Mehr tödliche Pedelec-Unfälle "Das sind Höllenmaschinen"

Pedelecs sind in den vergangenen Jahren immer beliebter geworden. Damit steigt auch die Zahl der schweren und sogar tödlichen Unfälle mit diesen E-Bikes, wie die Statistik in Hessen für 2022 zeigt. Polizei und ADFC setzen auf präventive Sicherheitstrainings.

Ein schwarzer Helm liegt neben einem Fahrrad auf der Straße.
Bei Pedelec-Unfällen sind im Jahr 2022 in Nordhessen sechs Menschen tödlich verletzt worden. Bild © picture-alliance/dpa
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Eine 83 Jahre alte Radfahrerin ist am Sonntag bei einem Verkehrsunfall in Kassel schwer verletzt worden. Sie war mit einem Pedelec unterwegs, wie die Polizei mitteilte. Pedelecs sind Fahrräder mit Elektro-Motor, der beim Treten unterstützt.

Aus der zuletzt veröffentlichen Verkehrsunfallstatistik geht hervor, dass die motorisierten Fahrräder häufig in schwere Unfälle verwickelt sind.

Insgesamt starben im vergangenen Jahr 15 Pedelec-Fahrer in Hessen, allein sechs davon in Nordhessen. Damit ist dieser Teil Hessens trauriger Spitzenreiter im Bundesland.

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Studie: Fast jeder vierte Erwachsene in Hessen hat E-Bike oder Pedelec

Fahrräder mit Elektromotor werden immer beliebter. Aktuell besitzt fast jeder vierte Erwachsene in Hessen (23,4 Prozent) ein E-Bike oder Pedelec, wie eine vom Stromanbieters E.ON veröffentlichte Umfrage in diesem Jahr ergeben hat. Das Meinungsforschungsunternehmen Civey befragte dafür im März und April "bis zu 30.000 Bundesbürger ab 18 Jahren online". Die Daten seien auch auf regionaler Ebene repräsentativ. Im vergangenen Jahr lag die Quote bei 22,0 Prozent.

Das Polizeipräsidium Nordhessen hat den Pedelec-Trend bereits auf dem Schirm. Um in Zukunft schwerere Unfälle zu vermeiden, will man hier vor allem auf Prävention setzen, wie Sprecher Matthias Mänz sagte.

ADFC-Trainer: "Höllenmaschinen"

Zu dieser gehören auch Fahrsicherheitstrainings für Pedelec-Fahrer wie sie der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club Hessen (ADFC) in der Region Kassel anbietet.

Durchgeführt werden diese vom Pedelec-Experten Achim Gerland. Der 70-Jährige fährt bereits seit 2018 ein eigenes Pedelec. "Anfangs wollte ich die Grenzen austesten und ich kann sagen: Das sind wirklich Höllenmaschinen."

Achim Gerland steht mit seinem Pedelec in Kassel
Achim Gerland ist seit 2016 beim ADFC aktiv. Bild © hr/Lucas Maier

Kein Muster bei tödlichen Unfällen erkennbar

Die sechs tödlichen Unfälle in Nordhessen lassen aus polizeilicher Sicht kein Muster erkennen. Auch Gerland spricht von verschiedenen Faktoren, die bei Pedelecs zu schweren Unfällen führen.

Das eine seien die individuellen Faktoren. Hierbei würde laut Gerland gerade das Alter eine gewichtige Rolle spielen. "Im Alter lässt nun mal das Hören und Sehen nach."

Weitere Probleme seien eine falsche Selbsteinschätzung und die Kontrolle über das Pedelec. Dabei würden oft die Kräfte, die dort wirken, unterschätzt. "Die Physik schlägt eben gnadenlos zu."

Bund und Land planen Sicherheitsmaßnahmen

Fahrtrainings können hier aus Sicht des Experten für mehr Sicherheit sorgen. Bei diesen wird neben dem Kurvenfahren auch das Bremsen und Anfahren geübt.

Gerade in Kurven würden sich die Pedelecs durch die erhöhte Geschwindigkeit von herkömmlichen Fahrrädern unterscheiden, wie Gerland zu verstehen gibt.

Zur Sensibilisierung von Pedelec-Fahrern hat auch das Bundesverkehrsministerium unter dem Namen "Tour de Freude" eine Sicherheitskampagne gestartet. Auch in Hessen plant das Verkehrsministerium gemeinsam mit der Landesverkehrswacht weitergehende Verkehrssicherheitsmaßnahmen, wie das Ministerium auf Anfrage mitteilte.

Veraltete Radwege in der Kritik

Neben den persönlichen Faktoren spielt auch die Infrastruktur eine große Rolle. Der ADFC spricht sich nicht nur für mehr Radwege aus, sondern auch dafür, dass diese breit und sicher gestaltet werden, wie Gerland sagte.

Ähnliche Stimmen kommen auch aus der Opposition im hessischen Landtag. Veraltete Radweg-Führungen in Nordhessen kritisiert hier beispielsweise Axel Gerntke, verkehrspolitischer Sprecher der Linksfraktion. An vielen Stellen bräuchte es eine sichere getrennte Infrastruktur für Rad-, Fuß- und Autoverkehr, fordert er.

200 Radinfrastrukturprojekte in Hessen

Aktuell befinden sich in Hessen rund 200 Radwegeprojekte an Bundes- und Landesstraßen in der Bearbeitung, teilte Wolfgang Harms, Sprecher des hessischen Verkehrsministeriums mit.

2023 sollen weitere 13 Millionen Euro in Radwege investiert werden, das Investitionsvolumen soll im kommenden Jahr dann noch einmal um drei Millionen Euro steigen.

ADFC-Experte kritisiert Hessen

Die Projekte des Landes nimmt auch ADFC-Experte Gerland zur Kenntnis: "Es bewegt sich was im Lande." Allerdings sei Hessen grundsätzlich zu langsam bei den Bauprojekten.

Für die Zukunft sieht er zunächst keine Besserung. "Wenn das Verkehrsverhalten weiterhin so rücksichtslos bleibt, dann werden die Unfallzahlen hoch bleiben."

Anm. d. Red.: Die Angabe, jeder vierte Hesse besitze ein E-Bike oder Pedelec, bezieht sich anders als zuerst berichtet nur auf Menschen ab 18 Jahren. Die Gesamtzahl der getöteten Pedelec-Fahrer lag 2022 bei 15 und nicht wie anfangs berichtet bei neun. Wir bitten, die Fehler zu entschuldigen.

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Quelle: hessenschau.de/Daniel Bresser