Hilfe für Menschen mit Hirnschäden verzögert sich Streit um Neubau eines Rehazentrums in Bad Homburg

Das Rehazentrum Neuroneum in Bad Homburg will neben der Hochtaunusklinik einen Neubau errichten. Dazu ist das Wegerecht vom Kreis nötig. CDU-Landrat Krebs kommt mit immer neuen finanziellen Forderungen und schlägt als Lösung einen Deal vor.

Zwei Frauen an einem Reha-Gerät. Eine Frau steht auf dem Gerät, eine Sturzsicherung von oben hält sie in einem Gurt fest. Daneben eine Therapeutin am Computer.
Die 25-Jährige Alisha Augustin kämpft sich nach einem Schlaganfall zurück ins Leben. Bild © hr
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Streit um Rehazentrum Neuroneum

hessenschau von 16:45 Uhr
Alisha Augustin bei der computergestützen Therapie. Bild © hr
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Ins Rehazentrum Neuroneum in Bad Homburg kommen Menschen wie Alisha Augustin. Die 25-Jährige aus Rüsselsheim kämpft sich seit ihrem Hirnschlag im vergangenen Jahr wieder zurück ins Leben. Dabei helfen ihr computergesteuerte Maschinen, wie es sie in dem privaten Rehazentrum gibt. "Durch das Neuroneum habe ich die Chance, mein Leben wieder zu bekommen und auch wieder in Zukunft arbeiten zu gehen," sagt Augustin.

Sie war schon in einer normalen Reha und kann Vergleiche ziehen. "Da habe ich nicht die Fortschritte gemacht, die ich hier schon in kürzester Zeit schon machen durfte", so die Einschätzung der Patientin.  

Neubau auf dem Campus steht vor dem Aus

Im Neuroneum könnte viel mehr Patienten geholfen werden, wenn es nicht aus allen Nähten platzen würde. "Leider müssen wir drei von vier Anfragen absagen," beschreibt Neuroneum-Gründerin Claudia Müller-Eising die Situation.

Eine Lösung für das Platzproblem schien längst gefunden. Nur einen Steinwurf entfernt vom derzeitigen Standort auf dem Gelände der Hochtaunusklinik fand Müller-Eising einen Bauplatz für das neue Rehazentrum.

Obendrein würde der von der Stadt Bad Homburg und dem Kreis propagierte Gesundheitscampus um die Klinik durch das größere Rehazentrum noch gestärkt. Längst hätten die Bagger anrollen sollen. Doch der Neubau auf dem Campus steht vor dem Aus. Nach Angaben von Müller-Eising liegt der Grund darin, dass ihr der Nachbar immer neue Steine in den Weg legt.

Klinik und Kreis fordern über eine halbe Million Euro

Der Nachbar, das ist die Hochtaunus-Kliniken gGmbH, vertreten durch Landrat Ulrich Krebs (CDU). Vor über zwei Jahren, als die Idee eines Neubaus Gestalt annahm, versicherte sich Müller-Eising der Unterstützung durch Bad Homburgs Oberbürgermeister Alexander Hetjes (CDU). Und auch beim Kreis und seiner Klinik erntete sie Wohlwollen für das Projekt.

Portrait von Claudia Müller-Eising während eines Gesprächs.
Neuroneum-Gründerin Claudia Müller-Eising Bild © hr

Doch mit dem Fortschreiten der Planungen stellten Klinik und Kreis immer neue Forderungen. Zunächst sollte Müller-Eising sich mit 485.000 Euro an den Erschließungskosten des Klinikgeländes beteiligen und 100.000 Euro Entschädigung zahlen.

Dann wurde der Kostenanteil halbiert und zum Schluss führte Landrat Krebs vergangenen Sommer einen Aufsichtsratsbeschluss herbei, wonach das Neuroneum 100.000 Euro Entschädigung plus 2.400 Euro monatlich für die Straßennutzung auf dem Klinikgelände zahlen soll. Konkret geht es um etwa siebzig Meter Straße, über die Patienten zum Neuroneum fahren müssten.

Fast 30.000 Euro im Jahr für 70 Meter Straße

Was angesichts der zuvor erhobenen noch höheren Forderungen wie ein Entgegenkommen aussieht, hält Müller-Eising für einen schlechten Scherz. "Der Klinik entsteht durch den Neubau auf dem Nachbargrundstück kein Schaden, wofür soll ich dann also Entschädigung zahlen?"

Selbstverständlich würde sie sich an den Unterhaltskosten für die Straße beteiligen. Doch bislang hat sie keine genaue Kostenaufstellung, warum sie für siebzig Meter Straße knapp 30.000 Euro im Jahr bezahlen soll. 

