Millionenschaden in Stadtallendorf Der Moment, wenn plötzlich das Feuerwehrhaus brennt

Laute Explosionen, meterhohe Flammen, mehr als 20 Millionen Euro Schaden: Im Oktober werden die Feuerwehrleute in Stadtallendorf zu einem besonderen Einsatz gerufen. Ihr eigenes Gebäude steht in Flammen. Ein Rückblick.

Feuerwehrleute mit Schlauch
Retten, was kaum zu retten ist: Feuerwehrleute löschen die Fahrzeughalle Bild © picture-alliance/dpa

Als der Anruf kommt, funktioniert Patrick Schulz einfach nur. Um 4.40 Uhr ist er schon wach. Schulz ist im Badezimmer, er muss früh zur Arbeit.

Wenige Minuten später trifft Schulz am Feuerwehr-Standort in Stadtallendorf (Marburg-Biedenkopf) ein. Laut Alarm am frühen Morgen soll es dort brennen. Der Feuerwehrchef der mittelhessischen Gemeinde und drei weiteren Kameraden sind die Ersten an der Einsatzstelle.

Sie denken noch, dass vor der Fahrzeughalle ein Lkw in Brand geraten ist. Doch schnell ist klar: In der Halle selbst brennt es.

Videobeitrag

Rückblick – die Feuerwehr brennt in Stadtallendorf

hs 27.12.2024
Bild © hessenschau.de, hessenschau.de
Ende des Videobeitrags

Drei lange Minuten

Die Feuerwehrleute retten können noch ihre Einsatzkleidung aus dem Gebäude retten, dann müssen sie warten, bis die Kollegen der benachbarten Feuerwehren aus Niederklein und Erksdorf da sind.

Drei Minuten dauert es. Es sind drei sehr lange Minuten. Als die Löschfahrzeuge eingetroffen sind, steht die Halle schon im Vollbrand und mit ihr alle Fahrzeuge der Feuerwehr und ein Großteil der Materialien.

Alarm am eigenen Standort

Am Vormittag ist das Feuer gelöscht. Die Auswirkungen sind verheerend. Die komplette Fahrzeughalle brennt am 16. Oktober 2024 aus.

Von den schweren Metalltoren der Einsatzhalle sind nur noch Fetzen übrig, von den elf Fahrzeugen nur noch verkohlte Gerippe. Selbst die Kletterelemente am abseitsstehenden Übungsturm sind durch die Hitze geschmolzen.

Feuerwehrleute stehen vor dem ausgebrannten Gerätehaus in Stadtallendorf
Das Gerätehaus der Feuerwehr Stadtallendorf ist komplett ausgebrannt. Bild © Rebekka Dieckmann

Besonders bitter: Erst im Januar war die Feuerwehr in den modernen Neubau eingezogen. Derzeit wird der Schaden auf mindestens 20 Millionen Euro geschätzt.

"Wie ein zweites Zuhause"

"Das durchfährt einen, wie wenn man sieht, dass sein eigenes Haus brennt", erinnert sich der Stadtallendorfer Feuerwehrmann Günther Nau. Auch er war in der Nacht zum Löschen vor Ort. Erst Tage später habe er realisiert, was da eigentlich passiert ist.

Das Feuerwehrhaus sei für viele ein zweites Zuhause, meint Nau. "Wir treiben hier Sport, bilden uns fort oder verbringen Zeit einfach miteinander - sieben Tage die Woche." Auch das Material der Kinder- und Jugendfeuerwehr sei zerstört worden.

"Wir drehen die Uhr zurück und bauen wieder auf"

Die Brandursache ist inzwischen ausgemacht. Ein Fahrzeug soll durch einen technischen Defekt in Brand geraten sein. Ob das Gebäude abgerissen werden muss, ist noch unklar. Der Verwaltungstrakt mit Aufenthaltsräumen brannte zwar nicht, aber durch Rauch, Löschwasser und schädliche Dämpfe muss wohl auch hier vieles erneuert werden.

Das sei ein Kraftakt, sagt Susanne Fritsch. Sie arbeitet bei der Stadt als Projektleiterin der Feuerwehr. "Wir drehen die Uhr zurück und bauen wieder auf." Ganz praktisch bedeute das aber zunächst: abwarten.

Abstimmungen mit der Versicherung

Derzeit führt eine sogenannte Brandschadensanierungsfirma verschiedene Maßnahmen durch, um den vollen Schaden zu beziffern und zu erfassen, was möglicherweise noch erhalten werden kann.

Susanne Fritsch erklärt: Die Abstimmungen mit den Sachverständigen der Versicherung laufen noch. Erst wenn die Freigabe dafür da sei, könne man Aufträge für den Wiederaufbau vergeben.

