Keine juristische Aufarbeitung Prozess geplatzt: 100 Jahre alter früherer KZ-Wachmann ist tot

Es war eine der letzten Gelegenheiten für eine Aufarbeitung der NS-Gräueltaten: In Hanau sollte einem Mann der Prozess gemacht werden, dem Beihilfe zum Mord in mehr als 3.000 Fällen vorgeworfen wurde. Jetzt ist der ehemalige Wachmann des KZ Sachsenhausen gestorben.

Das Gebäude des Hanauer Amts- und Landgericht von der gegenüberliegenden Straßenseite fotografiert.
Landgericht Hanau Bild © picture-alliance/dpa

Der geplante Prozess gegen einen mutmaßlichen NS-Verbrecher am Landgericht Hanau ist Geschichte, bevor er starten konnte: Der Angeklagte ist im Alter von 100 Jahren gestorben, ehe das Landgericht über eine Eröffnung des Verfahrens entscheiden konnte. Das teilte ein Sprecher am Mittwoch mit.

Demzufolge waren Gutachter dabei, die Verhandlungsfähigkeit des Mannes aus dem Main-Kinzig-Kreis zu prüfen, als die Sterbeurkunde beim Gericht einging.

Die Staatsanwaltschaft Gießen hatte ihm im August 2023 in ihrer Anklage vorgeworfen, von 1943 bis 1945 Aufseher im Konzentrationslager Sachsenhausen nördlich von Berlin gewesen zu sein. Dort soll er in mindestens 3.322 Fällen Beihilfe zum Mord an Häftlingen geleistet haben.

Angehöriger eines SS-Totenkopf-Wachbataillons

Die juristische Aufarbeitung stockt seit der Anklageerhebung, denn das Landgericht Hanau lehnte die Zulassung der Anklage im Mai 2024 mit Verweis auf den gesundheitlichen Zustand des damals 99 Jahre alten Mannes zunächst ab. Dagegen legte die Staatsanwaltschaft erfolgreich Beschwerde ein, weswegen es zur neuerlichen Überprüfung kam.

Der Anklage zufolge hatte der 99-Jährige als Angehöriger eines SS-Totenkopf-Wachbataillons die Häftlinge bewacht. Auch mit der Bewachung von Häftlingstransporten und der Überführung von Häftlingen vom Bahnhof in das Hauptlager sei er beauftragt worden.

Weitere Informationen

KZ Sachsenhausen

Im Konzentrationslager Sachsenhausen etwa 35 Kilometer nördlich von Berlin waren von 1936 an etwa 204.000 Menschen von den Nazis interniert worden. Zehntausende kamen durch Hunger, Krankheiten, Zwangsarbeit und Misshandlungen um oder wurden Opfer von Vernichtungsaktionen der SS. Auf Todesmärschen nach der Evakuierung des Lagers Ende April 1945 starben weitere Tausende Häftlinge.

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Womöglich letzte Chance auf NS-Prozess verstrichen

Der Prozess gegen den ehemaligen KZ-Aufseher hätte vor der Jugendstrafkammer des Hanauer Landgerichts verhandelt werden sollen. Das liegt daran, dass der Verstorbene zum Zeitraum der angeklagten Taten noch Heranwachsender war. Im Jugendstrafrecht gilt das Wohnortprinzip, daher wurde das Verfahren gegen den Mann aus dem Main-Kinzig-Kreis in Hanau geführt.

Der Frankfurter Generalstaatsanwalt Torsten Kunze hatte in der Vergangenheit auf die historische Dimension des Verfahrens hingewiesen. Im Dezember 2024 hatte Kunze die Hoffnung geäußert, den womöglich letzten Prozess überhaupt gegen einen Verbrecher der NS-Zeit durchführen zu können. Daraus wird nun nichts mehr.

Den überraschenden Tod des Mannes bezeichnete das Hanauer Landgericht in seiner Mitteilung als "nicht mehr zu behebendes Verfahrenshindernis".

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