Tod in Kronberger Zahnarztpraxis Narkosearzt entschuldigt sich bei Angehörigen von verstorbener Vierjähriger

Fast drei Jahre nach dem Tod eines kleinen Mädchens in einer Zahnarztpraxis in Kronberg hat der damalige Narkosearzt nur zum Teil die Verantwortung dafür übernommen. Ihm seien "unbewusst" Fehler unterlaufen.

Ein Mann, dessen Gesicht verpixelt ist, steht neben seinem Rechtsanwalt vor einem Tisch im Gerichtssaal.
Der angeklagte Narkosearzt zu Prozessbeginn mit seinem Anwalt. Bild © Markus Zuckermann/ hr
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Anästhesist wegen Tod eines vierjährigen Mädchens vor Gericht

hs 19.08.2024
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Nach dem Tod eines vier Jahre alten Mädchens während einer Zahnbehandlung hat am Montag vor dem Frankfurter Landgericht der Prozess gegen den damaligen Anästhesisten begonnen. Die Staatsanwaltschaft wirft dem heute 67-Jährigen unter anderem Körperverletzung mit Todesfolge und gefährliche Körperverletzung vor.

Der Angeklagte ließ zu Beginn über seinen Verteidiger eine Erklärung verlesen: "Ich übernehme die Verantwortung dafür, dass mir unbewusst Fehler bei der Behandlung unterlaufen sind. Ich bin darüber zutiefst betroffen und entschuldige mich bei den Angehörigen."

Mehr als 25 Jahre lang arbeitete der Arzt als niedergelassener Anästhesist. Er war auf ambulante Vollnarkosen für Zahnärzte spezialisiert. In Bensheim (Bergstraße) betrieb er eine mobile Anästhesie- und Notfallpraxis, mit denen er zu den Arztpraxen fuhr.

Laut Anklage soll der Anästhesist im fraglichen Zeitraum im Herbst 2021 die Mindestanforderungen an Sicherheit und Hygiene nicht erfüllt haben. Unter anderem habe er Narkosen ohne Assistenzkraft durchgeführt und Einwegspritzen mehrfach verwendet. Zudem soll er eine Flasche des Narkosemittels Propofol bei mehreren Patienten angewandt haben, obwohl diese nur zur einmaligen Anwendung an einem einzigen Patienten bestimmt sei.

Kontaminiertes Narkosemittel mehrfach verwendet

Am 28. September 2021 hatte er in der Zahnarztpraxis in Kronberg (Hochtaunus) im Laufe des Tages mehrere Menschen für Zahnbehandlungen in Vollnarkose gelegt. Erste Patientin des Tages war eine erwachsene Frau, um neun Uhr folgte ein neunjähriger Junge mit großer Angst vor der anstehenden Wurzelbehandlung. 

Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der Anästhesist ihm ein Narkosemittel aus der Flasche spritzte, die er zuvor bei der Frau verwendet hatte und deren Lösung nun mit einem Pilz kontaminiert war. Die gleiche Lösung erhielten drei weitere Kinder, die an diesem Tag behandelt wurden.

Kind starb noch in Zahnarztpraxis

Als Letztes war am Nachmittag die Vierjährige an der Reihe, bei ihr soll die Narkoselösung jetzt zusätzlich mit Bakterien verunreinigt gewesen sein. Das Mädchen hatte sich beim Spielen einen Zahn abgebrochen.

Gegen 19 Uhr habe sie Herzrhythmusstörungen bekommen und sich erbrochen. Noch immer auf dem Zahnarztstuhl habe ihr der Narkosearzt noch ein weiteres Mal Propofol verabreicht, um sie beatmen zu können. Erst nach Mitternacht sei ein Rettungswagen gerufen worden.

Zu spät - um kurz nach 2 Uhr war das Mädchen tot. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass das Mädchen noch hätte gerettet werden können, wenn der Krankenwagen mindestens drei Stunden früher gerufen worden wäre. 

Zwei Kinder auf der Intensivstation

Nur wenige Stunden nach dem Tod des Mädchens war der Anästhesist bereits wieder im Einsatz gewesen, dieses Mal in einer Zahnarztpraxis in Bensheim. Dort soll er einem Fünfjährigen ebenfalls ein verunreinigtes Mittel gespritzt haben, der Junge bekam 40,8 Grad Fieber.

Seine drei anderen kleinen Patienten vom Vortag waren ebenfalls schwer erkrankt, zwei von ihnen kämpften auf der Intensivstation ums Überleben und mussten vorübergehend ins künstliche Koma versetzt werden. 

Angeklagter bestreitet, Rettungswagen zu spät gerufen zu haben

Der Angeklagte widersprach am Montag in seiner Einlassung dem Vorwurf, Propofol mehrfach verwendet zu haben. Auch habe er früher um einen Rettungswagen gebeten.

Körperverletzung mit Todesfolge kann mit einer Freiheitsstrafe von bis zu 15 Jahren geahndet werden. Die zuständige Große Strafkammer hat sieben Verhandlungstage eingeplant. Mit einem Urteil wird Ende September gerechnet.

Redaktion: Anikke Fischer

Sendung: hr-fernsehen, hessenschau,

Quelle: Mit Informationen von Volker Siefert, hessenschau.de, dpa/lhe