Landgericht Gießen Mörder von Ayleen gesteht Missbrauch an weiterem Mädchen
Nach dem Urteil wegen Ermordung der 14 Jahre alten Ayleen wurde am Montag ein weiterer Prozess gegen Jan P. eröffnet. Dabei geht es um einen anderen Fall - und um seine Sicherungsverwahrung.
Mehr als ein Jahr nach dem Urteil wurde am Montag ein weiterer Prozess gegen den Mörder der 14-jährigen Ayleen aus Baden-Württemberg eröffnet. Dabei geht es allerdings nicht um den Mord an Ayleen, der bereits rechtskräftig verurteilt ist, sondern um andere Straftaten, die Jan P. auch begangen haben soll.
Konkret geht es um den Fall eines zur Tatzeit 13 Jahre alten Mädchens. P. soll in einem Fall onaniert haben, während er mit ihr ein Videotelefonat führte - nur wenige Wochen vor dem Mord an Ayleen. Danach soll das Mädchen ihn blockiert haben.
Jan P.: "Ich bereue die Tat und schäme mich"
Bei der Prozesseröffnung räumte der mittlerweile 32-jährige Mann aus Waldsolms (Lahn-Dill) ein, die Tat begangen zu haben. Über seinen Anwalt teilte P. mit: Er bedaure seine Straftaten zulasten der beiden Mädchen und schäme sich dafür. Etwaige Nachfragen wollte er nicht beantworten.
Der Fall war bereits im Ayleen-Prozess im vergangenen Jahr Teil der Anklage, damals allerdings ausschließlich wegen des Beschaffens kinderpornografischer Inhalte. Nun wirft die Staatsanwaltschaft P. zusätzlich noch sexuellen Missbrauch ohne Körperkontakt vor.
Neuer Prozess nach BGH-Beschluss
Dass Ayleens Mörder überhaupt erneut vor Gericht erscheinen muss, liegt an einem Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH).
Dieser hatte die Verurteilung des Mannes wegen Mordes zwar für rechtskräftig erklärt, zugleich aber festgestellt, dass über die Strafe bezüglich der Kinderpornografie neu entschieden werden müsse - und damit auch über die gegen ihn verhängte Sicherungsverwahrung.
Für eine Anordnung der Sicherungsverwahrung gelten bestimmte formelle Voraussetzungen. Dazu gehört, dass mindestens zwei separate Straftaten vorliegen, die eine empfindliche Freiheitsstrafe nach sich ziehen.
Nach einer zwischenzeitlichen Gesetzesänderung wurde der Strafrahmen für Kinderpornografie aber mittlerweile verändert. Sie gilt nun nicht mehr als Verbrechen, sondern als Vergehen - und kann damit keine Grundlage mehr für eine Sicherungsverwahrung sein.
Staatswanwalt: Hohes Rückfallrisiko
Oberstaatsanwalt Thomas Hauburger erklärte bei der Prozesseröffnung am Montag: Die neue Anklage diene aus Sicht der Staatsanwaltschaft dazu, die Voraussetzung für eine Sicherungsverwahrung wieder zu schaffen.
Mit einer Verurteilung zu mindestens zwei Jahren Haft wegen sexuellen Missbrauchs ohne Körperkontakt würde Jan P. die formellen Voraussetzungen dafür wieder erfüllen.
Hauburger erklärte: Die Sicherungsverwahrung knüpfe einzig und allein an der Gefährlichkeit an, die von einem Täter ausgehe. Im Fall Jan P. sei das hohe Rückfallrisiko im vergangenen Verfahren bereits dargelegt worden.
Verteidigung: "Mit echten Erwachsenen überfordert"
Die Verteidigung teilte mit: Jan P. werde sich - wie auch im Mordprozess - nicht selbst äußern. Rechtsanwalt Henner Maaß begründete dies mit der "dreistündigen Katastrophenvernehmung" seines Mandanten, die im Mordprozess auf Video gezeigt worden war. Aus seiner Sicht sei darin erkennbar gewesen, dass Jan P. "mit echten Erwachsenen überfordert" sei.
Die Verteidigung kündigte zum Prozessauftakt an, dass auch ein Sozialarbeiter und eine Psychologin aussagen sollen, mit denen sein Mandant inzwischen gesprochen habe. Er befinde sich seit dem Urteil in Einzelhaft. Aufgrund der geänderten Rechtslage könne eine Sicherungsverwahrung vielleicht noch vermieden werden, so die Verteidigung.
Leiche im Teufelsee gefunden
Jan P. und Ayleen aus Gottenheim in der Nähe von Freiburg hatten sich im Sommer 2022 über das Internet kennengelernt. Nach ersten Kontakten hatte der Mann die Jugendliche drei Monate lang massiv bedrängt, Nacktfotos von ihr gefordert und sie damit erpresst.
Am 21. Juli 2022 holte der Mann dann Ayleen in Gottenheim ab, brachte sie in ein Waldstück bei Langgöns (Gießen) und tötete sie dort. Ayleens Leiche wurde einige Tage später im Teufelsee in der Wetterau gefunden.
Im Prozess kam zutage, das P. in den Monaten vor dem Mord mit Dutzenden weiteren jungen Mädchen ähnliche Chatkontakte aufgebaut hatte. Die Aussage der 13-Jährigen, um die es im aktuellen Verfahren geht, war per Videoaufzeichnung im Mordprozess gezeigt worden und soll auch im neuen Verfahren vorgespielt werden.
Vorwurf wegen Verdacht des sexuellen Missbrauchs
Das Landgericht Gießen hatte den Mann im September 2023 unter anderem wegen Mordes, versuchter Vergewaltigung und Nötigung sowie wegen des Beschaffens kinderpornografischer Inhalte zu lebenslanger Haft verurteilt.
Außerdem stellte das Gericht die besondere Schwere der Schuld fest und ordnete die Sicherungsverwahrung an. Die lebenslange Freiheitsstrafe ist von dem neuen Prozess nicht beeinträchtigt.