Schwere Unwetter im Kreis Kassel Überschwemmungen durch Starkregen – Aufräumarbeiten laufen an
Im Kreis Kassel war die Unwetter-Lage in der Nacht zum Freitag besonders dramatisch, die Einsatzkräfte waren mit Booten unterwegs. Nun geht es darum, die Straßen von Schlamm und Unrat zu befreien. Die Kreisklinik Hofgeismar muss wegen Schäden Operationen aussetzen.
Das Unwetter mit Starkregen traf in der Nacht zum Freitag besonders die Region nördlich von Kassel. In Trendelburg, Hofgeismar, Bad Karlshafen, Reinhardshagen und in Wesertal wurden Straßen unterspült und liefen Keller voll.
Das Wasser stand in manchen Orten über zwei Meter hoch in den Straßen, wie ein Feuerwehrsprecher sagte. Menschen waren zum Teil in ihren Häusern eingeschlossen und mussten mit Booten gerettet werden.
Ab 5.30 Uhr habe sich die Wetterlage vielerorts wieder beruhigt, berichtete die Kasseler Vize-Landrätin Silke Engler (SPD). "Aber es war eine ziemlich heftige Einsatzlage", betonte Engler. Die Einsatzkräfte seien sicherlich auch noch am Samstag gefordert. Ein Krisenstab in Kassel koordiniert den Einsatz.
"Man kann die Bilder mit Ahrweiler vergleichen"
Insgesamt waren am Freitag rund 650 Männer und Frauen im Einsatz, wie der Kreis mitteilte. Offiziell wurden zunächst 210 Einsätze gemeldet, die tatsächliche Zahl liege aber bestimmt doppelt so hoch, schätzte Engler.
Die Bilder, die sich in den betroffenen Kommunen böten, seien verheerend, sagte sie am Mittag auf einer Pressekonferenz in Trendelburg. "Man kann die Bilder durchaus mit Ahrweiler vergleichen." Die Anwohner seien schwer schockiert. Andererseits sei viel Solidarität zu spüren.
Kreis: Ein Feuerwehrmann verletzt
Schweres Gerät wie Radlader sei angefordert worden, um Wege freizuräumen - auch durch die Bundeswehr, sagte Engler. "Die Koordination der Hilfe wird den Tag bestimmen."
Das Problem seien nicht nur die hohen Wasserstände gewesen, sondern auch, dass Schlamm und Unrat durch die Orte gespült wurden - "auch ganze Flüssiggastanks oder umgestürzte Bäume", wie Engler sagte.
"Bei Tageslicht sieht man das große Ausmaß der Schäden in den betroffenen Ortsteilen." Es sei mit einem erheblichen Schaden zu rechnen, so Engler, die früher selbst bei der Feuerwehr aktiv war. Ein Feuerwehrmann sei verletzt worden, hieß es. Nähere Informationen gab es zunächst nicht.
Zeltlager mit Kindern sitzt über Stunden fest
Besonders schlimm traf es den Trendelburger Stadtteil Gottsbüren, in dem sich schlammbedeckte Autos stapelten. Laut Feuerwehr stand das Wasser zeitweise bis zu zweieinhalb Meter hoch. Bei Brücken seien fehlende Teile festgestellt worden, sagte die Vize-Landrätin. Zwei Menschen wurden dort in ihrem Auto von den Wassermassen eingeschlossen und mussten mithilfe eines Radladers befreit werden.
Außerdem kam es in Gottsbüren zu Strom- und Netzausfällen. "Wir haben in Gottsbüren keine Infrastruktur mehr, gar nichts mehr", sagte der Trendelburger Bürgermeister Manuel Zeich (parteilos). "Wir reden hier nicht von ein bisschen Schutt, sondern Mauerwerken und Abgängen."
Auf einem Campingplatz am Wasserschloss Wülmersen in Trendelburg saßen rund 40 Kinder und Jugendliche über viele Stunden fest, weil sie nach dem Unwetter von Wasser umgeben waren. Den Kindern gehe es soweit gut, sagten die Betreuer dem hr. Im Laufe des Freitags konnten alle unbeschadet nach Hause.
Wasser spült Auto aus der Garage
"Wir leben, das ist das Wichtigste", sagte Anwohner Günter Behnke, vor dessen Haus in Gottsbüren sich während des Unwetters im Asphalt ein großes Loch gebildet hatte. Außerdem überspülte das Wasser seine Holzgarage.
"Das Auto darin wurde einfach weggerissen." Dass braunes Wasser in seinem Keller stand, nahm der Gottsbürener gelassen: "Das ist das Haus schon gewohnt."
Kreisklinik Hofgeismar unterbricht Regelbetrieb, Staubecken drohte überzulaufen
Die Kreisklinik in Hofgeismar trug Schäden davon, als Wassermassen in die Lüftungsanlagen eindrang. Aus Gesundheitsgründen muss die Lüftung, die auch Operationssäle versorgt, dadurch vorerst abgeschaltet werden, teilte ein Sprecher mit. Damit seien "auf unbestimmte Zeit" keine Operationen in dem Krankenhaus möglich. Lediglich die Abteilung für Inneres und die Intensivstation könnten wie gewohnt ihrem Betrieb nachgehen.
In Hofgeismar-Hombressen drohte zwischenzeitlich ein Staubecken überzulaufen, das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe gab um 5.23 Uhr eine entsprechende Warnmeldung heraus, die rund fünf Stunden später aber wieder aufgehoben werden konnte.
Erste Warnmeldungen waren für Nordhessen nach Mitternacht eingegangen. Der Deutsche Wetter-Dienst (DWD) warnte für die Stadt und den Landkreis Kassel vor extremem Starkregen und möglichen Sturzfluten. Gegen 8 Uhr wurden diese Warnungen aufgehoben.
Straßen gesperrt, Tierpark Sababurg geschlossen
Die B80 zwischen Bad Karlshafen und Gieselwerder wurde wegen Überflutung gesperrt, ebenso die B83 zwischen den Hofgeismarer Stadtteilen Hümme und Stammen.
In Wesertal-Gieselwerder kann nach Angaben des Landkreises Kassel ein Großteil der Aufräumarbeiten noch im Laufe des Freitags abgeschlossen werden. Dort wurde ein Ringverkehr eingerichtet, der Geröll und Unrat aus den betroffenen Gebieten abtransportiert.
Geschlossen bleibt zunächst auch der Tierpark Sababurg in Hofgeismar, wie dessen Team auf Facebook mitteilte. Den Tieren sei nichts passiert, wie hoch der Sachschaden ist, lässt sich noch nicht beziffern.
Hessens Innenminister Roman Poseck (CDU) dankte am Nachmittag allen Einsatzkräften. "Dank des schnellen und koordinierten Handelns konnten die Rettungskräfte Schlimmeres verhindern." Es sei ihr Verdienst, dass "offensichtlich keine Menschen zu Schaden gekommen sind".