Bitcoins, Nicknapping und rechte Propaganda Telegram-Abzocke: Falsche Versprechungen unter falschem Namen

Betrüger werben auf Telegram unter falschen Namen mit angeblichen Bitcoin-Investitionen für den schnellen Geldsegen. Um an potenzielle Opfer zu kommen, basteln sie Fake-Identitäten: Und schon wirbt angeblich der Ministerpräsident oder der Hessische Rundfunk für Krypto-Betrug.

Eine Collage von Screenshots von Telegram Posts, die angeblich vom hessischen Rundfunk stammen sollen mit der Beschriftung „Fake“
Telegram-Abzocke im Namen des Hessischen Rundunks: Fake-Accounts verbreiten Betrugsmaschen mit Bitcoin-Werbung. Bild © Screenshots Telegram/ Collage hessenschau.de
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Der Hessische Rundfunk (hr) hat keinen Telegram-Account. Wer allerdings auf Telegram nach dem Hessischen Rundfunk sucht, wird trotzdem fündig: Es gibt einen Kanal, der "Hessischer Rundfunk" heißt, das hr-Logo als Profilbild hat und sogar mehr als 7.400 Follower besitzt. Das ist ein Fake.

Der Kanal existiert seit Ende Dezember vergangenen Jahres und bietet eine Mischung aus angeblichen Investitionsmöglichkeiten und Bitcoin-Angeboten, rechter Propaganda, Werbung für die Alternative für Deutschland (AfD) und reihenweise Screenshots von einem Messenger-Dienst, in dem angeblich glückliche Kundinnen und Kunden von ihren herausragenden Gewinnen berichten: "Das Geld war so riesig, als ich es sah, schrie und schrie ich", kann man in einem der Screenshots lesen, "Ich bin einfach so glücklich".

Nicknapping und Bitcoin-Scam

Die schlechte Nachricht: Das alles ist Betrug im Namen des hr, auf einen Geldsegen darf hier niemand hoffen. Kriminelle nutzen Fake-Identitäten von Medienhäusern oder bekannten Personen, um ihre Abzockmaschen zu verbreiten. Der Identitätsklau heißt "Nicknapping". Der Betrug mit angeblichen Aktien, Bitcoins und sonstigen Investitionen läuft überall auf Telegram. Und das Problem wird größer.

Auf dem hr-Fake-Kanal gibt es Beiträge zu Bauernprotesten, KI-generierte Bilder, antiisraelische Propaganda, Corona-Verschwörungsmythen, Hetze gegen Grüne sowie Links auf Nachrichtenmeldungen, die in ein rechtes Weltbild passen. Vieles ist zusammenkopiert aus anderen Social-Media-Kanälen. Und immer wieder verlinkt sind Seiten von angeblichen Investitions-Gurus. Der Account scheint von mindestens einer Person gut kuratiert zu werden: Das Deutsch ist ordentlich, die Ansprache freundlich, Posts auf rechte Medien werden vom Betrüger noch persönlich kommentiert.

Netze auswerfen – bis jemand anbeißt

Der Erfolg dürfte trotzdem gering sein, es ist möglich zu sehen, wie viele Leute die verschiedenen Posts lesen – während der hr-Recherche waren es oft weniger als zehn, manchmal sogar nur zwei Leute: Wahrscheinlich wir, die beiden Autoren des Artikels.

Das Prinzip der Betrüger scheint zu sein, auf möglichst vielen Plattformen ihre Netze auszuwerfen, in der Hoffnung, dass schon irgendwer darauf reinfällt. Nebenbei begehen sie schon Vergehen damit, überhaupt andere Identitäten und Fotos zu nutzen: Verstoß gegen das Recht am eigenen Bild und am eigenen Namen, Urheberrechtsverletzungen. Kommt Betrug, Beleidigung oder Verleumdung dazu, könnte das eine Geldstrafe oder sogar eine Freiheitsstrafe von bis zu 5 Jahren bedeuten. Das Internet ist kein rechtsfreier Raum, aber bei Telegram kommen Ermittler kaum weiter, auch weil Telegram sich nicht an Regeln hält und selten kooperiert.

