Lkw-Fahrer-Streik an der A5 "Wenn ich nicht bald Geld bekomme, wird zu Hause der Strom abgestellt"

Seit drei Wochen streiken Lkw-Fahrer aus Osteuropa auf einem Rastplatz an der A5 bei Weiterstadt. Sie fordern bessere Arbeitsbedingungen und den Lohn der letzten Monate. Den Alltag auf Rastplätzen kennen die Männer. Im Streik ist die Lage jedoch besonders.

Streikende LKW-Fahrer auf der A5 Gräfenhausen
Usbekische und georgische LKW-Fahrer streiken auf der Raststätte Graefenhausen an der A5 für bessere Arbeitsbedingungen. Bild © Silke Sutter (hr)
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Lkw-Fahrer-Streik an der A5

hs 14.04.2023
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Tornike Lukhumaidze kehrt ein paar Zigarettenstummel zusammen. Es wird viel geraucht auf dem Rastplatz Gräfenhausen West. "Wir hängen halt viel rum", erklärt der 22-jährige Georgier. Seit drei Wochen lebt er zusammen mit 61 anderen Lkw-Fahrern hier auf dem Rastplatz neben der A5 bei Weiterstadt (Darmstadt-Dieburg). Wie lange noch? Lukhumaidze zuckt mit den Schultern. "Ohne unser Geld gehen wir hier nicht weg."

Die Entschlossenheit der streikenden Brummi-Fahrer ist groß. Groß wie ihr Leidensdruck. Warum sonst hängt jemand wochenlang "freiwillig" auf einem Autobahnrastplatz rum? Autos donnern vorbei, die Mülltonnen quillen über. Es ist laut, es stinkt nach Abgasen. Und stellenweise auch nach Urin. Duschen und Toiletten gibt es zwar im Rasthof. Doch auch die sind alles andere als einladend.

Miserable Arbeitsbedingungen und kein Schutz

"Das Schlimme ist: Die Fahrer sind es ja gar nicht anders gewohnt", sagt Anna Weirich vom Beratungsnetzwerk Faire Mobilität des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB). Weirich ist eine der vielen Gewerkschafter, die dauerhaft vor Ort sind.

Sie betreuen die Streikenden. Beraten, führen Gespräche, vermitteln, übersetzen. Über die Arbeitsbedingungen im Transportwesen kann Weirich nur den Kopf schütteln. "Die Fahrer sind scheinselbstständig. Sie bekommen rund 80 Euro am Tag und müssen davon noch Spesen decken."

Ein Gang zur Toilette - ein Euro

Im Trucker-Alltag heißt das: ein Euro pro Toilettengang am Rasthof. Dusche nicht inbegriffen. Dazu Essen, Getränke, Zigaretten. Bei den branchenüblichen Dumpinglöhnen bleibt da am Ende nicht viel übrig. "Nennen Sie mir einen Job, bei dem Sie für jeden Toilettengang einen Euro zahlen müssen", sagt Weirich.

Immerhin: Dank einer Spende vom Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL) in Höhe von 1.000 Euro können die Fahrer momentan die Sanitäranlagen umsonst nutzen. Und das ist nur ein Beispiel der Solidaritätswelle, die der Lkw-Streik in Gräfenhausen ausgelöst hat. So betreut beispielsweise ein Arztmobil die Streikenden.

Käsekuchen als Zeichen der Unterstützung

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Bild © Silke Sutter (hr)| zur Audio-Einzelseite
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Tornike Lukhumaidze und die anderen Fahrer hängen zwar viel rum, langweilig ist so ein Tag am Rastplatz aber trotzdem nicht. Immer wieder halten Autos neben den blauen Lastwagen. Menschen steigen aus, winken die Lkw-Fahrer zu sich, zeigen in den Kofferraum auf mitgebrachte Spenden. Dass man sich sprachlich nicht verständigen kann, weil viele Fahrer ausschließlich russisch sprechen, ist völlig egal.

Brigitte Schmoll ist eine der Unterstützerinnen: "Mein Mann war selbst 40 Jahre Fernfahrer. Es ist ein harter Job. Und ich finde es einfach nur fies, dass die ihr Geld nicht kriegen", erzählt die Frau aus Mörfelden-Walldorf (Groß-Gerau). Deshalb hat sie vier Käsekuchen gebacken und vorbeigebracht. Die Fahrer applaudieren anerkennend.

Sorge um Familien am größten

Generell ist die Stimmung unter den Fahrern gut. "Meine Kumpels sind hier, das macht es erträglich", sagt Tornike Lukhumaidze. Die meiste Zeit verbringt der junge Georgier in einer der Küchen. Die haben sich die Fahrer in den Anhängern provisorisch eingerichtet.

In einer provisorischen Küche verpflegen sich die streikenden Lkw-Fahrer an der Raststätte.
In einer provisorischen Küche verpflegen sich die streikenden Lkw-Fahrer an der Raststätte. Bild © hr/Marit Tesar

Hier stapeln sich Gemüse, Schokoriegel und andere Lebensmittelspenden. Auf Campingkochern brodelt Fleischeintopf mit Kohl. Es gibt frischen Kaffee.

"Eigentlich mache ich den Job hier, um meine Familie zu unterstützen", erzählt der 22-Jährige. Weil er aber für vier Monate Arbeit gerade mal 50 Euro Lohn bekommen habe, unterstütze seine Familie jetzt ihn. Ein anderer Fahrer sagt: "Wir kommen hier klar. Sorgen mach ich mir um meine Frau, meine Kinder. Wenn ich nicht bald Geld bekomme, wird denen zu Hause der Strom und das Gas abgestellt. Und dann?"

Hoffnung auf Veränderung

Deshalb halten Lukhumaidze und die anderen Fahrer durch. Verkraften sogar Angriffe durch Schlägertrupps, die im Auftrag der Spedition die Lastwagen zurückholen sollten.

Zwischen den Lastern waschen die Fahrer in Plastikschüsseln ihre Wäsche. Für ein bisschen Privatsphäre ziehen sie den Vorhang im Führerhäuschen zu. Sie verbringen Tage und Nächte auf schmutzigen Rastplätzen. Also eigentlich alles wie immer. Nur ist dieses Mal eine große Portion Hoffnung dabei, dass ihre Zukunft als Fernfahrer irgendwann besser aussieht.

Streikende Lkw-Fahrer auf dem Rastplatz bei Weiterstadt - sie stehen dicht gedrängt, einige schauen auf ihre Smartphones.
Große Aufregung unter den Streikenden am Freitag - erste Fahrer haben auf ihren Konten einen Geldeingang. Bild © hr

Spediteur: Späte Zahlung steht im Vertrag

Zumindest scheint aktuell ein wenig Bewegung in die Sache zu kommen. Der Spediteur hat sich am Freitag bei den Fahrern gemeldet und die Zahlung der Löhne angekündigt. Mindestens einer der gut 60 Fahrer hat bereits Geld bekommen. Damit sei der Raum für Verhandlungen geöffnet, erklärte Gewerkschafterin Weirich.

Der polnische Spediteur Lukasz Mazur wies die Vorwürfe wegen fehlender Lohnzahlungen zurück. Für die Verzögerungen gebe es einen Grund, sagte er laut dem Wiesbadener Kurier. In den Verträgen sei festgelegt, dass die Fahrer grundsätzlich ihren Lohn erst eineinhalb Monate später bekämen. Denn so lange dauere die Zahlungsabwicklung zwischen der Spedition und ihren Kunden.

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Sendung: hr-fernsehen, hessenschau, 14.04.2023, 19.30 Uhr

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Quelle: hessenschau.de