Eine Mann und eine Frau sitzen an einem Tisch. Vor ihnen liegt ein Entwurfsplan eine Gebäudes.
Die Neubau-Pläne liegen auf dem Tisch - doch die Umsetzung zieht sich. Bild © hr

Zu Details seiner Forderungen will sich Landrat Krebs auf hr-Anfrage wegen des "laufenden Verfahrens" nicht äußern. Ein Interview lehnte er mit derselben Begründung ab.

Ein Verfahren vor Gericht ist in der Sache bislang nicht anhängig, jedoch habe Müller-Eising eine Überprüfung durch das Regierungspräsidium veranlasst, erläutert Krebs. Solche Vereinbarungen zwischen Nachbarn, seien "freiwillig", heißt es schriftlich. Sie würden "in aller Regel von der Zahlung eines Geldbetrags abhängig gemacht, der grundsätzlich frei verhandelbar ist."

Frei verhandelbar aber Notlage nicht ausnutzen

Tatsächlich sind Streitigkeiten über das Wegerecht keine Seltenheit, weiß Professor Steffen Augsberg von der Uni Gießen. Der Verwaltungsrechtler erklärt aber, dass Nachbarn die Notlage eines Bauherrn nicht ausnutzen dürfen. "Es scheint aus der Ferne betrachtet, für das, was da eigentlich geleistet wird, ziemlich viel Geld zu sein," so Augsberg.

Zur Lösung solcher Konflikte seien Gutachter das Mittel der Wahl, die herausfinden würden, welche Kosten angemessen sind. Auf einen entsprechenden Vorschlag von Müller-Eising ist Landrat Krebs bislang nicht eingegangen.

Vorschlag eines Kompensationsgeschäfts

Stattdessen hat der Landrat Müller Eising bei einem Treffen im kleinen Kreis ein Kompensationsgeschäft vorgeschlagen. Wenn sie bereit sei, auf einen Teil der Forderungen einzugehen, könne er sich dafür verwenden, dass das Neuroneum Zuwendungen und Spenden bekäme, soll er ihr vergangenen Sommer gesagt haben.

Laut Müller-Eising und einer Mitarbeiterin, die bei dem Treffen im Landratsamt dabei war, verwies er auf seine guten Verbindungen zur Taunussparkasse, in deren Aufsichtsrat er ist. Müller-Eising hat dieses Dreiecksgeschäft zwischen Neuroneum, Kreis und Sparkasse abgelehnt.

"Wenn es darum geht, dass die Kreisklinik Geld bekommen soll, dann kann doch die Taunussparkasse die Klinik direkt fördern," sagt sie. "Warum soll das Geld der Sparkasse einen Umweg über das Neuroneum machen?" Außerdem würden die Spenden, die sie bekäme, an anderer Stelle, wo sie vielleicht nötiger seien, fehlen.

Ein Deal "mit Geschmäckle"

Für Verwaltungsrechtler Augsberg bewegt sich der Vorschlag des Landrats in einer rechtlichen Grauzone. Zwar kämen solche Deals in der Kommunalpolitik häufiger vor. Aber auch wenn man die verschiedenen Ebenen, auf denen sich Kommunalpolitiker bewegen nicht immer scharf voneinander trennen könne, sei es doch wünschenswert, dass die Rollen nicht vermischt würden. "Wenn er das in diesem Maße vermischt, dann hat das selbstverständlich ein Geschmäckle", so Augsberg im hr.

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Nach dem Kompensationsgeschäft gefragt, lässt Landrat Krebs über seinen Sprecher erklären. "Unsere Überzeugung ist, dass das Vorgehen des Landrates und der Kreisverwaltung unter allen Gesichtspunkten korrekt war." Man beteilige sich nicht über Medien an der von Frau Müller-Eising in die Öffentlichkeit getragenen Auseinandersetzung. "Dass es nicht möglich war, sich in Verhandlungen zu verständigen, bedauern wir sehr."

Damit sich der Neubau nicht länger hinzieht, sucht Müller-Eising an anderer Stelle nach einem geeigneten Grundstück. Patientinnen wie Alisha Augustin wünschen sich, dass Landrat Krebs noch ein Einsehen hat. "Damit er auch anderen Menschen wie mir die Chance gibt, ihr Leben wieder zurückzubekommen."

Weitere Informationen

Redaktion: Caroline Wornath

Sendung: hr-fernsehen, hessenschau, 26.03.2024, 16:45 Uhr

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Quelle: hessenschau.de