Täter nutzen Ahnungslosigkeit

Das Bundeskriminalamt (BKA) mit Sitz in Wiesbaden beobachtet das Phänomen des betrügerischen "Cybertraidings" mit angeblichen Investitionen schon seit 2016, in den vergangenen Jahren seien im Netz aber mehr Betrugsstrategien hinzugekommen, die über Social Media und auf Fake-Seiten für angebliche Anlagemöglichkeiten werben. Dass das Phänomen zunehme, liege auch an der fortschreitenden Digitalisierung und der jahrelangen Niedrig- oder Negativzinsphase, heißt es vom BKA. "Die international agierenden Tätergruppierungen verstehen es dabei geschickt, sowohl die Erwartungshaltung als auch die teilweise mangelnde Erfahrung der Anleger auszunutzen."

Sich gegen Fake-Accounts bei Telegram zu wehren, hat wenig Erfolg. Der Account des Hessischen Rundfunks ist weiter online, obwohl der hr das Löschen beantragt hat. Auch die hessische Staatskanzlei war wenig erfolgreich: Der hr hatte darauf hingewiesen, dass ein Fake-Account von Boris Rhein, der ein lachendes Foto des Ministerpräsidenten im Profilbild hat, auf Französisch für dubiose Investments wirbt.

BKA: Seien sie misstrauisch!

Die Staatskanzlei beantragte daraufhin die Löschung des Accounts, trotzdem blieb er weiterhin online. Ebenso wie ein weiterer Fake-Account unter dem Namen Boris Rhein, bei dem schon die Profilbilder potenzielle Anleger in die Irre führen: Man sieht eine Bildergalerie vom stets freundlich lächelnden Friedrich Merz, CDU-Parteivorsitzender. Das Profil wirbt auf Englisch mit einer unwahrscheinlichen 99 prozentigen Erfolgsrate bei Aktiendeals mit einer Rendite von 300 Prozent.

Das BKA weist darauf hin, dass zur Prävention dieser Art von Betrügereien von den Polizeibehörden in den Ländern und im Bund gemeinsam mit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) auf Aufklärungsarbeit gesetzt wird. "Seien Sie misstrauisch!" ist dabei die wichtigste Empfehlung des BKA gegen Abzocke im Netz. Aber Präventionsmaßnahmen und Aufklärung durch die Polizei entbinde Verbraucherinnen und Verbraucher nicht von ihrer Verpflichtung, sich eigenverantwortlich zu informieren, betont das BKA.

MDR-Fake wirbt mit ehemaliger Intendantin

Telegram ist ein schlechter Ort, um nach Optionen zu suchen, möglichst schnell viel Geld zu machen. Hier könnte also helfen, was auch bei Fake News eine der ersten Fragen sein sollte: Mit gesunder Skepsis an die Dinge herangehen und überlegen, wie realistisch ist es, dass das stimmt?

Ist es zum Beispiel plausibel, dass die ehemalige Intendantin des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR), Karola Wille, sich mittlerweile als Investmentberaterin bei Telegram noch etwas dazu verdient? Betrüger haben zumindest versucht, diesen Anschein zu erwecken: Bei Telegram gab es seit Januar auch einen Fake-Account des MDR. Zusätzlich hatten Betrüger ein Fake-Profil von Karola Wille angelegt, mit einem offiziellen MDR-Foto: "Dies ist mein einziges Konto!", heißt es unter dem Profilbild.

Ein angebliches Telegram Profil der MDR Intendantin Karola Wille ist zu sehen, mit der Aufschrift „Fake“
Bild © Screenshot Telegram/ Collage hessenschau.de

Bitcoin-Scam in schlechtem Deutsch

Im MDR-Kanal machte dann der Fake-Account von Karola Wille Werbung, quasi als Gesicht des Betruges: "Aufgrund meiner aktuellen Analyse zum Kryptomarkt bin ich fest davon überzeugt, dass dies der beste Zeitpunkt ist, einzusteigen", schreibt der Fake-Account.

Oder: Man solle ihr einfach eine Nachricht schreiben, ob man 10.000 oder auch 100.000 US-Dollar in Bitcoins investieren möchte. "MIT DIESER KLEINEN BOTSCHAFT OBEN SIND SIE AUF DEM WEG IN FINANZIELLE FREIHEIT", verspricht die angebliche Wille in großen Lettern.

