einem Bombeneinschlag würde der Bunker womöglich noch Stand halten, mehr vermutlich nicht.
Experten raten zu vorbereiteten Räumen
Dass in einem Kriegsfall die breite Bevölkerung in Deutschland unter Artillerie-Beschuss gerate, gilt unter Experten als eher unrealistisch. Punktuelle Angriffe auf Infrastruktur oder Industrie seien hierbei wahrscheinlicher.
Falls es aber doch zu Akten der Zerstörung ziviler Infrastruktur käme, sei es durchaus sinnvoll, in vorbereiteten Räumen Schutz zu suchen - für einen kleinen Zeitraum. Große öffentliche Bunker, die auf monatelange Aufenthalte ausgelegt sind, seien nicht sehr zeitgemäß.
Keine Chance bei Nuklearkrieg
Die Nachfrage nach Schutzräumen ist seit dem Ukraine-Krieg deutlich gestiegen, sagt Peter Aurnhammer, Geschäftsführer des Deutschen Schutzraum Zentrums. Gerade der Sinn von extra hergerichteten Atombunkern wie dem in Schwalmstadt ist heute allerdings umstritten.
So schrieben Wissenschaftler in einer BBK-Gefahrenstudie im Jahr 2016 bereits, dass sich im Falle eines globalen Atomkriegs "die Frage des Bevölkerungsschutzes nicht mehr stellen dürfte". Der Schaden sei zu immens.