Seher auf dem Prüfstand Schräge Prognosen: Was an Jahresprophezeiungen wirklich dran ist
Kurz vor dem Jahreswechsel melden sich gerne selbsternannte Propheten zu Wort. Sie kündigen wilde Katastrophen und andere Ereignisse an. Ein Roßdorfer Verein analysiert, was davon wirklich eintritt.
Roboter übernehmen die Macht, Wladimir Putin zieht sich aus der Politik zurück und King Kong taucht in Costa Rica auf - das waren nur einige ernst gemeinte Prophezeiungen für das Jahr 2022. Davon hat sich nicht viel bewahrheitet.
Tatsächlich war das ablaufende Jahr für Wahrsager und Hellseher kein gutes Jahr, wie eine Auswertung der Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP) in Roßdorf (Darmstadt-Dieburg) ergibt. Die alljährliche Auswertung esoterischer Zukunftsprognosen habe auch in diesem Jahr wenig Greifbares, manche Absurdität und keine wirklich überraschenden Treffer ergeben.
Auf den Riesenaffen werde seit Jahren getippt. "Der ist immer dabei", sagt der Mathematiker Michael Kunkel, der seit 21 Jahren die teils kruden Prognosen von Astrologen, Wahrsagern und Hellsehern auswertet.
"Irgendwann passiert es halt"
Wirklich spektakuläre Treffer seien nicht dabei gewesen. Der Tod von Elizabeth II. sei etwa seit Jahren unter den Vorhersagen gewesen. "Irgendwann passiert es halt", so Kunkel.
Eine Belagerung von Paris, ein Massensterben in Indien, Riesenkaninchen, die eine Stadt angreifen seien ebenso vorhergesagt worden wie das Ende der Rolling Stones und der Tod des nordkoreanischen Diktators Kim Jong Un. Auch aus fiktiven Geschichten wie der Zeichentrickserie "Die Simpsons" seien für 2022 Ereignisse prognostiziert worden.
Corona und Inflation Themen 2022
"Die Machtübernahme von Robotern, ein Zombieüberfall oder gar ein Asteroidenabsturz - diese Katastrophenprognosen dürfte nicht mal der Autor dieser Pseudovorhersagen selbst ernst nehmen", mutmaßt Kunkel. Seinen Ausführungen zufolge waren in diesem Jahr auch wieder die Corona-Pandemie und auch die Inflation Thema. Bei der Pandemie seien die Aussagen aber recht vage geblieben und die Inflation sei absehbar gewesen.
Zu den eindeutigen Klassikern der Zunft gehören Vorhersagen zu Umwelt- und Naturkatastrophen, bevorstehendem Kriegen bis zum baldigen Ende der Welt. "Auch 2022 waren die Katastrophenseher und Weltuntergangspropheten wieder sehr aktiv", heißt es bei der GWUP. Erdbeben, Vulkanausbrüche, Terroranschläge, alles habe es auch 2022 gegeben.
Ein kanadisches Medium habe bei Erdbeben diese gleich für mehr als 150 Orte vorausgesagt. Darunter seien fast alle amerikanischen Bundesstaaten, Dänemark, die Ukraine, Großbritannien und auch viele Gebiete, die regelmäßig betroffen sind.
Keiner sah Gefängnisstrafe für Boris Becker voraus
Die Auswertung geschehe nach zwei Prinzipien. Sie werde, soweit möglich, wörtlich genommen und es werde berücksichtigt, wie wahrscheinlich das Eintreffen ist. Ein besonderes Ereignis wäre etwas gewesen, was so nicht zu erwarten war, wie zum Beispiel, als der Papst 2013 seinen Amtsverzicht bekanntgab.
Das sei damals von niemandem vorhergesagt worden, werde seitdem aber gerne prognostiziert. Für 2022 habe etwa niemand vorhergesagt, dass Ex-Tennisstar Boris Becker zu einer Gefängnisstrafe verurteilt wird.
Kritik von Astrologen
Der frühere Vorsitzende des Deutschen Astrologenverbandes, Klemens Ludwig, hatte die pauschale Kritik der GWUP in den vergangenen Jahren kritisiert und als nicht differenziert bezeichnet. "Da ist unsere Einstellung auch dieses Jahr nicht anders", sagt der zweite Vorsitzende des Verbandes, Wolfgang Steven.
Ludwig selbst hatte im vergangenen Jahr schärfere Spannungen zwischen den USA und China vorhergesagt bis hin zum "Säbelrasseln". Und tatsächlich verschärfte sich die Situation nach einem Besuch der Vorsitzenden des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, auf Taiwan. Nach Angaben des Astrologenverbandes starb Ludwig vor wenigen Tagen.
Über 200 Texte analysiert
Der GWUP zufolge wurden 2022 weit über 200 Texte aus Büchern, von Websites, aus Blogs oder Presseartikeln ausgewertet, von denen ein nicht geringer Teil anonym veröffentlicht worden sei. Es waren aber auch Vorhersagen von seit Jahren bekannten Vielprognostikern dabei.
Vorhersagen für 2023
Die Vorhersagen für 2023 seien ähnlich wie in den vergangenen Jahren, sagt Kunkel. Dazu gehörten wieder Katastrophen wie Vulkanausbrüche und Terroranschläge - und immer wieder werde sich dabei auf Nostradamus und Baba Wanga berufen.
Einen großen Unterschied gebe es aber in diesem Jahr: Die Queen komme nicht mehr vor. Auch der Riesenaffe King Kong werde in den Prophezeiungen nicht erwähnt. Und statt Riesenkaninchen sollen Eichhörnchen gefährlich werden und etwa für einen Stromausfall in New York sorgen.
Schottland soll nach einer weiteren Vorhersage im kommenden Jahr Großbritannien verlassen und unabhängig werden. Außerdem werde Corona uns weiterhin begleiten. Das sei allerdings keine wirkliche Prophezeiung, "das wissen wir auch durch Experten", so Kunkel.