Hochtaunuskreis Neue Verdachtsfälle auf Korruption in Ausländerbehörde

Ein leitender Beamter im Hochtaunuskreis soll Ausländern jahrelang zu Vergünstigungen verholfen oder sie möglicherweise vor Abschiebung gewarnt haben. Der Landrat hat Strafanzeige erstattet. Warum das erst jetzt geschah, wirft Fragen auf.

Akten auf einem Schreibtisch, vom Beamten sind nur die Ärmel des Sakkos zu sehen
(Sujetbild) Bild © picture-alliance/dpa
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Vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass ein leitender Beamter des Ausländeramts des Hochtaunuskreises einem verurteilten Mörder den Aufenthalt in Deutschland ermöglicht haben soll. Nun kommen durch hr-Recherchen weitere Fälle ans Licht, in denen der inzwischen suspendierte Beamte Geflüchteten Vorteile verschafft haben soll.

So soll der Beamte dafür gesorgt haben, dass ein abgelehnter Asylbewerber aus dem Iran eine eigene Wohnung anmieten konnte, obwohl er laut Gesetz in einer Flüchtlingsunterkunft hätte wohnen müssen. Als geduldeter Flüchtling hat er keine Arbeitserlaubnis und verfügt demnach auch über kein legales Einkommen. Wie er dennoch die Wohnung bezahlen konnte, ist unklar.

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In mehreren anderen Fällen soll der Beamte geduldeten Flüchtlingen ermöglicht haben, ihren Wohnsitz in andere Teile Deutschlands zu verlegen. Trotz des damit einhergehenden Verstoßes gegen Wohnsitzauflagen sollen sie weiter Geld vom Hochtaunuskreis ausbezahlt bekommen haben. Mehrere Personen sollen, statt dort zu wohnen, in die Region Mannheim/Ludwigshafen gezogen sein.

Jahrelang Miete für unbenutzte Wohnung überwiesen

Anfang des Jahres wurde nach hr-Informationen behördenintern ein Fall bekannt, der unter Mitarbeitenden für besonderes Aufsehen sorgte. Demnach soll der Beamte jahrelang dafür gesorgt haben, dass einem Flüchtling die Miete für seine Wohnung überwiesen wird, obwohl bekannt war, dass der Mann abgetaucht war. 

Als Mitarbeiter des örtlichen Ermittlungsdiensts Anfang des Jahres an der gemeldeten Adresse an der Tür klingelten, mussten sie feststellten, dass die Wohnung seit rund drei Jahren nicht mehr vermietet wurde. Auf wie viele Euro sich die für diesen Zeitraum überwiesene Miete beläuft, lässt sich derzeit nicht sagen.

Schleuserin vor geplanter Abschiebung gewarnt

In einem weiteren Fall soll eine wegen Schleuserkriminalität verurteilte Irakerin vor ihrer für dieses Frühjahr geplanten Abschiebung einen Hinweis bekommen haben. So konnte sie sich durch Flucht ihrer Abschiebung entziehen. Ob der Hinweis von dem leitenden Beamten in der Ausländerbehörde kam, ist unklar. Er soll aber in den Fall der Irakerin involviert gewesen sein.

Nach hr-Informationen wurde der Beamte Mitte Juli in das Büro der Personalleiterin der Ausländerbehörde des Kreises am Stadtrand von Bad Homburg zitiert. Nach diesem Gespräch habe er seine Sachen gepackt und sei nicht mehr gesehen worden, heißt es. Auf Nachfrage wurde demnach gesagt, er sei krank.

Staatsanwaltschaft prüft Ermittlung

Inzwischen ist die Staatsanwaltschaft Frankfurt durch die Presseberichte von Bild-Zeitung und hr auf die Vorgänge in der Kreisverwaltung in Bad Homburg aufmerksam geworden. "Darüber hinaus ist in diesem Zusammenhang zwischenzeitlich eine Strafanzeige wegen des Vorwurfs der Untreue eingegangen", sagte ein Sprecher auf hr-Anfrage: "Der Sachverhalt und die Vorwürfe werden geprüft."

Wie Landrat Ulrich Krebs (CDU) auf hr-Anfrage sagte, erstattete der Hochtaunuskreis am Dienstag Strafanzeige in dem Fall. Es gehe um den Anfangsverdacht der Untreue. Eine vom Landrat beauftragte Rechtsanwaltskanzlei habe die Verdachtsmomente auf 48 Seiten zusammengestellt.

