Neun Angeklagte Prozess gegen Reichsbürger-Gruppe um Prinz Reuß beginnt in Frankfurt
Das Hauptverfahren im Fall des mutmaßlichen Reichsbürger-Netzwerks rund um Heinrich XIII. Prinz Reuß beginnt am 21. Mai in Frankfurt. Die Gruppe soll einen Regierungsumsturz mit Waffengewalt geplant haben.
Wie das Oberlandesgericht in Frankfurt (OLG) am Dienstag mitteilte, wurde mit Beschluss vom 22. März das Hauptverfahren eröffnet und die Anklage der Bundesanwaltschaft zugelassen. Die Verhandlung soll am 21. Mai beginnen.
Vor dem Staatsschutzsenat müssen sich neun Menschen verantworten, darunter der mutmaßliche Rädelsführer der Reichsbürger-Gruppe, der Frankfurter Geschäftsmann Heinrich XIII. Prinz Reuß. Die Bundesanwaltschaft legt ihnen zur Last, Mitglied in einer terroristischen Vereinigung gewesen zu sein beziehungsweise diese unterstützt zu haben.
Die Gruppe soll ab August 2021 geplant haben, das demokratische System Deutschlands mit Gewalt zu stürzen und durch eine eigene, bereits in Grundzügen ausgearbeitete Staatsform zu ersetzen.
Gruppe hortete hunderte Waffen
Die Vereinigung habe unter anderem über einen kabinettsähnlich strukturierten "Rat", einen "militärischen Arm" sowie über finanzielle Mittel in Höhe von 500.000 Euro verfügt.
Als zweiten Rädelsführer nannte die Bundesanwaltschaft Rüdiger von P., laut Medienberichten ein ehemaliger Fallschirmjäger-Kommandeur.
Die Gruppe soll den Angaben zufolge Zugriff auf ein massives Waffenarsenal mit rund 380 Schusswaffen, 350 Hieb- und Stichwaffen, fast 500 weiteren Waffen und 148.000 Munitionsteilen gehabt haben. Für den Umsturz seien gezielt Soldaten und Polizisten angesprochen worden, teilte die Bundesanwaltschaft mit.
Teil der Pläne waren auch "Feindeslisten"
Das Waffenarsenal sollte der Bundesanwaltschaft zufolge nicht nur zur Einschüchterung dienen. Es sei den Beteiligten bewusst gewesen, "dass die geplante Machtübernahme mit der Tötung von Menschen verbunden wäre". Teil der Pläne waren demnach auch "Feindeslisten" von Funktionsträgern auf Bundes-, Landes-, Kreis- und kommunaler Ebene.
Mitglieder und Interessenten mussten laut der Anklagebehörde eine Verschwiegenheitserklärung unterzeichnen. "Verstöße dagegen sollten als Hochverrat mit der Todesstrafe geahndet werden."
"Tiefe Ablehnung der staatlichen Institutionen"
Strukturen für eine eigene Staatsordnung hatte die Gruppe nach früheren Angaben schon ausgearbeitet. Als Staatsoberhaupt hätte Prinz Reuß fungieren sollen. Auch Ressorts seien schon verteilt gewesen: So hätte die frühere AfD-Bundestagsabgeordnete und ehemalige Richterin Birgit Malsack-Winkemann für Justiz zuständig sein sollen. Laut Bundesanwaltschaft plante die Vereinigung, mit einer bewaffneten Gruppe in das Reichstagsgebäude in Berlin einzudringen, um dort Abgeordnete des Bundestags festzunehmen und so den Systemumsturz herbeizuführen.
Die Angehörigen habe eine "tiefe Ablehnung der staatlichen Institutionen und der freiheitlichen demokratischen Grundordnung verbunden", heißt es in der Mitteilung des Oberlandesgerichts vom Dienstag. Sie seien einem Konglomerat aus Verschwörungsmythen, unter anderem aus der sogenannten Reichsbürger- und Selbstverwalterszene sowie der QAnon-Ideologie gefolgt.
Tatverdächtiger vor Prozessbeginn gestorben
Vor dem OLG sollte ursprünglich zehn mutmaßlichen Mitgliedern der Prozess gemacht werden. Ein 72 Jahre alter Tatverdächtiger starb aber vor Prozessbeginn. Er war bei einer groß angelegten Anti-Terror-Razzia festgenommen worden, wurde aber wegen schwerer Krankheit seit Anfang Januar 2024 von der Untersuchungshaft verschont.
Das mutmaßliche Netzwerk war bei der Großrazzia am 7. Dezember 2022 aufgedeckt worden. Die Bundesanwaltschaft hatte in mehreren Bundesländern, Österreich und Italien 25 Frauen und Männer festnehmen lassen.
Drei Oberlandesgerichte mit Anklagen befasst
Der Kreis der Verdächtigen ist weitaus größer und wuchs im Zuge der Ermittlungen. Viele von ihnen sitzen in Untersuchungshaft. Der 71 Jahre alte Prinz Reuß war im Rahmen der Razzia in Frankfurt festgenommen worden, in Hessen gab es außerdem je eine Festnahme in Heppenheim und in Wetzlar.
Insgesamt hat die Bundesanwaltschaft 27 Verdächtige angeklagt - auch vor den Oberlandesgerichten in München und Stuttgart. Die beiden Verfahren gegen insgesamt 17 weitere mutmaßliche Mitglieder wurden bereits eröffnet.
In Frankfurt sind vor allem die vermutlichen Rädelsführer angeklagt, in Stuttgart - wo der Prozess gegen neun Angeklagte am 29. April soll - der sogenannte militärische Arm, und in München die übrigen mutmaßlichen Mitglieder.
Die sogenannten Reichsbürger in Deutschland behaupten, dass das Deutsche Reich (1871-1945) weiter existiert, daher ihr Name. Die Bundesrepublik und ihre Gesetze erkennen sie nicht an.
Redaktion: Clarice Wolter
Sendung: hr-iNFO, 02.04.2024, 11 Uhr