Landgericht Kassel Neuer Prozess gegen falsche Ärztin aus Fritzlar begonnen

Sie arbeitete jahrelang als Ärztin in Fritzlar - ohne Abschluss. Drei Patienten starben. Jetzt muss sich die 54-Jährige nach einer Revision erneut vor Gericht in Kassel verantworten.

Die Angeklagte sitzt zwischen ihren beiden Verteidigern im Landgericht Kassel, sie hält einen Aktenordner vor ihr Gesicht.
Die Angeklagte zwischen ihren beiden Verteidigern im Landgericht Kassel. Bild © Stefanie Küster (hr)

Vor dem Landgericht Kassel hat am Montag ein neuer Prozess gegen eine Frau begonnen, die sich jahrelang fälschlicherweise als Narkoseärztin ausgegeben hat. Sie soll durch Behandlungsfehler den Tod von drei Menschen verschuldet haben.

Die heute 54-Jährige hatte sich mit einer gefälschten Approbationsurkunde eine Anstellung als Narkoseärztin am Hospital zum Heiligen Geist in Fritzlar (Schwalm-Eder) erschlichen. Sie war dort seit Ende 2015 als Ärztin tätig und hatte ab 2016 auch Aufgaben als Narkoseärztin bei Operationen übernommen. Nach Überzeugung der Anklage starben durch Behandlungsfehler der Frau drei Patienten, und andere trugen schwere Schäden davon. 

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Folgen billigend in Kauf genommen

Laut Staatsanwaltschaft dosierte die Angeklagte bei Operationen etwa Medikamente fehlerhaft und verzögerte ärztliche Maßnahmen bei Komplikationen oder unterließ sie. Die Frau habe die nachteiligen Folgen der Behandlungsfehler billigend in Kauf genommen, sagte der Staatsanwalt.

"Die Angeklagte wusste, dass sie nicht als Ärztin tätig werden durfte und nicht über die entsprechende Ausbildung verfügte", so die Staatsanwaltschaft in ihrer Anklage. Zudem sei ihr bewusst gewesen, dass es sich bei der Anästhesie um einen sehr eingriffsintensiven medizinischen Fachbereich handelt. Trotz der mehrfach aufgetretenen Probleme und Komplikationen habe sie ihre Tätigkeit fortgeführt. 

Übersteigertes Bedürfnis nach Anerkennung

Im Mai 2022 war die Angeklagte deshalb unter anderem wegen dreifachen Mordes und versuchten Mordes in zehn Fällen zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden.

Auch die besondere Schwere der Schuld stellte die 6. Große Strafkammer damals fest. Laut dem Urteil setzte die Frau aus einem übersteigerten Bedürfnis nach Anerkennung das Leben von Patientinnen und Patienten aufs Spiel.

BGH hob Urteil teilweise auf

Gegen das Urteil hatte die Angeklagte Revision eingelegt. Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe hob die Entscheidung teilweise auf, weil er unter anderem den Tötungsvorsatz nicht ausreichend begründet sah.

Außerdem habe das Gericht die Umstände, die gegen vorsätzliche Tötungen der Patienten sprechen, nicht ausreichend beachtet. Dazu gehören laut BGH die Persönlichkeitsstruktur und die Verhaltensauffälligkeiten der Angeklagten.

Angeklagte schwieg zunächst

Die Angeklagte sagte am ersten Verhandlungstag zunächst nichts zu den Vorwürfen, auch in dem ersten Prozess hatte sie sich nicht geäußert. Ihr Werdegang ist verschlungen: Mal studierte sie Biologie, mal Zahnmedizin. Sie absolvierte eine Heilpraktikerprüfung sowie zahlreiche Praktika.

Abschluss und Promotion erfolgten schließlich in Biologie. Der Doktorgrad wurde ihr von der Uni Kassel allerdings wegen Plagiierens wieder entzogen. Einen zweiten Doktortitel soll sie im Internet gekauft haben. Eine abgeschlossene Ausbildung als Ärztin hat die 54-Jährige nicht.

Die 10. Große Strafkammer des Landgerichts muss den Fall nun neu verhandeln und entscheiden. Das Gericht hat bis zum 30. April sieben weitere Verhandlungstermine anberaumt.

Sendung: hr1,

Quelle: hessenschau.de, dpa/lhe