Vogelexperten warnen vor Fütterung Nilgänse vermehren sich wie die Karnickel - 20.000 in Hessen

Sie leben in Stadtparks und an Flussufern und werden immer mehr: Nilgänse. Der Naturschutzbund warnt davor, Wasservögel mit Backwaren zu füttern. Dadurch drohten Fehlbildungen.

Nilgänse mit Jungtieren am Ufer eines Sees.
Nilgänse mit Nachwuchs am Ufer des Steinbrücker Teichs in Darmstadt. Bild © Imago Images
  • Link kopiert!
Audiobeitrag
Bild © picture-alliance/dpa (Archiv)| zur Audio-Einzelseite
Ende des Audiobeitrags

Die Zahl der in Hessen lebenden Nilgänse hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Bernd Petri vom Naturschutzbund Nabu in Wetzlar sagte am Dienstag, er leite das von der Menge der erschossenen Vögel ab. Insgesamt seien in der Jagdsaison 2022/2023 fast 3.600 Nilgänse getötet worden, vor zehn Jahren seien es noch rund 1.400 gewesen. Petri schätzt die Zahl der in Hessen lebenden Tiere auf etwa 20.000.

Außerhalb der Städte dürfen sie jährlich vom 1. September bis 15. Januar bejagt werden. Die kräftigen Gänse mit ihren langen roten Beinen leben vor allem im Rhein-Main-Gebiet und Südhessen, dort bevölkern sie vor allem Stadtparks. Ihre Vorfahren wurden einst von Reisenden von Afrika nach Europa mitgebracht. Einige entflohen und pflanzten sich in Freiheit fort.

An den Gänsen scheiden sich die Geister: Die einen sehen in ihnen eine nervende Plage, die Parks mit Kot verdrecken und andere Tiere lautstark vertreiben. Andere freuen sich an den gackernden Vögeln und füttern sie mit Brot, Brötchen oder Brezeln. Damit tun sie den Vögeln nichts Gutes, wie Oliver Weirich, der Vogelschutzbeauftragte für Wiesbaden, betont.

Gänse mit Kippflügeln in Parkanlagen

So ist laut Experten auch die Entwicklung von sogenannten Kippflügeln wahrscheinlich eine Auswirkung der Fehlfütterung. Bei den betroffenen Tieren steht mindestens ein Flügel ab und hängt nach unten. Zwar gibt es laut Weirich keine Studien darüber, ob eine solche Behinderung aus der Fütterung mit Backwaren resultiert. Es sei jedoch wahrscheinlich, da fast nur Nilgänse in Parkanlagen betroffen seien.

Das bestätigt auch Nabu-Experte Petri: "Wo Nilgänse nicht gefüttert werden, tauchen Kippflügel nicht auf." Auch andere Wasservögel können von einer solchen Fehlbildung betroffen sein. Diese entstehen bereits im zarten Alter von wenigen Wochen, wenn vermutlich wegen der energiereichen Fütterung die Schwungfedern zu schnell wachsen. Die Muskeln, Knochen, Sehnen und Bänder sind dagegen noch schwach und können die Federn nicht halten, sodass diese abkippen.

Eine Nilgans mit sogenannten Kippflügeln geht über eine Wiese in der Wiesbadener Innenstadt.
Eine Nilgans mit sogenannten Kippflügeln geht über eine Wiese in der Wiesbadener Innenstadt. Bild © picture-alliance/dpa

Falsche Fütterung führt zu Fluguntauglichkeit

Für die derart behinderte Nilgans hat das gravierende Auswirkungen: Sie ist im schlimmsten Fall fluguntauglich und kann nicht kämpfen - damit wird es mit der Partnersuche und der Behauptung eines Reviers schwierig.

Auch ansonsten hat die falsche Fütterung üble Auswirkungen auf die Tiere, die sich in der Natur sehr abwechslungsreich, etwa mit Getreidekörnern, Gräsern, Samen, Gemüse, Insekten oder Würmern ernähren. "Die Fehlfütterung führt zu einer ganzen Reihe von Krankheiten. Auch mangelt es den Tieren an Vitaminen und Mineralstoffen, zudem verändern sich die Verdauungsorgane", sagt Petri. Er plädiert für Fütterungsverbote in den Parks, "die auch durchgesetzt werden".

Verbotsschilder ohne große Auswirkungen

In den Wiesbadener Parkanlagen stehen an den Teichen entsprechende Verbotsschilder, die auf Anregung des Vogelschutzbeauftragten Weirich aufgestellt wurden. Große Auswirkungen haben sie nach Weirichs Beobachtung nicht. Früher habe er die fütternden Menschen angesprochen und informiert, sagt er. Dabei sei er auf ganz unterschiedliche Motive getroffen.

Manche kamen demnach mit ihren Kindern gezielt zum Füttern in den Park, andere vertrieben sich bei den Gänsen ihre Einsamkeit. Oder die Menschen hatten sich eine Brezel gekauft und diese als freundliche Geste mit den Gänsen geteilt.

Mittlerweile spricht Weirich keinen mehr an, es seien einfach zu viele, sagt er: "Wenn ich mit einem gesprochen habe, sehe ich schon den nächsten. Es ist schon bitter, ein Kampf gegen Windmühlen."

Weitere Informationen

Sendung: YOU FM, 10.10.2023, 9 Uhr

Ende der weiteren Informationen

Quelle: Sabine Maurer (dpa/lhe), hessenschau.de, Andrea Bonhagen