Versteigerung für Fastnachtsumzug in Herbstein Ein Bajazz braucht erst viel Kohle - und dann Kondition
Der Bajazz ist die Symbolfigur der Fastnacht im osthessischen Herbstein. Wer dort am Rosenmontag den traditionellen Springerzug anführen will, muss sich wie am Sonntag bei einer Auktion durchsetzen.
An das Gefühl, als närrischer Vortänzer dem Springerzug in Herbstein (Vogelsberg) am Rosenmontag vorangehen zu dürfen, erinnert sich Markus Heuser noch genau. "Es war unbeschreiblich schön, diese Ehre zu haben. Mehrere tausend Menschen am Straßenrand haben einem zugejubelt und gemeinsam Fastnacht gefeiert", schwärmt der 28-Jährige.
Heuser war im Vorjahr die Hauptfigur des Herbsteiner Springerzugs. Der zählt zu den ungewöhnlichsten Fastnachtsumzügen Hessens. Das traditionsreiche Spektakel geht zurück auf einen Brauch, den Tiroler Steinmetze im 17. Jahrhundert in den Vogelsberg mitbrachten, als sie die Herbsteiner Stadtmauer reparierten.
Viele junge Männer wollen Bajazz werden
Eine Besonderheit der Herbsteiner Fastnacht ist: Die Leitfigur des Springerzugs, der sogenannte Bajazz, wird alljährlich am ersten Sonntag des neuen Jahres versteigert. Denn der Part bei dem in diesem Jahr für den 3. März geplanten Rosenmontagsumzug ist beliebt. Viele junge Männer wollen einmal Bajazz sein. Deshalb wurde vor rund 100 Jahren damit begonnen, den Posten zu versteigern.
Heuser setzte sich im Vorjahr durch. Sein Nachfolger ist Marc Xaver Klein, wie die Fastnachtsvereinigung Herbstein am Sonntag auf Facebook mitteilte. Die Entscheidung fiel auf der Mitgliederversammlung im Haus des Gastes in Herbstein.
Sparkonten werden für Auktion geplündert
Wer Bajazz werden will, muss bereit sein, tausende von Euro hinzulegen. Heuser bekam im Vorjahr bei 5.310 Euro den Zuschlag. Der Rekord liegt noch höher. Marius Bettenbühl blätterte 2023 bereits 6.600 Euro hin. Und der neue Bajazz Marc-Xaver Klein ersteigerte die Würde am Sonntag für satte 7.110 Euro.
Für junge Männer sind das beträchtliche Summen. "Um sich das leisten zu können, werden bereits frühzeitig Sparkonten angelegt. Und die jeweilige Familie und Verwandtschaft gibt meistens auch noch Zuschüsse", berichtet Manuel Hensler, Sprecher der Fastnachtsvereinigung.
"Beim finanziellen Limit wird es kribbelig"
Doch es kommt bei der Versteigerung nicht nur auf einen dicken Geldbeutel, sondern auch auf Taktik an. Interessenten, die Bajazz werden wollen, halten das stets geheim. Damit andere nicht den Preis hochtreiben und es zu einem noch kostspieligeren Vergnügen wird. Wer es ernst meint, steigt meist erst gegen Ende der Auktion ein, wie Hensler immer wieder beobachtet.
Vorjahres-Bajazz Heuser erinnert sich: "Wenn es in Richtung des eigenen finanziellen Limits geht, das man sich gesetzt hat, wird es kribbelig. Dann muss man dem Rausch, der eine Versteigerung auslösen kann, widerstehen können."
Der Tischlermeister weiß, wovon er spricht. Ein Jahr zuvor wurde er im Showdown von dem einzig verbliebenen Konkurrenten übertrumpft. Es war dann Marius Bettenbühl, der die goldene Krone des neuen Bajazz aufgesetzt bekam.
Männer in Frauen-Kostümen bei den Pärchen
Bei der Versteigerung geht es aber nicht allein um den Bajazz. Vergeben werden an die Meistbietenden auch weitere Positionen im Springerzug, und zwar die des Tiroler Pärchens und von fünf weiteren Pärchen, die hinter dem Bajazz laufen. Der weibliche Part der Pärchen wird auch von jungen Männern übernommen, die sich als Frauen verkleiden und schminken. Auch das hat Tradition.
Die Pärchen zeigen Sprungtanz-Choreographien - ebenso wie der Bajazz in seinem bunten Gewand. Markus Heuser hatte im Vorjahr sein damals achtjähriges als Mini-Bajazz ausstaffiertes Patenkind Ben Ruhl im Schlepptau, um es an das Brauchtum heranzuführen. "Als ich klein war, war ich auch schon mal Nachwuchs-Bajazz dabei", sagt Heuser.
Traditionsfiguren wie der Erbsenstrohbär
Das Geld, das bei der Auktion zusammenkommt, fließt in die Kasse der Fastnachtvereinigung und dann in die Gestaltung der Prunkwagen für Rosenmontag und in die Kostüme.
Im Zug gibt es einige weitere Traditionsfiguren. Etwa den Erbsenstrohbär, der wie der Winter an die Kette genommen wird. Der Träger des Kostüms wird am Morgen des Rosenmontags in Stroh gewickelt - eine aufwendige, stundenlange Prozedur.
Zusammen mit einem Treiber ist der Bär dann ebenso im Festzug unterwegs wie etwa der Fruchtbarkeitsstorch, die (Straßen-)Kehrer und einige Affen, die mit den Zuschauern am Streckenrand Schabernack treiben.
Neben dickem Konto ist auch Kondition gefragt
Doch es ist der Bajazz, der im Fokus der Bräuche und Riten der Herbsteiner Fastnacht steht. Neben einem dicken Konto muss er auch gute Kondition mitbringen. Schließlich soll er etwa vier Stunden durch den Ort laufen und springen.
Zudem bittet er beim sogenannten "Aufspielen" um Spenden bei Geschäftsleuten und tanzt mit der jeweiligen Dame des Hauses.
Maskensprung als weiteres Highlight
In dieser Karnevals-Kampagne wird der Bajazz ein weiteres Highlight haben. In Herbstein wird am 1. Februar ein sogenannter Maskensprung veranstaltet, an dem die Narren dieses Mal maskiert teilnehmen. Dieser findet nur alle drei bis fünf Jahre statt - zuletzt 2019. Zu dem Umzug kommen noch weitere Karnevalsvereine aus Süddeutschland und aus Tirol. Mehr als 1.000 Aktive und rund 7.000 Zuschauer werden erwartet.
Für den Bajazz 2025 wird dies also ein zusätzliches Erlebnis.