War was? Der Ohrwurm-Weltrekord

In Weyhers soll am Samstag ein kurioser Harmonika-Weltrekord aufgestellt werden. "War was?" fürchtet sich vor dem hartnäckigsten Ohrwurm aller Zeiten.

Foto einer Harmonika, die von einem Mann gespielt wird. Daneben sitzt (unscharf) eine Frau und hört zu. Auf dem Bild eine kleine, farbige Grafik mit dem Schriftzug "war was?".
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Hessen, das Bundesland, in dem immer was los ist. An dieser Stelle wirft unser Kolumnist Stephan Reich mit seiner Glosse "War was?" jeden Freitag einen ganz eigenen Blick auf die Nachricht der Woche. Nehmen Sie diesen Blick bitte auf keinen Fall ernst.

Ich weiß ja nicht, wie es Ihnen geht, aber ich bin unfassbar anfällig für Ohrwürmer. Würde jetzt jemand beispielsweise "I’m sitting here in the boring room" zu mir sagen, würde in meinem Gehirn sofort eine Bühne freigeräumt werden und eine kleine Bigband überenthusiastischer Synapsen würde im Chor "It's just another rainy Sunday afternoon" singen – und erst einmal nicht wieder damit aufhören.

Meine Ohrwurm-Anfälligkeit geht so weit, dass es ein festes Set an Ohrwürmern gibt, die einfach immer mal so losjingeln, ohne dass ich sie vorher irgendwo hören muss. Schlimm ist auch Jazz. Schnappe ich irgendwo Jazz auf, improvisiert mein Gehirn einfach weiter, wenn die Musik aus ist. Düdeldüdeldü düdeldi düdeldü – ich entkomme dem Ganzen nur, wenn ich andere Musik anmache. Die ihrerseits natürlich zu Ohrwürmern führen kann, wenn sie dann wieder aus ist. Ein Teufelskreis.

24 Stunden am Stück steirische Harmonika

Entsprechend weiß ich nicht, ob ich am Samstag nach Weyhers bei Ebersburg fahren oder YouTube öffnen sollte. Im Bürgerhaus in Weyhers nämlich wird es einen Weltrekordversuch von Martin Tschernko und Adrian Kehr geben, der auch im Netz gestreamt wird. Die beiden Männer wollen 24 Stunden am Stück steirische Harmonika spielen, dazu haben sie 300 Songs einstudiert. Das Rekord-Institut für Deutschland (RID) will den Weltrekord dokumentieren.

Würde ich den Weltrekordversuch verfolgen, könnte ich einerseits zwar sichergehen, mal 24 Stunden nicht von einem Ohrwurm heimgesucht zu werden. Andererseits: Wenn mein Hirn schon nach den ersten Takten von "Lemon Tree" auf Dauer-Repeat stellt, was macht es dann wohl, wenn ich 24 Stunden steirische Quetschkommode hinter mir habe? Wahrscheinlich fängt es an zu schunkeln und ich muss mit schwerem Schleudertrauma ins Krankenhaus.

Ohrwurm-Epidemie in der Rhön

Musik wird ja auch als Folterinstrument benutzt, wussten Sie das? Aber das nur am Rande. Den beiden Musikern steht auf jeden Fall ein Medizin-Team zur Seite, und das halte ich für keine schlechte Idee. Prinzipiell soll es etwaige Muskelschmerzen der Musiker mit Bandagen und Schmerzgel behandeln, aber vielleicht gibt es ja auch das ein oder andere blutende Ohr im Bürgerhaus in Weyhers, das verbunden werden will. Oder eben ein Schleudertrauma. Oder gleich eine ganze Ohrwurm-Epidemie in der Rhön, die Notaufnahmen überfüllt mit unkontrolliert schunkelnden Menschen, die im Delirium unaufhörlich die größten Harmonika-Hits murmeln.

Vielleicht übertreibe ich aber auch und das ganze wird wirklich die "spektakuläre Aktion, die nicht nur die Herzen aller Harmonika-Fans weit über die Landesgrenzen hinaus höher schlagen lässt", wie die beiden Musiker auf ihrem YouTube-Kanal ankündigen. Eine Quetschkommoden-Marathonparty, bei der sich glückselige Harmonika- und/oder Ohrwurm-Fans selig in den Armen liegen und ordentlich einen abschunkeln.

Ohrwurm-Weltmeister

Es ist schon albern: Ich habe nur eine vage Vorstellung davon, wie steirische Harmonika-Volksmusik eigentlich klingt, aber weil ich nun eine Weile an diesem Text sitze, improvisiert mein Gehirn einfach ein wenig. In diesem Moment höre ich einen Ufftata-Volksmusik-Sound in Dauerschleife, vielleicht können mich die Harmonika-Ärzte ja auch mal untersuchen? Es gibt seit 1987 übrigens einen jährlich verliehenen Weltmeistertitel auf der steirischen Harmonika. Und vielleicht bin ich ja Ohrwurm-Weltmeister, ohne dass ich das weiß. Oder Ohrwurm-Weltrekordhalter. Ich würde beide Titel gerne verlieren.

Ufftata, ufftata, ich werde Weyhers und YouTube wohl eher meiden am Wochenende, sicher ist sicher. Aber Glück wünsche ich ihnen natürlich schon. Der Weltrekordversuch hat 2022 übrigens schon einmal stattgefunden, auch im letzten Jahr spielten Tschernko und Kehr 24 Stunden lang Harmonika. Aber weil YouTube die Aufzeichnung des Streams löschte, war der Weltrekord ungültig. Warum das passierte, ist nicht ganz klar. Mein Tipp: Vielleicht haben Tschernko und Kehr in den 24 Stunden einmal zu oft "Lemon Tree" gespielt.

Quelle: hessenschau.de