Mordermittlungen Arzt aus Frankfurt soll acht Patienten in Berlin getötet haben

Ein Mediziner hat in Berlin mutmaßlich acht zumeist ältere Menschen mit tödlichen Medikamentengemischen umgebracht. Zuvor hatte der 40-Jährige in Frankfurt über derartige Tötungsdelikte promoviert. Patientenschützer fordern mehr Anlaufstellen für Hinweisgeber.

Ein Arzt trägt ein Stethoskop
Der Verdächtige soll zuletzt in Berlin als Palliativmediziner gearbeitet haben. Bild © picture-alliance/dpa (Archiv)
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Der im August in Berlin wegen mehrfachen Mordverdachts festgenommene Palliativmediziner stammt aus Frankfurt. Das hat die Generalstaatsanwaltschaft Berlin dem hr am Donnerstag bestätigt. Der 40-Jährige sei in Frankfurt geboren, habe dort studiert und promoviert.

Seine Doktorarbeit schrieb er nach hr-Informationen über Tötungsdelikte in Frankfurt. Ein Unterkapitel darin ist Tötungsdelikten an alten Menschen gewidmet.

Der Beschuldigte war zudem offenbar als Stationsarzt in der Radioonkologie des Nordwest-Krankenhauses in Frankfurt tätig. Darauf weisen Patienten-Bewertungen aus den Jahren 2011 und 2013 hin.

Ermittlungen auf acht Mordfälle ausgeweitet

Der 40-Jährige sitzt seit Anfang August in Untersuchungshaft - damals wegen des Verdachts, dass er vier Menschen tötete. Wie am Donnerstag bekannt wurde, wirft ihm die Berliner Generalstaatsanwaltschaft inzwischen vor, für den Mord an acht Patientinnen und Patienten in verschiedenen Berliner Gesundheitseinrichtungen verantwortlich zu sein.

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Als Mitarbeiter eines Pflegediensts soll er zwischen 11. und 24. Juni vier Patientinnen getötet und anschließend in ihren Wohnungen Feuer gelegt haben, um die Taten zu verdecken. Weil der Beschuldigte über die Tötung hinaus kein Motiv gehabt haben soll, gehen die Ermittler vom Mordmerkmal der Mordlust aus.

Ob es Verdachtsfälle in Frankfurt gibt, ist unklar

Die Auswertung von Patientenunterlagen und gerichtsmedizinischen Untersuchungen ergab laut Berliner Generalstaatsanwaltschaft vier weitere Verdachtsfälle, die sich bereits zuvor ereignet hatten:

  • Am 24. Juni 2022 soll der gebürtige Frankfurter einer 70-Jährigen in Berlin-Tempelhof ein "Gemisch verschiedener Medikamente" verabreicht haben, woraufhin sie starb.
  • Am 29. Januar 2024 wurde einem 70-Jährigen in Neukölln ebenfalls ein tödliches Medikamentengemisch verabreicht, ohne dass hierfür eine medizinische Indikation vorgelegen habe.
  • Am 4. April 2024 starb eine 61-Jährige in Schönefeld an einem Medikamentengemisch.
  • Am 29. April 2024 starb ein 83-Jähriger in einem Hospiz-Zimmer der DRK-Kliniken Köpenick.
Das Bild zeigt einen breiten Bürgersteig zwischen mehreren hohen Wohnhäusern und einer Reihe von Bäumen. Auf dem Bürgersteig sind Feuerwehrleute im Einsatz und Rettungskräfte - offenbar hat es in dem Haus dahinter gebrannt.
In einem Haus in Plänterwald im Berliner Bezirk Treptow-Köpenick hat es am 24. Juli 2024 gebrannt. Die Staatsanwaltschaft vermutet, dass ein Arzt das Feuer legte, um den Mord an einer Frau zu vertuschen. Bild © Berliner Feuerwehr

Das Morddezernat des Berliner Landeskriminalamts ermittelt. Offen ist, ob es in Frankfurt während der Beschäftigung des Mordverdächtigen zu Auffälligkeiten kam.

Die Mordermittlungen erinnern an den Fall Niels Högel. Der Pfleger wurde 2019 wegen 85-fachen Mordes in Kliniken in Delmenhorst und Oldenburg (beides Niedersachsen) verurteilt.

Weltweit rund 40 Mordserien in Krankenhäusern

Laut einer Übersichtsarbeit zu versuchten und vollendeten Serientötungen in Krankenhäusern, die 2023 im Deutschen Ärzteblatt veröffentlicht wurde, sollten Kliniken bei Ungereimtheiten eine Obduktion und toxikologische Untersuchungen anstreben sowie rasch mit internen Prüfungen beginnen. Dies habe auch eine abschreckende Wirkung. Im Ernstfall sollten auch frühere Todesfälle, bei denen man von einer natürlichen Ursache ausging, erneut unter die Lupe genommen werden.

Statistische Auffälligkeiten allein sollten jedoch auch nicht überbewertet werden. Generell seien solche Tötungsserien selten: Zwischen 1970 und 2006 wurden demnach weltweit 43 Serien und 305 nachgewiesene Opfer bekannt.

Patientenschützer fordern Whistleblower-System

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz forderte anlässlich der Ermittlungen die Etablierung eines sogenannten Whistleblower-Systems für Angehörige und medizinisch-pflegerische Beschäftigte, um "tödliche Algorithmen" zu identifizieren. Außerdem müssten in allen Ländern Schwerpunktstaatsanwaltschaften und zentrale Ermittlungsgruppen für Delikte in Pflege und Medizin eingerichtet werden, erklärte Vorstand Eugen Brysch. 

"Serientätern ist in der ambulanten Pflege und Medizin kaum auf die Schliche zu kommen", erklärte Brysch. Hier hätten Mörder leichtes Spiel, weil Krankheit und Tod zum Alltag gehörten. Selbst Künstliche Intelligenz versage, da es keine standardisierte Digitalisierung der Medikamentenabgabe und der Einsatzzeiten gebe.

Redaktion: Anja Engelke

Sendung: hr INFO,

Quelle: hessenschau.de, AFP