Zeichen stehen auf "Weckruf" So rüsten Hessens Städte mit Sirenen auf
Mit dem Ende des Kalten Krieges wurden viele Sirenen zur Alarmierung der Bevölkerung abgebaut, gerade in den Städten. Angesichts neuer Gefahren sollen die Systeme vielerorts wieder hochgefahren werden. Doch die Umsetzung zieht sich hin.
Stromausfälle, Flutkatastrophen, Tornados, Terrorgefahr oder gar ein mögliches Kriegsszenario - angesichts zunehmender Herausforderungen wollen viele Städte in Hessen wieder Sirenen zur Warnung der Bevölkerung einsetzen. Zum einen, weil nicht jeder Einwohner ein Handy besitzt oder es durchgehend eingeschaltet hat. Zum anderen, weil kein anderes Instrument so geeignet ist wie eine laute Sirene, einen "Weckruf" abzugeben und im Notfall auch schlafende Einwohner zu warnen. Doch nach Ende des Kalten Krieges wurden viele der Anlagen, die bei Raketenagriffen aus dem Osten Alarm schlagen sollten, in den Städten abgebaut oder nicht mehr genutzt.
Das stellt besonders die Stadt Frankfurt vor eine Herausforderung: Rund 150 Sirenen wären nötig, um das Stadtgebiet abzudecken, wie die Feuerwehr Frankfurt mitteilt. Eine Mammutaugabe, denn derzeit gibt es in der 770.000-Einwohner-Stadt nur 14 funktionstüchtige Sirenen.
In Frankfurt gibt es nur bei den Industrieparks Sirenenanlagen
"Nach dem Ende des Kalten Kriegs konnten die Kommunen selbst entscheiden, ob sie die Sirenen weiter betreiben", erläutert Florian Erbacher, Branddirektor der Stadt Frankfurt dem hr. Vor allem die Gemeinden in ländliche Regionen entschieden sich dafür, etwa zur Alarmierung der Freiwilligen Feuerwehr.
Die Städtische Berufsfeuerwehr hingegen setze zur Alarmierung eher auf Funkmeldeempfänger wie beispielsweise Pager. "Deswegen gab es für Frankfurt keine Notwendigkeit mehr, die Sirenen zu diesem Zweck weiterzubetreiben - sie wurden abgebaut."
Die verblieben Sirenen liegen rund um die Industrieparks der Stadt. "Die Industrieparks sind über die Störfallverordnung verpflichtet, die Anwohner bei Störfällen zu warnen", sagt Branddirektor Erbacher. Deswegen gibt nahe dem Industriepark Höchst zehn moderne, digital steuerbare Sirenen, rund um den Industriepark Fechenheim vier. Digital steuerbare Alarmsysteme haben den Vorteil, dass sie besonders schnell sind.
Am geschlossenen Industriepark Griesheim stehen noch sieben Sirenen, die aber außer Betrieb sind.
Mammutprojekt zieht sich
Wann genau die neuen Anlagen fertig installiert sein sollen, ist noch unklar. "Ich weiß es nicht", sagt Erbacher. Die Stadt rechnet mit mindestens fünf Jahren. Nach der EU-weiten Ausschreibung im Februar sollen die eingegangenen Angebote im September gesichtet und der Zuschlag im November erteilt werden. Die fertige Planung soll Mitte 2025 vorliegen.
Das sagen andere hessische Städte zum Stand der Sirenen
- Fulda: Baut derzeit von ehemals 17 auf künftig 34 Sirenen aus. Von den 34 Sirenen sind inzwischen 28 digital steuerbare Sirenen montiert. Die verbleibenden sechs Sirenen sollen bis spätestens Ende des Jahres montiert und betriebsbereit sein.
- Darmstadt: Betreibt derzeit 35 in den Digitalfunk integrierte Sirenen. Bis 2027 sollen insgesamt 40 solcher Sirenen in Betrieb sein.
- Gießen: Hat aktuell 31 Sirenen. 17 Sirenen sind bereits digital steuerbar. Für 14 weitere Sirenen stehen noch abschließende Arbeiten in der Migration aus oder es müssen noch wegen Schäden oder Verschleiß Reparaturen stattfinden. Darüber hinaus sollen zwei weitere Sirenen in den kommenden Jahren in Betrieb genommen werden.
- Kassel: Ist derzeit noch ohne eine einzige digital steuerbare Sirene. Nach Angaben der Stadt gibt es derzeit 27 analog gesteuerte Sirenen. Kassel plant den Austausch von 11 veralteten Sirenen in den nächsten Monaten. Alle Sirenen sollen perspektivisch auf digital umgestellt werden.
- Marburg: Betreibt elf an den Digitalfunk angeschlossene Sirenenstandorte. Bis zum Jahr 2025 will die Stadt über 21 Sirenenanlagen verfügen.
- Wiesbaden: Verfügt derzeit über 108 Sirenen. 75 davon sind in den Digitalfunk integriert, der Rest wird noch analog gesteuert. Es werde noch geprüft, in wie weit das Stadtgebiet mit Sirenen abgedeckt ist, auch in Bezug auf Neubaugebiete. Die Planungen seien jedoch noch nicht abgeschlossen.
Bad Homburg ist längst fertig
Während andere Städte noch planen und aufrüsten, hat die Stadt Bad Homburg nach einem Beschluss im Jahr 2016 ihr Sirenenprojekt längst umgesetzt. Seit 2019 sind hier 21 neue ditigale Sirenen in Betrieb. 555.000 Euro hat die Stadt bislang aus Haushaltsmitteln dafür investiert, Steuerung und Wartung inbegriffen. Von Bund und Land gab es einen Förderzuschuss von jeweils 15.000 Euro.
Wie so ein abgeschlossenes Projekt aussehen kann, erläutert Daniel Guischar, Chef der Bad Homburger Feuerwehr. Hörbare Probealarme gebe es nur zweimal im Jahr - einen davon am bundesweiten Warntag. "Mehr ist nicht nötig, weil das System mehrfach über den Tag verteilt elektronisch getestet wird", so Guischard.
Auch bei Stromausfall einsetzbar
Ein weiterer Vorteil des modernen Sirenensystems: Darüber kann nicht nur der typische Sirenenalarm-Heulton erzeugt werden, sondern auch Sprachdurchsagen sind möglich.
Ein Alarmieren durch Sirenen im Fall von Bränden sei auch hier im Normalfall nicht angedacht, so der Bad Homburger Feuerwehrchef. "Bei unserer Häufigkeit von Alarmierungen zwischen drei und fünfmal pro Tag wäre das für die Bevölkerung auch nicht zumutbar."
Auch bei einem flächendecken Stromausfall würden die Sirenen funktionieren. Solar- und Akku-Systeme würden die Sirenen im Ernstfall über viele Tage hinweg in Betrieb halten. Beispiele wie die Flutkatatstrophe im Ahrtal (Nordrhein-Westfalen) hätten gezeigt, wie wichtig das sei. Damals seien durch Stromausfall auch Sirenen ausgefallen. "So bleiben wir handlungsfähig."