Von Navi fehlgeleitet Lieferwagen fährt sich in Nationalpark Kellerwald-Edersee fest
Zwei Kilometer weit kam er, dann ging es weder vor noch zurück. Im Nationalpark Kellerwald-Edersee hat sich ein Lieferwagen-Fahrer an einem Steilhang in einem Wanderweg festgefahren. Die Bergung dauerte bis zum nächsten Tag.
In engen Gassen zwischen Häusern verkeilte Lkw oder massenweise Durchgangsverkehr in kleinen Ortschaften: Navigationsgeräte und Fahrer, die ihnen einfach folgten, haben in Hessen schon für einige Einsätze und Ärger bei Anwohnern gesorgt.
Doch dass sich ein Transporter mitten im Kellerwald festfährt, war den beteiligten Einsatzkräften neu. "Das habe ich in meinen 25 Jahren beim THW noch nicht erlebt", sagte THW-Sprecher Michael Walsdorf am Donnerstag dem hr.
Kürzeste Route gewählt
Zwei Tage zuvor war die Feuerwehr mitten in den als Naturschutzgebiet ausgewiesenen Nationalpark Kellerwald-Edersee gerufen worden, weil ein Transporter an einem Steilhang abzustürzen drohte. Wie sich vor Ort herausstellte, hatte ein 55-jähriger Fahrer am Dienstagmittag versucht, von der Halbinsel Scheid zum Campingplatz Fürstental zu gelangen.
Die für Autos befahrbare Route verläuft weiter nördlich und ist etwa fünf Kilometer lang. Stattdessen wählte der Fahrer aber offenbar die kürzeste Strecke, die ihn in den schmalen Wanderweg führte.
Gerade einmal 1,50 Meter breit sei der Pfad gewesen, sagte Waldecks Stadtbrandinspektor Andreas Przewdzing. Links ging es steil hinab, rechts streifte der Wagen haarscharf an den Bäumen vorbei. Nach etwa zwei Kilometern sei es dann für den Fahrer offenbar weder vor, noch zurück gegangen, so Przewdzing. Das Heck des Transporters sei talwärts gerutscht.
"Der Fahrer hatte viel, viel, viel Glück", betont der Stadtbrandinspektor. Er blieb unverletzt. Doch die Bergung des Transporters gestaltete sich schwierig.
THW lieh sich Mini-Bagger
Da der Weg auch für die Feuerwehrautos unpassierbar war, mussten die Feuerwehrleute den Transporter zunächst zu Fuß suchen. Mit Spanngurten banden sie den Wagen dann an Bäumen fest, damit er nicht doch noch den Hang hinabstürzte. Bergen ließ sich der Wagen am Dienstag aber zunächst nicht.
Auch das herbeigerufene Technische Hilfswerk konnte im ersten Moment nichts ausrichten. "Wir haben einen Mini-Bagger angemietet und den Transporter mit Ketten an der Schaufel befestigt. Dann haben wir ihn rückwärts aus dem Wanderweg bis zum nächsten befahrbaren Forstweg gezogen", schilderte ein THW-Sprecher den Einsatz. Dieser sei mehrere hundert Meter entfernt gewesen. Im Laufe des Mittwochs war der Lieferwagen dann schließlich befreit.
Unternehmen: Ortsfremder Mitarbeiter
Doch wieso war der Fahrer überhaupt mitten in den Nationalpark gefahren? Der Nationalpark Kellerwald-Edersee wurde von der Weltnaturschutzunion IUCN als besonderes Schutzgebiet ausgewiesen. Ein Teilbereich gehört zum Unesco-Weltnaturerbe, große Teile sind Vogelschutzgebiet.
Auf Anfrage teilte ein Sprecher des zuständigen Lieferunternehmens mit, bei dem Fahrer handele es sich um einen neu eingeteilten, ortsfremden Mitarbeiter, "der den Anweisungen seines Navigationssystems gefolgt ist". Dienstältere Fahrer seien mit der Strecke vertraut und wüssten, dass die Navis diese Route vorschlagen könnten, mieden sie jedoch bewusst. "Daher hat es in der Vergangenheit keinen vergleichbaren Vorfall in unserem Unternehmen gegeben."
Grundsätzlich erhielten alle Zusteller Schulungen zur sicheren Routenwahl, insbesondere in ländlichen und anspruchsvollen Gebieten. In diesen Schulungen werde auch auf potentielle Fehlleitungen der Navis hingewiesen. Die Schulungen sollen nach Unternehmensangaben nun angepasst werden.
Dem Fahrer selbst sei der Vorfall "im Nachhinein äußerst unangenehm". "Wir sind erleichtert, dass er unverletzt geblieben ist."
Hohes Bußgeld möglich
Die Konsequenzen der Fahrt prüft jetzt der Nationalpark. Die Schadenshöhe sowie die Höhe möglicher Bußgelder konnte bislang noch nicht beziffert werden, aller Voraussicht nach wird es aber teuer: Laut Nationalpark-Verordnung ist allein für die Autofahrt außerhalb der dafür freigegebenen Straßen ein Bußgeld bis 1.000 Euro möglich. Für Schäden an Bäumen kommen bis zu 25.000 Euro hinzu.
Damit wird in solchen Fällen zunächst das Unternehmen belangt. Dieses will nach Angaben des Sprechers intern prüfen, ob der Fahrer selbst haftet.