Schlechte Work-Life-Balance: Bankräuber beklagen Fachkräftemangel
Geldautomaten-Sprengungen boomen, der klassische Bankraub hingegen ist selten geworden. Am Montag aber wollte sich ein Duo in Neu-Isenburg an der altgedienten Kunst des Überfalls auf ein Geldinstitut versuchen. Erfolglos.
Nach Angaben der Polizei hatte gegen 16.20 Uhr am Montag ein mit Baseball-Mütze und FFP2-Maske vermummter Mann die Filiale auf der Frankfurter Straße in Neu-Isenburg (Offenbach) betreten. So weit, so klassisch - wenn man von der erst im Zuge der Pandemie in Mode gekommenen Gesichtsbedeckung absieht. Doch wer jetzt erwartet, dass der Täter im Anschluss ebenso klassisch eine Pistole zieht, einen Warnschuss in die Decke abgibt und mit grölender Stimme "Das ist ein Überfall" verkündet, woraufhin sich Personal und Kunden zu Boden werfen, der wird enttäuscht.
Erster Banküberfall seit drei Jahren
Denn in Zeiten von Achtsamkeit und Trigger-Warnungen ist bekanntlich kein Platz für 80er-Jahre-Mackertum. Und so gab sich der moderne Bankräuber mit dem verbalen Hinweis an einen Bankangestellten, dass gerade ein "Überfall" im Gange sei und er ihm doch freundlicherweise die bequem greifbaren Bargeldbestände aushändigen solle, zufrieden. Unmittelbar danach flüchtete der Täter mit einem vierstelligen Betrag durch die Hintertür.
Der ganze Vorgang mag eingefleischte True-Crime-Fans enttäuschen, entspricht er doch so gar nicht dem, was man sich unter einem Banküberfall vorstellt. Allerdings gilt es zu bedenken, dass sich der Berufszweig des Bankräubers seit Jahren im Niedergang befindet. Die Millennials des Verbrechens stehen eher auf Geldautomaten-Sprengung: weniger menschlicher Kontakt, flexible Arbeitszeiten und schlimmstenfalls ein Knalltrauma. Die gepflegte räuberische Erpressung eines Geldinstituts wirkt dagegen angestaubt und dauert außerdem zu lang, um sie klickträchtig für TikTok aufzubereiten.
So verwundert es nicht, dass es sich bei dem Vorgang vom Montag um den ersten Banküberfall seit nunmehr drei Jahren im Zuständigkeitsbereich des Polizeipräsidiums Südosthessen handelt.
In fußläufiger Entfernung gestellt
Der Fall in Neu-Isenburg macht letztlich deutlich, was Fachkräftemangel auch bedeutet - dass Expertise nicht mehr von einer Generation an die nächste weitergegeben wird. Denn wer denkt, dass am Hinterausgang nun der Komplize im Fluchtfahrzeug gewartet hätte, um - kaum dass sein Kompagnon mittels Hechtsprung auf dem Rücksitz gelandet ist - mit quietschenden Reifen loszufahren, der wird enttäuscht. Kein Auto weit und breit - und man kann noch nicht mal den Grünen die Schuld geben.
Stattdessen wurden die beiden mutmaßlichen Täter in fußläufiger Entfernung vom Tatort von mehreren Streifen gestellt. Bei sich hatten sie noch die Beute, und so landeten die 36- beziehungsweise 37-jährigen Männer sogleich in Gewahrsam. Immerhin: Durch die halbwegs gelungene Vermummung ist derzeit noch unklar, wer von beiden den eigentlichen Überfall begangen hat. Die Kriminalpolizei hat die Ermittlungen übernommen. Die beiden Festgenommenen befinden sich inzwischen wieder auf freiem Fuß: Die Wiederholungsgefahr wird allem Anschein nach als gering angesehen.
Sendung: hr-iNFO, 23.04.2024, 11.30 Uhr
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