Reichsbürger-Prozess in Frankfurt Angeklagter Maximilian E. spricht ausschweifend über seinen Weltschmerz

Am zehnten Prozesstag gegen die mutmaßliche Reichsbürger-Gruppe um Heinrich XIII. Prinz Reuß hat der Angeklagte Maximilian E. seine Aussage fortgesetzt. Seine detailreiche Erzählung gipfelte in Anspielungen auf einen möglichen Suizid.

Der Angeklagte Maximilian E. mit seinen Anwälten vor dem Oberlandesgericht Frankfurt.
Der Angeklagte Maximilian E. mit seinen Anwälten vor dem Oberlandesgericht Frankfurt. Bild © picture-alliance/dpa
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Dass Anwälte die Ausführungen von Zeugen, Anklage oder Vorsitzenden Richtern unterbrechen, ist alles andere als ungewöhnlich. Dass sie die Ausführungen ihrer eigenen Mandanten abwürgen, kommt schon deutlich seltener vor.

Rechtsanwalt Ralf Dalla Fini muss am Dienstag vor dem Frankfurter Oberlandesgericht allerdings gleich mehrfach einschreiten, um dafür zu sorgen, dass sein Mandant, der eigentlich nur zu seinen persönlichen Verhältnissen aussagen soll und sich dabei in umfangreichen Ausführungen zu Militärgeschichte, Strategie, Philosophie und einem guten Dutzend weiterer Themen verheddert, auch irgendwann den Weg zurück findet. Ein aussichtsloses Unterfangen - wie sich schnell zeigt.

Maximilian E., angeklagt wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und der Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens, kann nicht anders. Er will seine Gedankenwelt und sein Leben in aller Ausführlichkeit ausbreiten. Und dazu gehört offenkundig auch eine Idee davon, wie dieses zu enden hat.

Neuen Hungerstreik angedeutet

"Ich werde diesem Gremium noch begrenzte Zeit zur Verfügung stehen und dann meine entsprechenden Maßnahmen ergreifen. Sie wissen, was gemeint ist", sagt E. zum Ende des mittlerweile zweiten Sitzungstages, der sich ausschließlich seiner Biografie widmet. Schon zuvor hatte er mehrfach erklärt, dass er "diese Welt, so wie sie ist", nicht ertrage.

Er wolle seine Schuldigkeit tun und zur Entlastung der Mitangeklagten beitragen. Auch zwei Bücher habe er noch fertigzustellen. "Wenn alles erledigt ist, werde ich den Weg gehen, wie ich ihn schon aufgezeigt habe." Eine Anspielung auf den mehrwöchigen Hungerstreik, in den Maximilian E. im April letzten Jahres getreten war, und den er nach 35 Tagen abbrach. Der vorsitzende Richter lässt dieses Kokettieren mit dem Suizid unkommentiert. Auch die Verteidigung greift nicht ein.

Es ist ein bizarrer Höhepunkt in einer eh schon merkwürdigen Einlassung. Die Anklage wirft E. vor, einer der Initiatoren der mutmaßlichen Verschwörung um Heinrich XIII. Prinz Reuß gewesen zu sein, die den gewaltsamen Umsturz in der Bundesrepublik geplant haben soll. E. sei einer der führenden Köpfe des militärischen Arms der verhinderten Putschistentruppe gewesen. Er soll unter anderem versucht haben, Soldaten zu werben sowie eine Erstürmung des Reichstags in Berlin vorzubereiten, um Parlamentarier festzunehmen.

"Immer ein Staatsbürger in Uniform gewesen"

Bereits am vergangenen Donnerstag hatte der Ex-Oberst den ersten Teil seiner Biografie, die vor allem von seiner Bundeswehrlaufbahn geprägt wurde, geschildert. Seine Einlassung begann mit einer mehrminütigen Erklärung, warum er inzwischen lange Haare trägt und mäanderte schließlich in unzähligen Anekdoten, Zitaten und Exkursen durch seinen Aufstieg vom Wehrdienstleistenden zum Gründungsmitglied des Kommandos Spezialkräfte (KSK) Ende der 1990er Jahre.

Am Dienstag durfte E. seine epische Erzählung in eigener Sache fortsetzen. So schilderte er seine Offiziersausbildungen - inklusive detaillierten Erläuterungen zu einzelnen Lehrinhalten und dem Verhalten von Vorgesetzten -, seinen Auslandseinsatz im Kosovo, die Tätigkeit im Brüsseler NATO-Hauptquartier und als NATO-Verbindunsgoffizier in Georgien. Immer wieder verweist er dabei auf Beurteilungen durch Vorgesetzte, die ihm etwa "Gradlinigkeit", "starkes soziales Engagement" und "Führungsqualitäten" bescheinigten.

