Lebensgefährliche Abkürzung Warum Niederweimar ein Hotspot für illegale Gleisüberquerungen ist

Um einen langen Umweg zu vermeiden, laufen im mittelhessischen Niederweimar viele Menschen direkt über die Gleise. Einen Todesfall gab es bereits. Gemeinde, Polizei und Bahn wollen nun handeln.

Blick auf Bahngleis und kleinen Bahnhof, im Hintergrund eine Verkehrsbrücke
Der Bahnhof in Niederweimar - ein Hotspot für illegale Gleisüberquerungen Bild © Marc Klug
Videobeitrag

Gefahr an Bahnübergang in Niederweimar

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Bild © hessenschau.de
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Die paar Meter, rüber auf die andere Seite - das denken sich viele Bahnreisende in Niederweimar (Marburg-Biedenkopf). Die schnelle Abkürzung über die Bahngleise kann allerdings tragisch enden: 2020 starb hier eine junge Frau im Gleisbett. Sie hatte den heranrasenden Zug nicht gehört.

Der kleine Bahnhof in der Gemeinde Weimar zwischen Marburg und Gießen gilt als Hotspot für illegale Gleisüberquerungen. Das Problem: Es gibt hier keinen klassischen Bahnübergang, sondern lediglich eine etwas abseits gelegene Verkehrsbrücke, auf die man aber nur von einem der Gleise aus direkt gelangt. Die Folge ist ein 800 Meter langer Umweg - mehr als fünf Minuten.

Kartenausschnnit mit Fokus auf den Bahnhof Niederweimar. Ein Umweg in der Länge von ca. 800m, um von einem Gleis auf das andere zu kommen, ist gepunktet eingezeichnet.
Um von Gleis 1 auf 2 zu wechseln, braucht man mehr als fünf Minuten Bild © OpenstreetMaps-Mitwirkende, Bearbeitung: hessenschau.de

Auch laut Bahn und Bundespolizei gibt es in Niederweimar auffallend viele illegale Gleisüberschreitungen. Besonders im Sommer würden viele Menschen zum nahegelegenen Badesee wollen, einem beliebten Ausflugsziel in der Region. Von den Gleisen führen mittlerweile Trampelpfade dorthin.

Immer wieder tragische Unfälle

In Hessen gibt es immer wieder Todesfälle bei illegalen Gleisüberschreitungen, auch andernorts. In Langenselbold (Main-Kinzig) etwa wurden kürzlich zwei junge Männer vom ICE erfasst. Sie wollten einen Bus erreichen und überquerten die Gleise, statt die Unterführung zu nehmen. Statistisch werden solche Fälle aber laut Bundespolizei hessenweit nicht erfasst.

Hinzu kommen Fälle, in denen zwar niemand zu Tode kommt, aber dafür der Bahnverkehr aufgehalten wird, wie etwa vergangene Woche in Vellmar (Kassel). Auch das kann Konsequenzen haben.

Das unerlaubte Überqueren von Gleisen ist nicht nur lebensgefährlich, sondern auch verboten. Wer erwischt wird, muss mit Bußgeld rechnen. In Fällen wie in Vellmar wird außerdem wegen gefährlichen Eingriffs in den Bahnverkehr ermittelt. Es ist eine Straftat.

Illegale Überquerungen in Niederweimar gehäuft

"Viele Leute unterschätzen die Gefahr", sagt Bundespolizist Ibrahim Aras beim Ortstermin in Niederweimar. Der Bundespolizist ist hier häufig auf Streife und ertappt sogenannte Gleisläufer auf frischer Tat.

Mann in Uniform mit Mütze und Aufschrift "Polizei"
Ibrahim Aras erwischt immer wieder Menschen auf den Gleisen Bild © Marc Klug

"Die Leute meinen: Wenn sie keinen Zug sehen, nähert sich in nächster Zeit auch keiner‘", sagt Aras. "Aber die neuen Züge nähern sich fast lautlos." Wenn man sie hört, sei es meistens schon zu spät.

Gefahr auch durch Strom

Hinzu kommt: Nicht nur die Züge sind eine Gefahr, sondern auch die Oberleitungen mit einer Spannung von 15.000 Volt. Die Bundespolizei warnt: Man könne durch einen Stromüberschlag sterben, sogar mit 1,5 Metern Abstand und wenn man sie nicht berührt.

Großes Stoffbanner am Zaun mit Aufschrift: Lebensgefahr, Betreten der Gleisanlage verboten
Die Bundespolizei warnt mit Schildern und Bannern Bild © Marc Klug

In Niederweimar weisen seit dem tödlichen Unfall rot umrandete Schilder am Bahnsteig auf die Gefahr und das Verbot hin. Mittlerweile warnt auch am Badesee ein großes Banner am Zaun davor.

Bürgermeister: Brücke wird umgebaut

Dass es in Niederweimar keine schnelle Möglichkeit gibt, die Gleise legal und gefahrlos zu überqueren, sei ein großes Ärgernis für die Gemeinde, meint auch Bürgermeister Markus Herrmann (parteilos). Man wisse um das Problem seit Langem. Die Gemeinde hoffe seit Jahren auf eine bauliche Änderung.

Mann auf Brücke oberhalb von kleinem Bahnhof
Bürgermeister Markus Herrmann: Problem ist schon lange bekannt Bild © Marc Klug

Die aktuelle Lösung: Die bestehende Brücke soll abgerissen und komplett erneuert werden. Sie soll dann einen beidseitigen Treppenaufgang bekommen, sodass man direkt von den Gleisen aus hochkommt. Ein kleiner Laufweg bleibt, jedoch ein deutlich kürzerer. Ende des Jahres solle es mit dem Bau losgehen, sagt Herrmann. "Wir sind damit sehr zufrieden."

Bahn: An Vernunft appellieren

Bis es so weit ist, können Bahn und Polizei wohl nur weiter Bußgelder verteilen, warnen und aufklären. Ein Präventionsteam von DB Sicherheit -  dem Sicherheitsdienstleister der Deutschen Bahn (DB) geht dafür regelmäßig in Schulen.

Dass Menschen über die Gleise gehen, kann man nie komplett verhindern, meint Ronald Wachsmuth von DB Sicherheit und zeigt auf einen der Trampelpfade. "Wenn wir den hier absperren, würde da schon bald irgendwo ein anderer entstehen."

"Wir können da nur an die Vernunft appellieren", meint Wachsmuth. Er sagt: Ein Umweg von 15 bis 20 Minuten könne das Leben vielleicht um 15 bis 20 Jahre verlängern.

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