Neue Microsoft-Standardschriftart Wie der Wiesbadener Stadtteil Bierstadt fast weltberühmt wurde
Der Softwarekonzern Microsoft suchte eine neue Standardschrift - und entschied sich für Bierstadt. Für den gleichnamigen Wiesbadener Stadtteil hätte damit eine "glorreiche Zukunft" anbrechen können - aber dann kam doch alles ganz anders.
Der Softwarekonzern Microsoft will sich in wenigen Wochen von seiner Standardschriftart Calibri verabschieden. Deshalb hatte die US-Firma schon vor zwei Jahren damit begonnen, auf Twitter weltweit seine Nutzerinnen und Nutzer über die Nachfolge abstimmen lassen: Sie hatten die Wahl zwischen Tenorite, Seaford, Skeena, Grandview - und eben Bierstadt.
Als Thilo von Debschitz, Designer und bekennender "Typografie-Nerd" aus der Wiesbadener Werbeagentur Q davon erfuhr, sei er "wie elektrisiert" gewesen. Es sollte natürlich Bierstadt werden.
Kampagne mit Tüten, Tassen und T-Shirts
Seine Agentur startete direkt eine Kampagne und ließ Brötchentüten, Tassen, Jutebeutel, Fußmatten und T-Shirts mit entsprechenden Bierstadt-Slogans in Bierstadt-Typografie bedrucken. "Eine glorreiche Zukunft" versprach man sich für den Wiesbadener Ortsbezirk mit 12.500 Einwohnern, der bald weitweit in aller Munde sein sollte.
Dass Microsofts Schriftart-Designer Steve Matteson bei der Namensgebung gar nicht den Wiesbadener Bezirk, sondern einen Berg in den Rocky Mountains im Kopf hatte, der wiederum nach einem deutschen (aber nicht hessischen) Maler benannt ist, spielte keine Rolle.
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Mitte Juli teilte Microsoft tatsächlich mit, dass sich die Online-Community für die Bierstadt-Schrift entschieden habe. Deshalb werde der Konzern die Schrift nun übernehmen und in allen Anwendungen und Diensten zum Standard machen. Allerdings mit kleinen - oder aus Wiesbadener Sicht großen - Änderungen.
Aptos statt Bierstadt
Denn die Schrift soll nun plötzlich Aptos heißen - und nicht Bierstadt: Kein Wiesbadener Stadtteil, kein Berg in den Rocky Mountains, sondern eine Stadt in Kalifornien, in der der Microsoft-Designer offenbar gerne Urlaub macht.
Von Designer Matteson habe er erfahren, dass Microsoft auf den letzten Metern noch um einen weiteren Namensvorschlag für die endgültige Schriftversion gebeten habe, erklärt von Debschnitz. "Vielleicht gab es Bedenken mit dem Wort 'Bier' im Namen", vermutet er.
Für von Debschitz sorgte die Entscheidung "für ein lachendes und ein weinendes Auge". Seine Firma habe die Kampagne für die Bierstadt-Schrift nicht nur aus Lokalpatriotismus gestartet, sagt er. "Es ist auch wirklich die beste Schrift." So sei ein kleines "L" auch von einem großen "I" wirklich zu unterscheiden.
Einen kleinen Trost für Wiesbaden gibt es: Wer an der Bierstadt-Schrift hängt, kann sie immer noch unter dem alten Namen im Drop-Down Menü in den unterschiedlichen Microsoft-Anwendungen auswählen. Und auch die Bierstadt-Fußmatten will die Werbeagentur Q erstmal nicht aus dem Sortiment nehmen.
Sendung: hr4, 23.08.2023, 17.30 Uhr
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