Kreis: Kein Hinweis auf Schmiergeld

"Selbstverständlich wird der Hochtaunuskreis mit der Staatsanwaltschaft und anderen ermittelnden Behörden eng und vollumfänglich zusammenarbeiten und diese bestmöglich unterstützen", teilte ein Sprecher des Kreises mit. Derzeit lägen keine Hinweise vor, dass der Mitarbeiter Geld oder andere Vergünstigungen angenommen habe.

Der Sprecher des Kreises warnt vor Vorverurteilungen: "Wir weisen auch grundsätzlich darauf hin, dass nach derzeitigem Kenntnisstand keine sicheren Tatnachweise vorliegen." Aus Sicht des Hochtaunuskreises "liegt lediglich ein Anfangsverdacht vor, der der Staatsanwaltschaft als zuständiger Fachbehörde übergeben wurde". Mit Blick auf das laufende Verfahren würden keine weitergehenden Informationen mitgeteilt.

Eine weitere Strafanzeige ging bei der Onlinewache Hessen am Dienstag ein. Sie kommt von einem Bürger aus Nordrhein-Westfalen, der sich in seiner Anzeige explizit auf den Bericht von hessenschau.de bezieht. Auf Nachfrage begründete er das damit, dass es sein Rechtsempfinden störe, dass der Kreis beim Verdacht auf Korruption eines Beamten nicht umgehend die Staatsanwaltschaft eingeschaltet habe.

Innenministerium warnt vor Korruption in Ausländerbehörden

Gemäß der Richtlinie zur Korruptionsprävention und -bekämpfung in der öffentlichen Verwaltung in Hessen wird die Tätigkeit in Ausländerbehörden als eines der korruptionsanfälligsten Arbeitsgebiete aufgeführt. Das hat mit den häufigen Außenkontakten und Genehmigungen zu tun, die dort tätige Beamte erteilen.

Zu den in der Richtlinie des Innenministeriums aufgeführten Maßnahmen gehören besondere Kontrollen zur Bekämpfung der Korruption. "Bei begründetem Verdacht für das Vorliegen einer Korruptionsstraftat sind die Strafverfolgungsbehörden zu unterrichten", heißt es darin.

Landrat Krebs sagte zu Abgeordneten des Kreistags, die Verdachtsfälle gegen den inzwischen suspendierten Beamten reichten bis ins Jahr 2010 zurück. Dass es dem Beamten so lange möglich gewesen sein soll, im Dienst gegen geltendes Recht zu verstoßen, wirft bei der Opposition die Frage auf, ob die Korruptionsprävention in der Kreisverwaltung ausreicht. "Wir werden das Thema noch mal aufrufen und die Korruptionsprävention der Kreisverwaltung vor dem Hintergrund der aktuellen Vorgänge hinterfragen", sagte die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Patricia Peveling.

Grüne wollen Rolle von Staatssekretärin prüfen lassen

Auch die Rolle der ehemaligen Kreisbeigeordneten Katrin Hechler (SPD) sollte nach Pevelings Meinung hinterfragt werden. Hechler arbeitet seit Anfang 2024 als Staatssekretärin im Arbeits- und Sozialministerium. In den zehn Jahren zuvor war sie politisch verantwortlich für die Ausländerbehörde im Hochtaunuskreis. "Wenn sie sich jetzt, wie der Presse zu entnehmen war, darauf beruft, dass sie nicht mehr zuständig sei, versucht sie, sich aus der Verantwortung zu stehlen", findet Peveling.

Heribert Hirte von Transparency Deutschland sieht bei lange zurückliegenden Korruptionsfällen die Gefahr, dass sie nicht mehr zur Anklage gebracht werden könnten: "Es ist ein Charakteristikum von Korruption, dass die Beteiligten darauf spekulieren, dass die Vorgänge der strafrechtlichen Verjährung anheimfallen." Wer Korruption verhindern wolle, müsse bei der Suche nach Schwachstellen auch bereits strafrechtlich verjährte Fälle in einer Behörde analysieren, fordert Hirte.

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Redaktion: Stephan Loichinger

Sendung: hr INFO,

Quelle: hessenschau.de