Die Quintessenz von Maximilian E.s Erzählung über Maximilian E. ist, dass Maximilian E. ein Soldat und Offizier war, der sich stets der Truppe und den Menschen um ihn herum verpflichtet gefühlt habe. Er vertrete "universelle Werte" wie Humanismus, die sein Handeln leiten, betont er mehrfach. Gleichzeitig sei er immer bereit gewesen, auch Vorschriften zu umgehen, um seine Aufgaben zu erfüllen. Zeit seines Lebens habe er auf dem Boden des Grundgesetzes gestanden. "Ich bin immer ein Staatsbürger in Uniform gewesen."

Fans halten zu Maximilan E.

Trotz der grundsätzlich positiv verlaufenen Bundeswehr-Karriere, schied Maximilian E. 2016 im Streit mit seinen Vorgesetzten aus dem Heer. Anlass waren wohl Eigenmächtigkeiten während seiner Zeit in Georgien. Auch seine Ehe geht in dieser Zeit in die Brüche. Ein Grund war offenbar, dass E. mit dem Familienvermögen etwas zu spendabel umging und Kredite vergab, die nicht zurückgezahlt wurden.

Den Ausführungen des Angeklagten lauschen neben Prozessbeteiligten und Journalistinnen auch gut ein halbes Dutzend Sympathisanten im Zuschauerraum der improvisierten Gerichtshalle in Frankfurt-Sossenheim. Schon an den ersten Prozesstagen formten sie mit ihren Händen Herzen, wenn E. den Gerichtssaal betrat. Nun verfolgen sie gebannt seine Erzählung von Aufstieg, Absturz, Wiedergeburt. "Der Mann ist einfach berufen", stellt eine sichtlich bewegte Zuschauerin in einer der zahlreichen Prozesspausen fest. Wozu genau, bleibt offen.

Seine Anhängerschaft hat sich Maximilian E. während der Corona-Zeit aufgebaut - als Redner bei Demonstrationen gegen die Anti-Corona-Maßnahmen der damaligen Bundesregierung, bei denen er auch schon mal androhte, das KSK nach Berlin zu schaffen, um Politiker festnehmen zu lassen.

Pädophilen-Verschwörung im Mittelpunkt

Es ist ein Thema, dass E. auch fast zwei Jahre nach Ende der Pandemie immer noch emotional mitnimmt. Er habe als Soldat im Kosovo dafür gesorgt, dass die Grundrechte der dort lebenden Bevölkerung geachtet würden. Nun habe er mitansehen müssen, wie in Deutschland "solche Rechte mit Füßen getreten werden". Er habe sich verpflichtet gefühlt, sich für den Erhalt von Grund- und Freiheitsrechten einzusetzen - seine Fans würde wohl sagen: berufen.

Doch noch ein viel dunkleres Thema beschäftigt zu diesem Zeitpunkt Maximilan E.: SRP - Satanistische rituelle Pädophilie. Der klandestine sexuelle Missbrauch von Kindern durch geheime Zirkel steht auch im Mittelpunkt von Verschwörungstheorien, denen nach Ansicht der Anklage ein Großteil der Angeklagten in den drei Prozessen gegen die "Guppe Reuß" angehangen haben soll.

Mehrere zehntausend Euro sollen sie unter anderem an ein Schweizer Brüderpaar übergeben haben, die im Gegenzug unterirdische Militäranlagen ausfindig machen sollten, in denen angeblich massenhaft Kinder gefoltert werden. "Lange Zeit habe ich mit mir gehadert, ob das stimmen kann", sagt Maximilian E. Inzwischen scheint er keine Zweifel mehr zu haben. Dass die Abkürzung für derartige "Deep Underground Military Bases" (DUMB) dem englischen Wort für "dumm" entspricht, scheint weder ihm noch sonst jemanden in der Gruppe zu denken gegeben zu haben.

Auch Prinz Reuß will aussagen

Inzwischen hat Maximilian E. den Kontakt zu seiner Familie und zu Freunden abgebrochen. Die Medien hätten mit ihrer vorverurteilenden Berichterstattung dazu beigetragen. Er selbst wolle das inzwischen aber auch - nicht zuletzt, um seine Familie zu schützen. E. gibt zu verstehen, dass er sich mit 65 Jahren am Ende seines Lebensweges wähnt. "Irgendwo ist meine Resilienz begrenzt." Seine Geschichte soll wohl, wenn es nach ihm geht, im Märtyrertum enden.

Maximilian E. ist damit der dritte Angeklagte, der sich selbst im Prozess geäußert hat. Am kommenden Freitag soll der Namensgeber des Prozesses folgen: Auch Heinrich XIII. Prinz Reuß will sich zu seinen persönlichen Verhältnissen äußern. Ob er wirklich dazu kommt, ist ungewiss. Einige Anwälte haben noch Fragen - an Maximilian E.

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Quelle: hessenschau.de