Nachdem der hr den Mitteldeutschen Rundfunk auf die Profile aufmerksam machte, beantragte auch der MDR das Löschen der Fake-Accounts. Der MDR-Kanal hat sich mittlerweile umbenannt, der Fake-Account von Wille ist verschwunden. Die Telegram-Kanäle vom Hessischen Rundfunk, MDR oder von Boris Rhein sind recht offensichtlich Fakes, kein öffentlich-rechtliches Medienhaus und kein Ministerpräsident würde jemals für Bitcoin-Investitionen auf Telegram zahlungswillige Kunden suchen.

Anwalt: "Jeder kann darauf reinfallen"

Aber, wer fällt schon auf sowas rein? Das passiere immer wieder, sagt Anwalt Pierre Bounin von der Kanzlei Herfurtner mit Büros in Frankfurt, Hamburg und München. Die Zahl der Fälle, die bei den Rechtsanwälten landen, nehmen zu. Die Maschen der Betrüger würden immer geschickter, zum Beispiel, indem bekannte Medienmarken für Fake-Accounts genutzt werden. Dann werde den Betroffenen sehr viel versprochen – und in Kombination mit der oft geringen Erfahrung von Anlegern, werde das zum Problem, sagt Anwalt Bounin. Manche, die in der Kanzlei Hilfe suchen, hätten fünf- bis siebenstellige Summen investiert. "Jeder Schlag von Mensch kann darauf reinfallen, das ist niemandem vorzuwerfen."

Manche Betroffene verlieren ihre komplette Altersvorsorge und finanzielle Lebensgrundlage. Noch dazu passiere es dann, dass die persönlichen Daten bei den Betrügern laden, der Schaden kann erheblich sein, sagt Bounin: Der Name könne genutzt werden, um ein Konto zu eröffnen oder Kreditanträge zu stellen. Und wenn das Finanzielle erstmal ruiniert ist, wird es schwer, sich noch zu wehren. Darauf würden die Täter wahrscheinlich auch bauen, sagt Bounin, "dass die Betroffenen dann quasi aufgeben und sich ihrem Schicksal fügen". Das sei Teil der Strategie.

Es gibt Hoffnung

Bounin rät dazu, Anzeige zu erstatten, damit die Behörden überhaupt aufmerksam werden. Dieser Schritt sei auch nicht hoffnungslos: Es gebe Möglichkeiten, sich zu wehren und auch Tätern auf die Schliche zu kommen. Das sei ein langwieriger Prozess, oft von Jahren, sagt Bounin, aber es gebe auch Erfolge, wo Mandanten der Kanzlei sehr viel Geld zurückbekommen hätten.

Trotzdem bleibt die sicherste Strategie, erst gar nicht in dubiose Angebote zu investieren. Eine 99-prozentige Sicherheit auf eine 300-prozentige Rendite ist nicht realistisch. Anwalt Bounin empfiehlt, sich genau zu informieren, das heiße vor allem, mehr als zwei Minuten zu googeln und sich Rat zu holen: Die Bafin informiert etwa über unseriöse Angebote.

Bei Telegram herauszufinden, was ein echter Account ist, ist nicht immer einfach. Es gibt etwa den Account "Regierung Hessen" mit etwas mehr Followern als der Fake-Kanal vom Hessischen Rundfunk. "Ho-Ho-Ho aus der Hessischen Staatskanzlei" heißt es da im letzten Eintrag von Mitte Dezember 2023. Es wird vor falschen Online-Shops gewarnt. Die Staatskanzlei teilt dazu mit: Dieser Account ist tatsächlich echt.

Weitere Informationen

Ist die Erstellung von Fake-Accounts strafbar?

Das Anlegen eines Accounts mit einem fremden Namen, der vortäuscht, diese Person zu sein, ist ein Verstoß gegen das Recht am eigenen Namen. Das kann gegebenenfalls Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche auslösen. Bei vielen Plattformen verstößt das gegen Nutzungsbedingungen.

Wenn dann noch fremdes Bildmaterial verwendet wird, kommen Verstöße gegen das Recht am eigenen Bild und auch strafrechtlich relevante Urheberrechtsverletzungen in Betracht.

Ansonsten ist die Erstellung und Verwendung eines Fake-Accounts zunächst nicht strafbar. Wird so ein Account für Betrug (§ 263 StGB) genutzt, Beleidigungen (§ 185 StGB) oder Verleumdungen (§ 187 StGB), kann das eine Bestrafung mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe nach sich ziehen.

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Weitere Informationen

Sendung: hr-iNFO, 05.03.2023, 7.45 Uhr

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Quelle: hessenschau.de