Agroforst-Projekt in Trendelburg-Gottsbüren Wie Pflanzen und Gräben vor Hochwasser schützen sollen
Oberhalb des Trendelburger Ortsteils Gottsbüren entsteht derzeit ein Agroforst-Projekt. Gehölzpflanzungen und Sickergräben sollen bei Starkregenereignissen das Wasser in der Fläche halten. Kann das künftig vor Überschwemmungen schützen?
Auf einer Fläche oberhalb des Trendelburger Ortsteil Gottsbüren hebt ein Bagger auf einer drei Hektar großen Hangfläche Gräben aus, später werden hier verschiedene Nutzbäume und Sträucher gepflanzt. Die wilde Mischung soll künftig vor Hochwasserereignissen wie im August 2024 schützen und das Wasser dort halten, wo es gebraucht wird: auf den Feldern.

Das Projekt ist der Traum von Karoline Kronenberg. Schon seit 20 Jahren will sie ein Agroforstsystem für ihre Felder und Tierweiden anlegen. Gemeinsam mit der Uni Kassel und der Gemeinde Trendelburg kann sie das endlich verwirklichen. Künftig soll ihr Agroforst zum Hochwasserschutz beitragen.
"Wenn das Wasser unten im Dorf ist, ist es zu spät"
Agroforst ist eine Mischung aus Ackerbau und Waldbewirtschaftung. Der Forstwirt Philipp Gerhardt aus Wiesenberg (Brandenburg) hat sich darauf spezialisiert und sieht einen klaren Vorteil gegenüber einer herkömmlichen Feldbewirtschaftung - vor allem mit Blick auf den Hochwasserschutz.
Die meisten Hochwasser entstehen, weil ausgetrocknete Acker- oder Wiesenböden kein Wasser aufnehmen können und es ungebremst die Hänge runterläuft.
Die Mischung aus Sickergräben, Bäumen und Sträuchern halte das Wasser in der Fläche - und damit dort, wo die angebauten Pflanzen das Wasser brauchen, wie Gerhardt sagt. "Wenn es unten im Dorf ist, ist es zu spät."

Dabei schützen Flächen wie diese nicht nur vor Starkregenereignissen und Hochwasser, sie dienen auch als Dürreprävention.
Klimawandel braucht neue Konzepte
Agroforst-Systeme gibt es schon seit tausenden Jahren. Doch angesichts des Klimawandels erleben sie gerade eine neue Aufmerksamkeit. Die Bäume und Sträucher speichern nicht nur Wasser und festigen die Böden - sie sollen auch für bessere Erträge auf dem Acker sorgen.
Mit einem Entfernungsmesser auf dem Stativ vermisst Gerhardt die Lage für den nächsten Sickerungsgraben. Ein schwerer Bagger hebt ihn aus. Wenn alle Gräben gezogen sind, kann die Pflanzung von Bäumen und Sträuchern wie Walnuss, Birne, Elsbeere und Weide beginnen.
Von der Fläche aus kann man zum Ortskern runterschauen. Die Tallage ist dem 700 Einwohner-Dorf im August vergangenen Jahres zum Verhängnis geworden. Nach einem Starkregen schossen die Wassermassen von den Feldern bergab, fluteten den Ort. Noch Monate später sind nicht alle Schäden beseitigt.
Interesse an Agroforst-Projekt gestiegen
Kronenberg freut sich darauf, wenn ihre drei Hektar Land umgestaltet sind. Sie ist Tierärztin und hält einige Pferde und Rinder. Die Landwirtschaft ist für sie ein Hobby. Die Pläne für die Weiden und landwirtschaftlichen Flächen hatte sie schon lange vor dem extremen Unwetter in Gottsbüren - doch seitdem habe das Interesse immens zugenommen.
Ursprünglich habe sie im Vorfeld Werbung für ihr Vorhaben machen wollen, doch das war gar nicht nötig, sagte sie. Bei einer Bürgerversammlung hat die Stadt erst kürzlich die Trendelburger über das Vorhaben informiert.

Bürgermeister Manuel Zeich (parteilos) zieht eine positive Bilanz von der Veranstaltung. Die Gottsbürener würden jetzt genau darauf schauen, was bei einem erneuten Starkregenereignis passiere, so Zeich: "Kriegen wir das Wasser besser zurückgehalten, kommt es zeitversetzt im Ort an und haben wir dadurch einen besseren Hochwasserschutz?"
Finanzierung auf mehreren Schultern verteilt
Zuschüsse gab es für das Pionierprojekt "Salix" aus dem Rathaus nicht. Hobby-Landwirtin Kronenberg hat selbst Geld in die Planung investiert. Dazu fließen Fördermittel über die Uni Kassel, denn die Fläche ist Teil des Uni-Projekts "KasselAgroForst".
Agraringenieurin Birge Wolf vernetzt Kommunen und Landwirte in der Region, die sich für den Wasserrückhalt durch Agroforst interessieren. Es gebe einige Pioniere, sagt sie, doch im großen Maßstab habe sich Agroforst noch nicht durchgesetzt. Das liege auch an der Finanzierung.

Die Investition in die Zukunftssicherung könne nicht allein den Landwirten aufgebürdet werden, bekräftigt Wolf. "Da müssen alle mit ran, damit wir wirklich zu einer Landschaft kommen, die den Klimawandel abpuffern kann und klimaresilient ist."
Weidengeflecht als vielfältiger Baustoff
Auf der Fläche werden dazu verschiedene, schnellwachsende Weidensorten erforscht. Die Pflanzen spielen durch ihr weit verzweigtes Wurzelgeflecht eine besondere Rolle für den Wasserrückhalt, außerdem haben sie eine hohe Bedeutung für Insekten.
Dazu sind sie äußerst vielfältig. Aus der Rinde wird Salicylsäure gewonnen, die in Medizin und Kosmetik eingesetzt wird. In einem weiteren Projekt der Kassler Uni wird das Holz zu einem Endlosfaden gesponnen, der zu diversen Produkten wie beispielsweise Fassadenelementen weiterverarbeitet werden kann.
Grundstücksbesitzerin Kronenberg ist gespannt, wie ihre Fläche in zehn Jahren aussehen wird. Von ihrem Engagement wird auf jeden Fall die Natur profitieren. "Ich denke, dass das hier ein paradiesischer Platz werden wird - das stelle ich mir sehr schön vor."
Einen Unterschied bei Starkregen wird ihre Fläche alleine nicht machen. Sie hofft daher, dass bald noch mehr Landwirte auf Agroforst setzen.