Geschäftsführer der Polizeigewerkschaft im Interview Rechtsextreme Chats: "Wir müssen zwischen Strafrecht und Moral unterscheiden"
Fünf Polizisten sollen in einer Chatgruppe rassistische Inhalte ausgetauscht haben. Das Frankfurter Landgericht hält das nicht für strafbar. Der Geschäftsführer der Polizeigewerkschaft in Hessen sieht den Beschluss mit gemischten Gefühlen.
Fünf Polizisten eines Frankfurter Reviers und eine weitere Frau sollen rassistische und antisemitische Inhalte in einer WhatsApp-Gruppe ausgetauscht haben. Das Frankfurter Landgericht hält das nicht für strafbar und hat eine Anklage gegen sie nicht zugelassen. Das Argument: Teile der Inhalte fielen unter Satire und seien von der Kunstfreiheit gedeckt. Außerdem seien die Inhalte nicht verbreitet worden.
Der Geschäftsführer der Deutschen Polizeigewerkschaft Hessen, Alexander Glunz, blickt mit gemischten Gefühlen auf diesen Beschluss. Im Interview erklärt er, warum auch eine Suspendierung der Polizisten unwahrscheinlich ist und welche Konsequenzen ihnen trotzdem drohen könnten.
hessenschau.de: Herr Glunz, überwiegt bei Ihnen die Enttäuschung oder die Erleichterung?
Alexander Glunz: Weder noch. Dass Gerichte über Anklagen entscheiden, passiert täglich. In dem Fall hat das Landgericht Frankfurt entschieden, dass keine Strafbarkeit vorliegt, unter anderem weil es keine Außenwirkung gab. Das ist so zu akzeptieren und hinzunehmen, solange das Oberlandesgericht Frankfurt das nicht anders sieht.
hessenschau.de: Aber als Polizeigewerkschaft haben Sie doch sicher eine Haltung dazu.
Glunz: Wir sehen das schon mit gemischten Gefühlen. Der Vorgang hat besonders die hessische Polizei belastet. Wir sind froh, wenn das Ganze zu einem Abschluss kommt, weil uns das schon sehr lange beschäftigt. Die Anklageerhebung war im April 2022. Es hat in der ganzen hessischen Polizei für viel Verunsicherung gesorgt. Wenn es nun langsam zu einem Schlussstrich kommt, werden wir das entsprechend akzeptieren.
Wir müssen auch unterscheiden zwischen einer strafrechtlichen Verfolgung und der moralischen Verwerflichkeit. Dass das moralisch verwerflich ist, ist ein ganz anderer Fakt.
hessenschau.de: Das Gericht argumentierte mit Kunstfreiheit und Satire. Wie künstlerisch oder satirisch finden Sie die ausgetauschten Bilder?
Glunz: Mich hat das schon entsetzt, was teilweise verschickt wurde und das hätte ich so auch nicht erwartet. Das ist sehr bedauerlich. Ob so jemand tatsächlich in den Polizeidienst gehört, ist eine Frage, die man sich zu stellen hat.
Wir haben nach dem Abschluss der strafrechtlichen Verfolgung noch die Möglichkeit eines Disziplinarverfahrens. Während des Strafverfahrens ruht das Disziplinarverfahren in der Regel, weil man nicht doppelt ermitteln will. So ein Verfahren kann durchaus erhebliche Folgen haben. Es fängt bei einfachen Dingen wie einer Rüge oder einem Verweis an und geht im Zweifelsfall sogar in hohe Geldstrafenbereiche.
hessenschau.de: Könnte es auch Suspendierungen geben?
Glunz: Das ist eher ausgeschlossen, insbesondere wenn im Strafverfahren festgestellt wurde, dass strafrechtlich nichts zu holen ist. Möglich wäre es, aber nein, das glaube ich nicht.
hessenschau.de: Macht der Beschluss die erhoffte Transparenz bei der Polizei nicht wieder zunichte? Und wird die transparente Aufarbeitung der Polizei selbst nun nicht umso wichtiger?
Glunz: Das stimmt. Die transparente Aufarbeitung fand schon auf breiter Ebene statt. Es wurden Veranstaltungen abgehalten und das Thema wurde in der gesamten hessischen Polizei besprochen. Einige der versendeten Bilder wurden auch Kollegen gezeigt und es herrschte Bestürzung in der Kollegenschaft.
Es wurden Sensibilität und neue Strukturen geschaffen, um eine engere Sozialkontrolle zu ermöglichen. Die Kommunikation in der Polizei wurde verbessert, um frühzeitig Tendenzen zu erkennen und Maßnahmen zu ergreifen.
hessenschau.de: Die Staatsanwaltschaft hat Beschwerde gegen den Nichteröffnungs-Beschluss beim Oberlandesgericht eingelegt. Wie stehen Sie dazu?
Glunz: Das ist ein Mittel der Staatsanwaltschaft. Dazu hat sie ein gutes Recht. Wenn sie der Ansicht gewesen wäre, dass keine Strafbarkeit erkennbar ist, hätte sie die Anklage beim Landgericht nicht eingereicht. Ich gehe davon aus, dass das Oberlandesgericht nach bestem Wissen und Gewissen eine Entscheidung treffen wird.
Das Gespräch führte Emal Atif.
Sendung: hr-iNFO, 28.02.2023, 17 Uhr
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