Neues Berechnungsmodell Tanzschulen fürchten "Todesstoß" durch höhere Musik-Gebühren

Erst haben steigende Gema-Gebühren für Weihnachtsmärkte Schlagzeilen gemacht, jetzt bekommen auch Tanzschulen in Hessen deutlich höhere Rechnungen. Die einen zahlen zähneknirschend, andere gehen juristisch dagegen vor.

Ralf Brückmannsteht hinter dem Mischpult im großen Saal seiner Tanzschule "Heidis Treff" in Rüsselsheim.
Ralf Brückmann im großen Saal seiner Tanzschule "Heidis Treff" in Rüsselsheim Bild © Felix Wendt/hr
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Wenn die Musik ertönt und seine Schülerinnen und Schüler ihre Körper im Rhythmus über das glänzende Parkett bewegen, ist Ralf Brückmann zufrieden. Er liebe das Tanzen, sagt der Geschäftsführer der Tanzschule "Heidis Tanztreff" in Rüsselsheim.

Ohne Musik wäre hier nichts los. Egal ob Tango, Cha-Cha-Cha oder Hip-Hop – es ist der passende Rhythmus, der die Menschen in Wallung und ins Schwitzen bringt. Aber genau das ist gerade Brückmanns Problem: Wann immer er die Lautstärkeregler an seinem Mischpult hochschiebt, wird es künftig teuer.

Denn auch Tanzschulen zahlen Gebühren an die Gema, um Musik spielen zu dürfen, und die sind seit Jahresbeginn zum Teil deutlich gestiegen. Brückmann rechnet mit bis zu 400 Prozent mehr, die er zahlen müsste.

Neues Berechnungsmodell sorgt für Frust

Denn die Gema (Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte) hat ihr Berechnungsmodell geändert. Gab es bisher Pauschalen, die sich an der Größe der Tanzfläche orientiert haben, soll jetzt nach Umsatz abgerechnet werden. "Ich müsste also im Nachhinein bezahlen", sagt Brückmann. Aber das würde seine Kalkulation sprengen. Denn er muss vorher festlegen, wie hoch die Kursgebühren für seine Schülerinnen und Schüler sind.

Auch Katja Scheffler von der Tanzschule "Stroh" in Darmstadt-Eberstadt hat mit deutlich höheren Gema-Gebühren zu kämpfen. Bisher musste sie eine fünfstellige Summe im Jahr zahlen, jetzt ist es das Doppelte. "Und hätten wir den WDTU nicht, wäre es noch mehr", so Scheffler.

Katja Scheffler in ihrer Tanzschule
Katja Scheffler muss jetzt rund das Doppelte an Gema-Gebühren zahlen. Bild © Felix Wendt/hr

Ihre Tanzschule ist im "Wirtschaftsverband Deutscher Tanzschulunternehmen" (WDTU) organisiert und der konnte einen Pauschalvertrag mit der Gema aushandeln. Aber auch der orientiert sich nicht mehr an der Größe der Tanzfläche, sondern am Umsatz der jeweiligen Tanzschule.

Auch die Kunden zahlen mehr

Von den 600 Tanzschulen, die der Verband vertritt, zahlten 70 bis 100 jetzt weniger Gema-Gebühren, sagt WDTU-Präsident Christoph Möller dem hr. Das seien vor allem Betriebe auf dem Land. Die anderen müssten mehr bezahlen.

Darunter eben auch die Tanzschule "Stroh". Der Mehraufwand sei so groß, dass sie ihn gar nicht komplett auf die Kunden umlegen könne, sagt Inhaberin Scheffler. Die müssen aber auch ihren Teil dazu beitragen. Sprich: Die Tanzkurse werden teurer, und das gefällt Scheffler nicht: "Tanzen verbindet, hier kommen alle Menschen einfach zusammen, egal ob groß oder klein, reich oder nicht reich."

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Was macht die Gema?

Die Gema vertritt in Deutschland die Interessen von rund 70.000 Künstlerinnen und Künstlern. Ihre Hauptaufgabe besteht darin, die Urheberrechte von Musikschaffenden zu schützen und zu verwalten. Wo immer etwa Musik gewerblich genutzt wird - zum Beispiel in Clubs, Radiosendern oder auch Tanzschulen - werden Gebühren fällig. Mit dem Geld werden nach Angaben der Gema die Künstlerinnen und Künstler für ihre Arbeit entlohnt.

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Verband im Rechtsstreit mit der Gema

Dagegen ist für Brückmann von "Heidis Tanztreff" in Rüsselsheim noch nicht klar, wie es tatsächlich weitergeht. Denn er ist in einem anderen Verband organisiert, der "Deutschen Tanzschulinhaber Vereinigung" (DTIV), und die ist seit Jahren mit der Gema in einem Rechtsstreit.

"Die Gema hat eine Monopolstellung, kann ihre Tarife frei bestimmen, und man hat keine Chance nachzuverhandeln", erklärt DTIV-Chef Dietmar Buermann dem hr. Der Verband ist gegen die neue Gema-Berechnung vor den Bundesgerichtshof gezogen, im Mai soll verhandelt werden.

Danach könnte das Verfahren aber wieder an das zuständige Oberlandesgericht München zurückgegeben werden. "Das würde bedeuten, zwei oder drei Jahre müssten wir auf jeden Fall noch kämpfen."

Gema will Urteil abwarten

Die Gema selbst stand nicht für ein Gespräch mit dem hr zur Verfügung, hat aber schriftlich Stellung genommen. Darin betont sie, man habe keine Verträge gekündigt, sondern einen gültigen Tarif, der nach Umsatz berechnet wird.

Zu "streitigen Vertragsbestandteilen" dürfe man nichts öffentlich kommunizieren, heißt es in dem Schreiben. Auf die Frage, warum die Berechnung der Gebühren geändert wurde, äußerte sich die Gema nicht. Nur so viel: Preiserhöhungen allein auf die Gema zu schieben, wäre völlig verkürzt.

Tanzschulen durch Corona und Energiekrise in Bedrängnis

Brückmann sorgt sich um die Zukunft nicht nur seiner Tanzschule: "Für viele sind die neuen Gema-Gebühren sicher eine Art Todesstoß, und auch wir werden zu kämpfen haben." Schon die vergangenen Jahre mit Corona-Schließungen und gestiegenen Energiekosten hätten "Heidis Tanztreff" und andere Schulen in ihrer Existenz bedroht.

Auf der Tanzfläche kann er die Sorgen bei Zumba und Discofox für eine Weile vergessen. "Wenn die Kunden reinkommen, ist meine Laune gut." Und wenn er Spaß hat, hätten auch die Kunden Spaß, sagt er. "Eine Win-Win-Situation." Rein emotional.

Redaktion: Julian Moering

Sendung: hr INFO,

Quelle: hessenschau.de