Mord ohne Leiche Landgericht Gießen: Verteidiger fordern Freispruch in Mammut-Mordprozess

Zwei Männer sollen zusammen einen Mann ermordet haben, aber von der Leiche fehlt bis heute jede Spur. In einem extrem langen Prozess in Gießen fordern ihre Verteidiger jetzt Freispruch. Sie meinen: Der jeweils andere sei schuld.

In einem Gerichtssaal stehen zwei Angeklagte mit verpixelten Gesichtern. Um sie herum stehen diverse Rechtsanwälte und Polizisten.
Olaf C. und Robert S. mit ihren Verteidigern am 120. Verhandlungstag vor dem Gießener Landgericht Bild © Heike Borufka

Die Staatsanwaltschaft fordert lebenslänglich mit Feststellung der besonderen Schwere der Schuld. Die Verteidigung fordert Freispruch. Extremer könnten Plädoyers wohl kaum auseinanderliegen.

Es passt aber zu diesem Prozess, der in verschiedener Hinsicht extrem war: extrem lang, extrem zäh, extrem verworren. Seit fast vier Jahren stehen der 48 Jahre alte Mathelehrer Olaf C. aus dem Main-Kinzig-Kreis und der 44 Jahre alte IT-Spezialist Robert S. aus dem Main-Taunus-Kreis vor dem Gießener Landgericht.

Mindestens ein Mörder

Von Leiche und Tatwaffe fehlen zwar auch an diesem Donnerstag weiter jede Spur. Trotzdem ist man sich im Landgericht Gießen inzwischen über viele Punkte weitgehend einig, etwa Tatort, Tatzeit und die groben Abläufe.

Der damals 39 Jahre alte Daniel M. aus Hanau soll am 17. November 2016 per Kopfschuss ermordet worden sein – und zwar im Auto mit den Angeklagten unterwegs nach Hungen (Gießen). Geschossen haben soll derjenige, der hinter ihm auf dem Rücksitz saß. All das haben die Angeklagten im Laufe des Prozesses zugegeben.

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Klar ist also: Auf der Anklagebank sitzt mindestens ein Mörder. Strittig ist allerdings, wer von beiden geschossen hat und ob der Mord von beiden geplant war, wovon die Staatsanwaltschaft ausgeht. Auch das Motiv wirft weiter Fragen auf.

Angeklagte belasten sich gegenseitig

Das Besondere an dem Verfahren: Die Angeklagten haben sich im Laufe des Prozesses ausführlich zu den Tatabläufen geäußert. Auch aus diesem Grund dauerte der Prozess so lang. Bis heute beteuern sie aber jeweils ihre eigene Unschuld und belasten sich gegenseitig.

Ihre vollkommen gegenteiligen Vorstellungen davon legten die Verteidiger nun auch in ihren jeweiligen Schlussplädoyers dar.

Leiche entsorgt – aber kein Mörder

Die Verteidiger des Mathelehrers C. sind überzeugt: Der Mörder sei Robert S. Ihr Mandant, der das Opfer seit Kindheitstagen kannte, habe kein erkennbares Motiv gehabt. Die Staatsanwaltschaft habe zwar verschiedene Hypothesen aufgestellt. Diese seien jedoch nicht nachweisbar.

Die Verteidiger des Informatikers Robert S. räumen zwar durchaus ein, dass ihr Mandant die Leiche von Daniel M. entsorgt habe. Er sei daher schuldig der Strafvereitelung. Ein Mörder sei S. aber nicht.

Dafür sei allein C. verantwortlich, meinen sie. Der wiederum habe seine Geschichte im Laufe des Verfahrens mühevoll so konstruiert, dass sich alles in seinem Sinne zusammenfüge. Doch das passe nicht zusammen, meinen sie.

Staatsanwaltschaft geht von Entführung aus

Die Staatsanwaltschaft hatte in ihrem Plädoyer vor zwei Wochen erklärt, dass das Ganze wohl eine Entführung mit Lösegeldforderung werden sollte.

Die Tötung sollen die Angeklagten laut Staatsanwaltschaft beide vorab geplant und heimtückisch begangen haben. Im Plädoyer hieß es: Olaf C. habe dem Opfer von hinten in den Kopf geschossen. Ob auch Robert S. geschossen habe, darauf komme es nicht an. Beide seien Täter.

Viele letzte Worte geplant

Ein schnelles Urteil ist trotz der nun abgeschlossenen Plädoyers immer noch nicht ganz in Sicht. Die Angeklagten haben angekündigt, noch ausführliche letzte Worte halten zu wollen.

Das Gericht kündigte nach Rücksprache mit der Verteidigung an, dass dies voraussichtlich noch einen ganzen Verhandlungstag in Anspruch nehmen werde - mindestens. Auch die letzten Worte könnten also vergleichsweise extrem ausfallen.

Fortgesetzt wird der Prozess am 10. Februar.

Redaktion: Rebekka Dieckmann

Sendung: hr4,

Quelle: hessenschau.de