OLG Frankfurt bestätigt Urteil Kein Prozess wegen rechtsextremer Polizisten-Chats
Im Fall einer Polizisten-Chatgruppe mit rechtsextremen Inhalten wird es keinen Prozess gegen die Beamten geben. Das hat das Oberlandesgericht Frankfurt endgültig entschieden. Dennoch müssen die Beschuldigten mit dienstrechtlichen Konsequenzen rechnen.
Die fünf Polizisten des 1. Frankfurter Reviers und eine weitere Frau sollen rassistische und antisemitische Inhalte in einer Chatgruppe ausgetauscht haben. Das Landgericht hatte bereits im Februar vergangenen Jahres abgelehnt, ein Hauptverfahren zu eröffnen und ließ die Anklage gegen die Beschuldigten nicht zu. Die Staatsanwaltschaft legte daraufhin Beschwerde ein - allerdings erneut ohne Erfolg.
Gegen die Beschuldigten liege kein hinreichender Tatverdacht vor, teilte das Oberlandesgericht am Montag mit und bestätigte damit die Entscheidung des Landgerichts.
Entscheidung nicht anfechtbar
"Die Verwirklichung der in Betracht kommenden Tatbestände würde ein 'Verbreiten' von Inhalten erfordern", hieß es. Dieses Tatbestandsmerkmal sei nicht erfüllt. Die Entscheidung fiel bereits in der vergangenen Woche und ist nicht anfechtbar.
Konkret wurde den Beschuldigten vorgeworfen, in der Zeit von Herbst 2014 bis Herbst 2018 in verschiedenen Chatgruppen Bilder und Videos mit verbotenem Inhalt verbreitet zu haben. Dabei soll es sich überwiegend um Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen sowie volksverhetzende Inhalte gehandelt haben.
"Schwer erträgliche menschenverachtende Inhalte"
Auch die Chatgruppe namens "Itiotentreff" war Teil der Ermittlungen. In dieser wurden binnen eines Jahres mehr als 1.600 Nachrichten zwischen den sechs bis acht Mitgliedern der Gruppe ausgetauscht.
"Die Angeschuldigten haben zwar - insbesondere und vorrangig im Chat 'Itiotentreff' – in erheblichem Umfang teilweise nur schwer erträgliche menschenverachtende, rechtsextreme, gewaltverherrlichende, antisemitische, ableistische und rassistische Inhalte geteilt", führte das Oberlandesgericht aus. Dies begründe "erhebliche Zweifel an der Verfassungstreue der im Polizeidienst tätigen Angeschuldigten" und erfordere "dienstrechtliche Konsequenzen".
Nach früheren Angaben wurden unter anderem Darstellungen von Adolf Hitler, Hakenkreuze und weitere nationalsozialistische Symbole sowie Verharmlosungen des Holocausts geteilt. Strafbar seien die von der Anklage beschriebenen Handlungen allerdings nicht. Eine Verbreitung der Inhalte habe nicht stattgefunden.
Inhalte nur in privaten Chatgruppen
Die Inhalte seien in private, geschlossene Chatgruppen mit überschaubarem Personenkreis eingestellt worden, deren Mitglieder miteinander teilweise sehr eng verbunden gewesen seien. "In keinem Fall seien die von der Anklage erfassten Inhalte einem größeren Personenkreis zugänglich gemacht worden."
Eine Strafbarkeit sei nur gegeben, wenn die Gefahr besteht, dass die Inhalte an "eine unbestimmte Anzahl von Personen weitergegeben wird". Es lägen aber keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Beschuldigten von einer Verbreitung ihrer Nachrichten ausgingen oder dies billigten - auch deshalb nicht, weil sie angesichts der nationalsozialistischen und ausländerfeindlichen Inhalte dienstrechtliche Konsequenzen fürchten mussten.
Disziplinarverfahren sollen fortgeführt werden
Hessens Innenminister Roman Poseck (CDU) erklärte, die Gerichtsentscheidung sei zu "respektieren". Sie zeige aber zugleich eine "Strafbarkeitslücke" auf, die "umgehend zu schließen" sei. "Hass-Chatgruppen im öffentlichen Dienst sind unerträglich", sagte Poseck. Sie seien "strafwürdig - und zwar unabhängig davon, ob ein öffentliches Verbreiten von Inhalten erfolgt".
Die gegen die Beamten eingeleiteten Disziplinarverfahren sollen laut Poseck "jetzt umgehend fortgeführt" und "zeitnah" abgeschlossen werden. Sie wurden zunächst wegen des Vorrangs des Strafverfahrens ausgesetzt. Gegen die fünf Beamten wurde zudem das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte ausgesprochen. Drei von ihnen wurden vorläufig des Diensts enthoben, zwei erhalten nur einen Teil ihrer Bezüge.
"NSU 2.0"-Ermittlungen führten zur Chatgruppe
Die Chatgruppe von Beamten des 1. Frankfurter Polizeireviers war bei Ermittlungen zum "NSU 2.0"-Komplex aufgedeckt worden. Vor einigen Jahren waren rechtsextreme Drohschreiben mit dieser Unterschrift an zahlreiche Personen des öffentlichen Lebens versendet worden - in Anspielung auf die rechtsextreme Terrorzelle Nationalsozialistischer Untergrund (NSU). Als Verfasser wurde schließlich ein Mann aus Berlin zu einer Haftstrafe verurteilt.
In Gang gebracht hatte die Ermittlungen zum "NSU 2.0"-Komplex ein Schreiben, das im August 2018 per Fax bei der Frankfurter Rechtsanwältin Seda Basay-Yildiz eingegangen war, das erste Schreiben der Serie. Es enthielt persönliche Daten, die nicht öffentlich zugänglich waren und unbefugt von einem Dienstcomputer im 1. Frankfurter Polizeirevier abgefragt worden waren.
Ermittlungen dazu, die sich gegen einen Polizisten und eine Polizistin des Reviers richteten, wurden im Dezember 2023 eingestellt. Ein hinreichender Tatverdacht habe nicht begründet werden können.
Sendung: hr-iNFO, 15.07.2024, 14 Uhr
Ende der weiteren Informationen