Noch am selben Tag wieder einsatzfähig

Einsatzbereit ist die Stadtallendorfer Feuerwehr aber schon lange wieder. Noch am Tag des Brandes hatten benachbarte Feuerwehren Leihfahrzeuge bereitgestellt.

Löschfahrzeug mit kleiner Aufschrift der Feuerwehr Hattersheim
Auch die Feuerwehr Hattersheim hat ein Fahrzeug nach Stadtallendorf verliehen Bild © Patrick Schulz

Mittlerweile hat die Feuerwehr zehn Fahrzeug-Leihgaben aus ganz Hessen und sogar Nordrhein-Westfalen bekommen, etwa aus Bad Vilbel, Hattersheim und Lauterbach. Auch Ausrüstungsgegenstände wurden geliehen. Das Land Hessen stellte etwa 24 Funkgeräte bereit.

Zurück in den Interimsbau

Ein Dach über dem Kopf haben die Feuerwehrleute mittlerweile auch wieder. Rund 500 Meter vom eigentlichen Standort entfernt wurde ein Interimsbau errichtet: mehrere Container und eine Leichtbauhalle für die Fahrzeuge.

Eine Halle mit zeltartigem Dach und sechs teilweise offenen Toren, in denen man Feuerwehrautor erkennen kann
Zurück ins Provisorium: Der Interimsbau stand schon mal vor einem Jahr Bild © Patrick Schulz

Das weckt Erinnerungen: Genau hier war die Feuerwehr übergangsweise schon einmal fast zwei Jahre lang einquartiert, während ihr neues Gebäude im Bau war. Nach dem Einzug vor rund einem Jahr wurde alles abgebaut. Jetzt steht es wieder.

"Überwältigende Spendenbereitschaft"

Insgesamt sei die Solidarität und Spendenbereitschaft überwältigend, berichtet Stadtbrandinspektor Schulz. Auch Unternehmen, Vereine und Privatleute hätten die Feuerwehr unterstützt.

Stehtische mit gut zwei dutzend Funkgeräten
Die Funkgeräte wurden vom Land Hessen geliehen Bild © Patrick Schulz

Bei einem Waffelbacken vor dem Supermarkt hätten Menschen teilweise zwei Stunden angestanden, nur um eine Spendenwaffel zu kaufen, berichtet Schulz. "Manche haben 20 Euro gezahlt für eine Waffel, die eigentlich einen Euro kostet."

Brand macht weltweit Schlagzeiten

Zur Geschichte gehört allerdings auch: Ausgerechnet das topmoderne Feuerwehrhaus hatte keine eigene Brandmeldeanlage. Das machte weltweit Schlagzeilen.

Der britische Guardian griff die Nachricht auf, die taiwanische Taipei Times, das US-Magazin Newsweek. In tausendfach gelikten und kommentierten Posts in den sozialen Medien erntete der Stadtallendorfer Feuerwehrbrand nicht nur Mitleid, sondern durchaus auch Spott.

Screenshot aus Instagram mit einem Post des Accounts "faktastisch.de". Er zeigt ein Feuer und eine Schlagzeile zum Feuerwehrbrand in Stadtallendorf. Er wurde mehr als 45.000 mal geliked.
"Wie vom Krankenwagen überfahren werden": Im Netz gab es auch Spott und Häme Bild © Screenshot/Instagram (19.12.2024)

Klar ist: Eine Brandmeldeanlage ist Gebäuden dieser Art nicht vorgeschrieben. Der Vorfall sorgte in Feuerwehrkreisen und darüber hinaus für Diskussionen, ob das nicht angebracht wäre. Das Stadtallendorfer Feuerwehrhaus soll nach dem Wiederaufbau eine Brandmeldeanlage bekommen.

"Blicken positiv ins nächste Jahr"

Der Stadtallendorfer Feuerwehrchef Schulz betont: Das Feuerwehrhaus habe alle Vorschriften der Brandschutzordnung erfüllt. Es habe ein ausführliches Brandschutzkonzept gegeben.

Mann in Uniform-Hemd
Stadtbrandinspektor Patrick Schulz war mit als erster vor Ort Bild © Patrick Schulz

"Wir wissen, dass alles erledigt worden ist, was gefordert war", meint auch Feuerwehrmann Günther Nau. Spott und Häme seien an den Kameraden abgeprallt. "Das haben wir alle nicht an uns rangelassen", sagt er.

Trotz allem blicke die Feuerwehr durchaus positiv ins nächste Jahr, sagt Patrick Schulz. Die Stimmung sei mittlerweile wieder gut. "Die Feuerwehrleute haben relativ schnell wieder nach vorne geschaut", meint er. Das sei auch ein "Credo" innerhalb der Feuerwehr.

Sendung: hr-fernsehen, hessenschau,

Quelle: hessenschau.de mit Informationen von Julia Maria Klös, Björn Schaffrina und Anna Spieß (hr)