Förderung der Artenvielfalt Mehr Grünbrücken für Wildtiere über Autobahnen gefordert
Wenn eine Autobahn die Landschaft zerschneidet, können Wildtiere über sogenannte Grünbrücken die Seiten wechseln. Ein knappes Dutzend davon gibt es in Hessen. Artenschützer fordern deutlich mehr dieser Querungen, doch die zuständige Verkehrsbehörde sieht andere Prioritäten.
Die Autobahnbrücke am Michelsrombacher Forst in Hünfeld (Fulda) ist keine gewöhnliche. Sie dient nicht dem Straßen- und Fußgängerverkehr, sondern ausschließlich dem ungestörten Wildwechsel. Auf ihr regiert die Natur. Die Wildnis hat sich breit gemacht - ein Dickicht aus Bäumen und Büschen.
Damit die Tiere vom Verkehr, der unter der Brücke auf der A7 (Fulda-Kassel) hinwegrauscht, nicht gestört werden, ist die Grün- und Wildtierbrücke mit Blendschutzwänden verkleidet. Wenn Rotwild oder Wildkatzen von einem Wald zum nächsten wechseln, sollen sie von Scheinwerfern nicht irritiert werden. An den Lärm haben sie sich gewöhnt.
Mehr Grünbrücken gefordert: "Autobahnen zerschneiden Landschaften"
Die Brücke sei enorm wichtig für die Artenvielfalt und deswegen solle es weitere geben, fordert der Landesjagdverband. Präsident Jürgen Ellenberger sagte bei einem Vor-Ort-Besuch: "Mit Zäunen geschützte Autobahnen zerschneiden die Landschaften. Über Grünbrücken können Tiere von der einen auf die andere Seite kommen. Das ist bedeutend für den genetischen Austausch der Tiere bei der Paarung."
Sonst entstünden negative Folgen, zum Beispiel für Rothirsche als Leitwildart und Könige der Wälder. Es könne zu Krankheiten, Missbildungen oder toten Tieren kommen. Im Bereich Michelsrombach ist die genetische Vielfalt gegeben, wie die Jäger und andere Experten beobachten.
Grünbrücken zur Förderung der Artenvielfalt
Damit sich dies in ganz Hessen fortsetzt, fordern die Jäger weitere Grün- und Wildtierbrücken. Bislang gibt es nur sieben entlang von Autobahnen und vier an Bundesstraßen. Das sei zur Förderung der Artenvielfalt viel zu wenig, kritisiert Landesjagdpräsident Ellenberger.
Die Jäger wollen weitere Grünbrücken, etwa an der A5 im Raum Gießen, an der B3 zwischen Gießen und Marburg, an der A45 im Raum Kalteiche bei Haiger (Lahn-Dill) und an der A44 bei Wattenberg-Weidelsburg (Kassel).
30 Millionen Euro für jede neue Grünbrücke
Doch diese Wünsche können kostspielig werden. Denn für neue Grünbrücken an bestehenden Autobahnen schätzt die Autobahn GmbH die Kosten pro Bauwerk auf rund 30 Millionen Euro. Günstiger wird es nur, wenn Grünbrücken beim Neu- oder Ausbau wie an der A44 und A49 in Nordhessen von Beginn an mitgeplant und errichtet werden.
Trotz knapper Kassen sollten diese Millionen-Investitionen im Sinne des Natur- und Artenschutzes aber getätigt werden, findet Ellenberger. Der Bund nehme schließlich erhebliche Summen über die Lkw-Maut ein. "Und ich denke, das Geld wäre gut angelegt, wenn man der Natur etwas zurückgibt", sagte Ellenberger.
Autobahn GmbH: Sanierung maroder Brücken hat Vorrang
Eine Sprecherin der Autobahn GmbH erklärte, dass der Ruf nach mehr Grünbrücken schwer realisierbar sei. Schließlich habe die Sanierung der zahlreichen maroden Brücken in Deutschland Vorrang.
Wenn die Grünbrücken gebaut sind, bedürfen sie auch einer gewissen Pflege. Zu hoch hinauswachsende Bäume müssen geschnitten werden, damit sie bei einem Sturm nicht auf die Autobahn stürzen.
Gefahr der Verbuschung: "Da drückt sich höchstens 'ne Wildsau durch"
Mit Blick auf die Brücke in Michelsrombach sah der Jagdverband mangels Pflege zudem die Gefahr, dass die Brücke verbuschen und zuwuchern könne. "Da drückt sich dann höchstens noch 'ne Wildsau durch. Für andere Tiere ist sie aber nur schwer passierbar", befürchtete Ellenberger.
Nach einem Austausch zwischen Jagdverband und Verkehrsbehörde gab es nun die Zusage von der Autobahn GmbH: Die Pflege der Brücke sei und werde sichergestellt.
Uneinigkeit beim Wildtier-Monitoring
Uneinigkeit besteht aber noch zur Überwachung des Wildwechsels mit einem Monitoring-Programm. Die Autobahn GmbH stellte das Monitoring mit Wildtier-Kameras ein, nachdem es auf der Brücke zu Vandalismus gekommen war und Kameras gestohlen wurden. Ohnehin sei nach einer Langzeit-Beobachtung klar, dass die Grünbrücke intensiv von allen mögliche Tieren genutzt werde.
Die Jäger wollen aber auch künftig wissen, wie sich der Wildtierverkehr auf der Brücke gestaltet. Denn die Daten kann der Verband auch als Argumentation für weitere Grünbrücken in Hessen nutzen.
Sendung: hr4, 24.05.2024, 15.30 Uhr
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