Sorge um Schwert der Justitia Frankfurt appelliert an englische Fans: Hands off the sword!
Zehntausende englische Fans werden ihr Team bei der Fußball-EM am Donnerstag in Frankfurt gegen Dänemark anfeuern. Bei der WM 2006 hinterließen die Supporter der "Three Lions" bleibenden Eindruck: Sie plünderten den Justitia-Brunnen auf dem Römerberg.
Wer es sah, wird es nicht vergessen haben: Schätzungsweise rund 100.000 englische Fußballfans verwandelten Frankfurt im WM-Sommer 2006 in ein weiß-rotes Tollhaus. Tausende kamen zum Römerberg. Mit nackten Oberkörpern und aufblasbaren Jagdbomber-Modellen in den Händen liefen sie johlend über den Platz, schossen Fußbälle in Richtung der Rathaus-Fenster, plantschten im Gerechtigkeitsbrunnen.
Einer entwand sogar der Justitia-Statue in der Mitte des Brunnens das Bronze-Schwert. Zumindest Letzteres soll sich nach dem Willen der Stadtverwaltung bei der EM jetzt nicht wiederholen.
Zaun-Pläne verworfen
"Vandalismus ist kein Kavaliersdelikt", betont Jana Kremin, Sprecherin des Kulturdezernats, mit Blick auf Donnerstag. Dann spielt England gegen Dänemark im Waldstadion, dann werden zehntausende Supporter von der Insel in der Stadt erwartet.
Kremin schickt eine Warnung hinterher: Jeder Fall werde zur Anzeige gebracht. Daher möge man doch einfach das Bronze-Schwert an Ort und Stelle belassen.
Man habe sogar erwogen, aus Sorge vor erneutem Vandalismus den Justitia-Brunnen vor der Fußball-EM einzuzäunen, sagt Kremin. Schließlich habe man sich dagegen entschieden. Frankfurt wolle das Bild einer offenen, gastfreundlichen Stadt in die Welt senden. Und der Brunnen an diesem prominenten Platz ist ein beliebtes Fotomotiv.
"Das Schwert seht ihr nie wieder"
Bei der WM vor 18 Jahren sei das mit dem Bild der weltoffenen Stadt gelungen, sagt Bernd Messinger, damals Pressesprecher im Rathaus. Die Stimmung sei zwar ausgelassen und manchmal überschwänglich gewesen, es sei aber friedlich geblieben.
Der Schwertklau sei erst spät aufgefallen, erinnert sich Messinger. Fans der "Three Lions" hatten die Justitia-Statue in englische Fahnen gehüllt. Ersatzweise drückten sie ihr das Modell eines englischen Flugzeugs in die bronzene Hand.
"Das Schwert seht ihr nie wieder", habe er zur Antwort bekommen, als er einen englischen Fanbeauftragten danach gefragt habe, erzählt der frühere Römer-Referent. Der neue Besitzer fühle sich wie der mythische König Artus mit dem Wunderschwert Excalibur, dessen Geschichte jedes englische Kind kennt, erfuhr Messinger noch.
Tatsächlich blieben Artus' Erbe und sein Frankfurter Excalibur trotz aller Nachforschungen durch die Stadt unauffindbar. Das Historische Museum musste das geklaute Schwert ersetzen.
Schon neun Diebstähle
Was wie eine harmlose Posse klingt, macht der Stadt zunehmend Probleme. Nicht nur freudetrunkene Fußballfans greifen bei Denkmälern zu, auch ganz gewöhnliche Vandalen oder Metalldiebe. Seit dem Zweiten Weltkrieg wurde allein der Justitia-Figur auf dem Römerberg das Schwert neunmal geklaut, obwohl es festgelötet ist. Dem Standbild Karls des Großen auf der Alten Brücke wurde schon zweimal die Stichwaffe entwunden.
Das strapaziert das Budget der Stadt für die Denkmäler im öffentlichen Raum. Es beträgt laut Kulturdezernat 30.000 Euro pro Jahr. Allein um die Stier-Skulptur im Günthersburgpark von roter Farbe zu befreien, gab die Verwaltung neulich allerdings rund 8.000 Euro aus. Allzu viele Bronzeschwerter sind deshalb nicht mehr drin.
Kritik auch an Spottliedern
Überhaupt dürfte übergriffige Fan-Folklore bei dieser Fußball-EM nicht mehr ganz so achselzuckend hingenommen werden wie beim oft besungenen Sommermärchen 2006. Als englische Supporter am Wochenende den berüchtigten Klassiker "Ten German Bombers" anstimmten, der in sarkastischer Weise die Fliegerangriffe während des Zweiten Weltkriegs aufgreift, hagelte es Kritik von allen Seiten, auch vom englischen Fußballverband. Sogar die New York Times griff das Thema auf und zitierte Nationaltrainer Gareth Southgate mit den Worten: "Ich dachte, diese Zeiten lägen hinter uns."
Vor 18 Jahren in Frankfurt wurde das Spottlied gesungen, ohne dass sich jemand groß aufgeregt hätte. Der damalige Stadtsprecher Messinger erinnert sich, dass er einmal in einer Straßenbahn voller England-Fans mitgefahren sei, als das Lied gegrölt wurde. Bedroht habe er sich nicht gefühlt, dafür sei die Stimmung zu freundschaftlich gewesen. Diesen Geist wünscht er sich auch diesmal.
Sendung: hr4 für Rhein-Main, 18.06.2024, 15.30 Uhr
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