Prozess wegen Steuerhinterziehung Promi-Zahnärzten droht Gefängnis

Sportwagen als Betriebsausgaben und Bargeld für Behandlungen: Drei Zahnärzte aus Pfungstadt sollen jahrelang Steuern in Millionenhöhe hinterzogen haben. Zu ihren Kunden zählten Prominente wie der Modedesigner Harald Glööckler.

Prozess gegen Pfungstädter Zahnärzte im Landgericht Darmstadt
Prozess gegen Pfungstädter Zahnärzte im Landgericht Darmstadt Bild © Silke Sutter (hr)
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Ein Hauch von Hollywood umweht die Zahnklinik in Pfungstadt, Stars und Sternchen, wie etwa Harald Glööckler oder Brigitte Nielsen, sollen sich hier bereits ihre Zähne gerichtet haben. "Neue Zähne an einem Tag", lautet der Werbeslogan – abends einschlafen und mit neuen Zähnen aufwachen.

"Ich wusste mich in besten Händen. Wir wurden Freunde", schrieb Modedesigner und Paradiesvogel Glööckler vor gut zehn Jahren über die Klinik. Laut Bild-Zeitung soll er 50.000 Euro für die Behandlung gezahlt haben.

Es lässt sich offenbar gutes Geld mit Gebissen und Implantaten verdienen, aber das hat den Betreibern der Klinik - die Zwillinge Andreas und Thomas J. sowie ihre Schwester - offenbar nicht gereicht.

Seit Dienstag stehen die Geschwister vor dem Darmstädter Landgericht, die Staatsanwaltschaft wirft ihnen "bandenmäßige" Steuerhinterziehung im großen Stil vor. Ein Unternehmensberater aus Berlin soll ihnen dabei geholfen haben, auch er ist angeklagt. Anklage wurde bereits 2020 erhoben.

Bis zu 13 Porsche

Laut Oberstaatsanwalt Markus Birdzag sollen die Zwillinge zwischen 2010 und 2013 rund eine Million Euro Steuern hinterzogen haben, zudem sollen sie versucht haben, eine weitere Million zu hinterziehen. Die Schwester soll den Staat um rund eine Million Euro betrogen und versucht haben, weitere 608.000 Euro zu hinterziehen.

Dazu sollen die Brüder mitunter Rechnungen fingiert und Einnahmen falsch verbucht haben. Zudem sollen sie für Behandlungen mit Bargeld in Höhe von 823.000 Euro bezahlt worden sein. Rund um ihre Gemeinschaftspraxis hätten die Mediziner mehrere Unternehmen aufgebaut, unter anderem eine Marketingagentur, über die sie Sportwagen als Betriebsausgaben abgesetzt aber ausschließlich privat genutzt haben sollen.

Bis zu 13 Porsche sollen die Zwillinge laut Staatsanwaltschaft zeitweise besessen und unter anderem bei verschiedenen Rennen mit ihrem eigenen Motorsportteam eingesetzt haben. Auch ihre eigene Mutter, die mittlerweile 89 Jahre alt ist, sei zeitweise in einem der Unternehmen beschäftigt gewesen.

Schwester nimmt Deal an

Die kriminelle Energie ging laut Anklage hauptsächlich von den Zwillingen aus, die Schwester sei mehr oder weniger mit hineingezogen worden. Zum Prozessauftakt hatte Richter Mathis Dreher den Angeklagten einen Deal vorgeschlagen: Sollten beide Ärzte gestehen, könnten sie mit Haftstrafen zwischen 2,5 und drei Jahren rechnen. Das Verfahren gegen die Schwester könne mit einer Zahlung von 125.000 Euro eingestellt werden.

Die Schwester nahm den Deal am Mittwoch, dem zweiten Verhandlungstag, an. Sie verpflichtet sich, das Geld an mehrere soziale Einrichtungen zu spenden und umgeht somit eine Haftstrafe. Im Fall der Zwillinge kam es dagegen nicht zu einer Einigung.

Zwar erklärte sich die Verteidigung grundsätzlich bereit zu einer sogenannten Verständigung, allerdings gibt es noch Unstimmigkeiten bezüglich der Schadensumme. Während die Anklage eine Summe in Höhe von 1,5 Millionen Euro nennt, geht die Verteidigung lediglich von rund 600.000 Euro wegen versuchter Steuerhinterziehung aus. Das müsse erst geklärt werden, sagte Verteidiger Nils Kröber: "Wir können nicht vorschnell Existenzen aufs Spiel setzen." Kommende Dienstag soll der Prozess fortgesetzt werden.

Brand in Klinik

Wenige Tage vor Prozessbeginn war in der Klinik in Pfungstadt ein Feuer ausgebrochen, laut Polizei ist dabei teure Laboreinrichtung beschädigt worden. Die Praxis spricht auf ihrer Homepage von einem "erheblichen Schaden", Behandlungen könnten derzeit nicht durchgeführt  werden, zudem sei die Klinik weder telefonisch noch online erreichbar. Laut Polizei laufen die Ermittlungen zur Brandursache noch, es ist unklar, ob es einen Zusammenhang zum Prozess gibt.

"Wir wissen nicht, wie es jetzt weitergeht", sagte Andreas J. zum Prozessauftakt unter Tränen. Aber es könnte gut sein, dass sich Harald Glööckler zumindest für eine Weile eine andere Zahnpraxis suchen muss.

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Sendung: hr4, 19.09.2023, 16.30 Uhr

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Anm. d. Red.: Wir haben im Nachhinein den Vornamen einer Person aus dem Text genommen, weil diese Person von den Vorwürfen freigesprochen wurde.

Quelle: Raphael Stübig (hr), Silke Sutter (hr), Julian Moering (hr)